EU-Ratschef fordert Brexit-Sondergipfel im November

Donald Tusk

EU-Ratspräsident Donald Tusk. (Foto: The European Union)

Brüssel / London – EU-Ratschef Donald Tusk will den Brexit-Verhandlungen mehr Zeit geben als ursprünglich geplant und visiert nun einen Sondergipfel im November an. Der neue Fahrplan soll beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs diese Woche in Salzburg besprochen werden. Tusk warnte am Dienstag vor einer «Katastrophe», falls Grossbritannien ohne Abkommen aus der EU austritt. London fordert seinerseits Zugeständnisse der EU für einen Durchbruch.

Ursprünglich wollte die EU bis Mitte Oktober ein Austrittsabkommen abschliessen, das die Bedingungen des für 2019 geplanten Brexits regeln und eine Übergangsfrist bis Ende 2020 gewähren soll. Doch stocken die Verhandlungen seit Monaten. Knackpunkt bleibt, wie politisch heikle Kontrollen an der künftigen Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Käme der Vertrag nicht zustande, gäbe es auch keine Schonfrist, sondern einen harten und vermutlich chaotischen Bruch.

Beide Seiten drängen sich gegenseitig zum Nachgeben. Die britische Premierministerin Theresa May will ihre Position am Mittwoch bei einem Abendessen vor dem EU-Gipfel in Salzburg noch einmal darlegen. Die 27 bleibenden Staaten wollen dann am Donnerstag ohne May ihre Linie für die Schlussphase der Verhandlungen beraten.

Der britische Brexit-Minister Dominic Raab ging schon am Dienstag mit einer Serie von Interviews in die Offensive und betonte, Grossbritannien habe sich bereits bewegt, nun sei die EU-Seite dran: «Wir haben Kompromisse gemacht und Flexibilität gezeigt. Das müssen wir jetzt auch von der europäischen Seite sehen.» Der Ball liege nun eher im Feld der Europäer als der Briten, sagte Raab der «Welt».

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte nach einem Treffen mit May in London am Dienstag: «Ich glaube, dass bei uns Bereitschaft da ist, aufeinander zuzugehen.» Doch schränkte er ein, Zugeständnisse dürften nicht die Grundprinzipien der EU aufs Spiel setzen – darunter die vier Freiheiten des EU-Binnenmarkts einschliesslich Freizügigkeit.

«‹No-Deal-Szenario› immer noch durchaus möglich»
Premierministerin May schlägt indes nur für Güter – nicht aber für Dienstleistungen – quasi einen weiteren Zugang Grossbritanniens zum Binnenmarkt vor und bietet dafür die Einhaltung von EU-Standards an. Zudem will sie eine besondere Zollpartnerschaft. Die EU nennt das Rosinenpicken und lehnt es ab.

Da keine Lösung in Sicht ist, werden die Warnungen vor einem Scheitern der Verhandlungen dringlicher. «Leider ist ein ‹No-Deal-Szenario› immer noch durchaus möglich», erklärte Ratspräsident Tusk. «Aber wenn wir alle verantwortungsvoll handeln, können wir eine Katastrophe vermeiden.»

Der deutsche Staatsminister Michael Roth sagte am Rande einer Ministertagung in Brüssel: «Wir bleiben nach wie vor optimistisch, dass wir bis November eine vernünftige Lösung hinbekommen, aber wir brauchen jetzt entsprechend eine Dynamik in den Verhandlungen. Ich habe den Eindruck, es geht in die richtige Richtung.» (awp/mc/ps)

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