Brüssel – Schon bei der ersten wichtigen Frage der Brexit-Verhandlungen lässt das Europaparlament die Muskeln spielen. Falls London das Angebot für Bleiberechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Grossbritannien nicht nachbessere, werde man notfalls ein Veto gegen das geplante Austrittsabkommen einlegen, heisst es in einem am Montag veröffentlichten Brief der wichtigsten Fraktionsvorsitzenden.
Die Zukunft der 3,2 Millionen EU-Bürger im Vereinigten Königreich und der 1,2 Millionen Briten in der EU ist Topthema für die zweite Verhandlungsrunde über den britischen EU-Austritt kommenden Montag in Brüssel.
Premierministerin Theresa May hatte in ihrem Verhandlungsangebot Ende Juni allen EU-Bürgern in Grossbritannien die Möglichkeit eingeräumt, sich um ein Bleiberecht zu bewerben. Den Europaparlamentariern reicht das aber nicht. Sie haben erheblichen Einfluss, weil das Parlament einem Abkommen mit Grossbritannien letztlich zustimmen muss – und somit auch blockieren könnte.
Steuerungsgruppe zerpflückt Papier aus London
In einer vierseitigen Stellungnahme an EU-Chefunterhändler Michel Barnier zerpflückt die sogenannte Steuerungsgruppe des Parlaments das Papier aus London. Hauptkritikpunkt: Grossbritannien wolle die jetzigen Rechte der EU-Bürger nach dem für 2019 geplanten Brexit nicht vollständig garantieren. Dies missachte das Prinzip, EU-Bürger in Grossbritannien mit gleichen Rechten auszustatten wie rund 1,2 Millionen Briten in der EU. Stattdessen drohe ihnen ein «Status zweiter Klasse».
Besonders kritisieren die Abgeordneten, dass sich EU-Bürger um einen «gesicherten Status» bürokratisch einzeln bewerben müssen, im Einzelfall sogar mehrfach. Zudem könnten sie die Rechte verlieren, wenn sie zwei Jahre ausserhalb Grossbritanniens leben. Sie monieren zudem Hürden für den Familiennachzug, für die Anerkennung von Studien- und Berufsabschlüssen und für EU-Studenten in Grossbritannien.
Die Parlamentarier wollen keine Stichtagsregelung vor dem geplanten Austrittsdatum 30. März 2019 und beharren darauf, dass der Europäische Gerichtshof für die EU-Bürger die Instanz zur Durchsetzung ihrer Rechte bleibt. Vor allem diesen letzten Punkt lehnt die britische Regierung kategorisch ab. (awp/mc/ps)