EU-Projekt: HSLU macht Munchs «Schrei» virtuell erlebbar
Luzern – Die Europäische Union unterstützt ein Forschungsprojekt, bei dem es um die Bewahrung und Präsentation von europäischem Kulturerbe mithilfe von Künstlicher Intelligenz und virtueller Erlebnisse geht. Die Hochschule Luzern ist am knapp 3.8 Millionen Euro schweren Vorhaben beteiligt.
Im norwegischen MUNCH-Museum werden drei Exemplare von Edvard Munchs berühmten «Schrei» rotierend ausgestellt – während jeweils eines zugänglich ist, ruhen zwei in Dunkelheit. Faktoren wie Licht und Feuchtigkeit könnten ansonsten dazu führen, dass die Farbe zu stark verblasst. Dasselbe Schicksal hat bereits unzählige Artefakte aus der Vergangenheit, von Gemälden über Statuen bis hin zu Textilien, erfasst. Auch bei neueren, computer-basierten Kunstobjekten ohne analoge Grundlage («Born Digital Art») ist die Konservierung eine Herausforderung. Aktuell sorgt die rasante Entwicklung von Softwares und Datenträgern dafür, dass die Lebensdauer solcher Werke oft nur wenige Jahre beträgt. Umso zentraler die Frage: Wie bewahrt man das kulturelle Erbe Europas für künftige Generationen? Antworten und Lösungen sucht das im Februar lancierte, dreijährige EU-Forschungsprojekt PERCEIVE (Perceptive Enhanced Realities of Colored collEctions through artificial Intelligence and Virtual Experiences). Multidisziplinäre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus acht Ländern und 11 Institutionen sind daran beteiligt – als einzige Schweizer Bildungsinstitution auch die Hochschule Luzern (HSLU).
PERCEIVE zielt darauf ab, eine neue Art der Wahrnehmung, Bewahrung und Ausstellung des europäischen Kulturerbes zu schaffen. Dies anhand von fünf Schwerpunkten: Farbveränderungen in klassischen Skulpturen, Gemälden, Textilien und historischen Fotos sowie die Erhaltung und Präsentationsmöglichkeiten von «Born Digital Art».
Mit Virtual Reality in die Vergangenheit abtauchen
Methodisch sind Künstliche Intelligenz (KI) sowie virtuelle Erfahrungen zentral. So soll KI unter anderem dafür eingesetzt werden, mithilfe grosser Datenmengen den Originalzustand eines Kunstobjekts zu rekonstruieren oder dessen künftige Veränderung vorauszusagen. Diese Erkenntnisse werden am «Immersive Realities Research Lab» der HSLU weiterverarbeitet, das auf Forschung rund um Virtual und Augmented Reality spezialisiert ist. Projektleiter Arthur Clay erklärt: «Wir wollen die Werke zum Leben erwecken und einen spielerischen, ortsunabhängigen Zugang zu Kunst schaffen».
Ziel sei es, interaktive Apps zu kreieren, um die ursprüngliche Form bekannter Kunstobjekte wieder erlebbar zu machen – in- und ausserhalb von Museen, für ein möglichst breites Publikum. Darüber hinaus fokussiert sich die HSLU-Forschungsgruppe auf computer-basierte Kunstwerke und untersucht Möglichkeiten, diese langfristig zu konservieren und in öffentliche Ausstellungen zu integrieren.
Federführend sind Clay und sein Team auch bei der Konzepterarbeitung für einen mobilen «Post-Covid Ausstellungsraum»: Er soll als Pop-Up flexibel in europäischen Städten aufgebaut werden können und Kunstwerke aller Epochen zeigen, sowohl als Prints als auch virtuell mithilfe der entwickelten Apps. «Natürlich stehen wir erst ganz am Anfang des dreijährigen Projekts – die Dinge fügen sich gerade erst zusammen», so Clay. «Aber wir sind stolz, uns als HSLU an diesem wichtigen Unterfangen zu beteiligen und das Know-how unseres Teams einbringen zu können.»
Über PERCEIVE
Das Projekt PERCEIVE wird durch das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation «Horizon Europe» mit knapp 3.8 Millionen Euro finanziert. Da die Schweiz bis auf Weiteres nicht Teil von «Horizon» ist, wird der Förderbeitrag von 940’000 Franken für die HSLU durch den Bund getragen.
Gestartet ist PERCEIVE anfangs 2023, der Abschluss ist 2026 geplant. Zu den Projektbeteiligten gehören nebst der Hochschule Luzern (HSLU) unter anderem der Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) in Italien, die Foundation for Research and Technology (FORTH) in Griechenland, das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Deutschland und das MUNCH-Museum in Norwegen. Insgesamt sind 11 Institutionen aus acht Ländern beteiligt.