EU geschlossen für Beibehaltung des Iran-Deals
Sofia – Nach der Abkehr der USA vom Atomabkommen mit dem Iran halten die 28 EU-Staaten geschlossen dagegen. Die Staats- und Regierungschefs waren sich bei ihrem Treffen in Sofia am Mittwochabend nach Angaben von Diplomaten einig, an dem Vertrag festzuhalten, solange der Iran das auch tut. Damit geht die EU auf Konfrontationskurs zu US-Präsident Donald Trump. Doch winkt sie im Streit um US-Strafzölle mit Zugeständnissen, falls Trump einlenkt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen hatten bei dem Abendessen in der bulgarischen Hauptstadt über Konsequenzen nach Trumps jüngsten Entscheidungen beraten. Dieser hatte die europäischen Verbündeten nicht nur mit der einseitigen Aufkündigung des Iran-Abkommens vor den Kopf gestossen, sondern auch mit der Abkehr vom Pariser Klimaabkommen, der Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem und eben den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium.
Harsche Kritik an Trump
Gipfelchef Donald Tusk hatte Trumps Kurs vor dem Treffen scharf kritisiert und eine «geschlossene europäische Front» dagegen verlangt. «Wenn man sich die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump ansieht, könnte man denken: «Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?»», sagte Tusk.
Schutzvorkehrungen für europäische Firmen
Nach dem Treffen hiess es, es herrsche im Kreis der 28 Länder Konsens, dass sich die EU weiter für eine auf Regeln beruhende internationale Politik einsetzen werde und am Iran-Abkommen festhalte. Zudem werde man Schutzvorkehrungen für europäische Firmen vorbereiten, die negativ von der US-Entscheidung betroffen seien. Doch wollen die Europäer den Angaben zufolge die Kritikpunkte an dem Abkommen aufgreifen. Dazu zählt, dass Iran trotzdem sein Raketenprogramm vorantreiben kann und der Vertrag eine Befristung einzelner Massnahmen bis 2025 vorsieht.
Der Iran zeigt sich grundsätzlich bereit, sich weiter an die im Abkommen festgelegten Auflagen für sein Atomprogramm zu halten, verlangt aber dafür die zugesagten wirtschaftlichen Vorteile. Trump hatte jedoch neue scharfe Sanktionen gegen den Iran angekündigt. Davon könnten auch europäische Unternehmen betroffen sein, die sich dort engagieren.
Reaktivierung eines älteres Gesetzes zur Abwehr von US-Sanktionen
Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie könnte im Notfall ein älteres Gesetz zur Abwehr von US-Sanktionen reaktivieren, das sogenannte Blocking Statute. Damit könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für etwaige Verluste entschädigt werden. Damit würde die Handelskrise zwischen den USA und der EU aber noch verschärft.
EU-Staaten wollen dauerhafte Ausnahme von US-Strafzöllen
Von den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium sind die EU-Staaten noch bis zum 1. Juni ausgenommen – ohne dass bereits eine dauerhafte Lösung abzusehen ist. «Die EU wird nicht mit einer Pistole am Kopf verhandeln», gaben Diplomaten den Konsens der 28 Länder wieder. Sie verlangen eine dauerhafte Ausnahme von den US-Massnahmen.
Sollte sich Trump darauf einlassen, könnte man aber über eine tiefere Energiepartnerschaft sprechen, vor allem auf dem Gebiet Flüssiggas, wie die EU-Diplomaten weiter berichteten. Die USA haben grosses Interesse, dieses Gas nach Europa zu exportieren und stossen sich deshalb auch besonders an der Ostseepipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland. Zudem bieten die Europäer Gespräche über Reformen der Welthandelsorganisation WTO, die Trump ebenfalls ins Visier genommen hat. Auch über einen besseren gegenseitigen Marktzugang für Industrieprodukte einschliesslich Autos könne man reden, hiess es.
Eigentliches Thema der Staats- und Regierungschefs ist am Donnerstag die «europäische Perspektive» für die sechs Westbalkanländer. Dabei soll es weniger um mögliche EU-Beitritte gehen, sondern zunächst um den Ausbau von Strassen, Energieleitungen und Kommunikationsnetzen, um die Länder enger an die EU anzubinden. Die Befürchtung ist, dass sonst China und Russland verstärkt auf dem Balkan investieren. (awp/mc/upd/pg)