EU-Unterhändler Barnier: Brexit-Einigung in acht Wochen realistisch

EU-Chefunterhändler Michel Barnier.

Brüssel / Bled / London – EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier hält eine Einigung in den Austrittsgesprächen mit Grossbritannien in den kommenden zwei Monaten für möglich. «Ich denke, dass – wenn wir realistisch sind – wir eine Einigung in der ersten Phase der Verhandlungen, also über ein Austrittsabkommen, in den nächsten sechs bis acht Wochen erreichen können», sagte Barnier bei einer Konferenz im slowenischen Bled am Montag. «Wir müssen ein Abkommen vor Anfang November erzielen. Ich denke, das ist möglich.»

Grossbritannien wird die Europäische Union am 29. März 2019 verlassen. Beide Seiten hatten sich Mitte Oktober als Zielmarke für ein Austrittsabkommen gesetzt. Barnier hatte zuletzt jedoch betont, dass diese verfehlt werden könnte.

Problematisch ist vor allem die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland vermieden werden sollen. In der ehemaligen Bürgerkriegsregion wird ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten befürchtet, sollte die politische Teilung der Insel wieder durch Schlagbäume sichtbar werden.

Die britische Premierministerin Theresa May will das Problem mit einem massgeschneiderten Abkommen über die künftigen Beziehungen lösen. Für Waren soll sich Grossbritannien demnach weiterhin an EU-Regeln orientieren und freien Zugang zum Europäischen Binnenmarkt haben – Kontrollen an der Grenze wären damit überflüssig. Für Dienstleistungen soll das aber nicht gelten und auch die ungehinderte Einwanderung von EU-Bürgern soll ein Ende haben.

London hofft auf wenigstens eine schwammige Lösung
Brüssel hat zwar deutlich gemacht, dass es weite Teile von Mays Vorschlägen nicht akzeptieren wird – doch in London wächst die Hoffnung, dass es doch noch zu einer, wenn auch schwammigen, Einigung kommt.

Gefährlicher als die Skepsis in Brüssel scheint für May derzeit ohnehin der Widerstand in der eigenen Partei. Im Juli waren Brexit-Minister David Davis und Aussenminister Boris Johnson im Streit um die Brexit-Pläne zurückgetreten. Sie fordern einen klaren Bruch mit Brüssel.

«Sprengstoffgürtel»
Johnson hatte am Sonntag die bisherigen Verhandlungen in einem Gastbeitrag in der «Mail on Sunday» mit einem «Sprengstoffgürtel» verglichen, den May Grossbritannien angelegt habe. Den Auslöser habe sie EU-Chefunterhändler Barnier in die Hand gegeben. Mays Brexit-Plan mache Grossbritannien zu einem Vasallenstaat der EU, so Johnson, dem Ambitionen auf das Amt des Premierministers nachgesagt werden.

Der ehemalige Brexit-Staatssekretär und Tory-Abgeordnete Steve Baker warnte am Montag in einem BBC-Interview vor einer «katastrophalen Spaltung» in der Konservativen Partei, sollte May ihren Brexit-Plan nicht fallen lassen. Beinahe 80 Abgeordnete seien bereit, ein Abkommen mit Brüssel im britischen Parlament zu boykottieren. Angesichts der knappen Mehrheit der Regierung wäre May auf die Unterstützung der Opposition angewiesen, doch die gilt keineswegs als sicher.

Das anvisierte Austrittsabkommen soll unter anderem eine milliardenschwere Schlussrechnung für Grossbritannien und die Rechte von EU-Bürgern auf der Insel sowie von Briten auf dem Kontinent regeln. Ziel ist zudem eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der sich kaum etwas ändert. Für eine künftige Partnerschaft sollen vorerst nur Eckpunkte vereinbart werden. Sollte Grossbritannien jedoch im März 2019 ohne Abkommen ausscheiden, wäre das alles hinfällig und auf beiden Seiten des Ärmelkanals könnte Chaos ausbrechen. (awp/mc/ps)

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