Euler Hermes Studie: Die besten Exportmärkte
Mark Schulz, Risk Director bei Euler Hermes Schweiz.
Wallisellen – Der Welthandel trat in den letzten Jahren weitestgehend auf der Stelle durch eine ungünstige Kombination aus lediglich geringem Handelswachstum und gleichzeitigem Preisdruck sowie Überkapazitäten. 2015 zeigen sich nach Ansicht von Euler Hermes nur leichte Anzeichen der Besserung mit einem weltweiten Wachstum von +1,8%. Für 2016 sind die Ökonomen des führenden Kreditversicherers etwas optimistischer und erwarten einen Zuwachs beim Welthandel um +4,5% – nur ein Bruchteil der rund +12% Wachstum pro Jahr zwischen 2001-2008.
„Zum einen haben Sparprogramme dazu geführt, dass öffentliche Ausgaben zurückgegangen sind – historisch eine wichtige Säule des Wachstums“, sagte Wilfried Verstraete, Vorstandsvorsitzender der Euler Hermes Gruppe. „Zweitens sind die weltweiten Export- und Importvolumina zurückgegangen. Durch ihre gegenseitige Abhängigkeit sind die Folgen insbesondere für die Zulieferketten massiv, was den Welthandel und sein Wachstum weiter schwächt. Drittens kann man den weltweiten Privatkonsum und private Investitionen höchstens zurückhaltend nennen, um es positiv auszudrücken. Der Welthandel ist nicht länger Treiber des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, es begleitet dieses lediglich.“
Schweizer Exportwirtschaft: Das Erfolgsrezept der Uhrenindustrie
Die Schweizer Exportwirtschaft steht nach der Währungsaufwertung im Januar 2015 vor verschärften Herausforderungen. Wie schaffen es Unternehmen dennoch, in einem ausgesprochen Hochlohnland Waren herzustellen und zu exportieren, die weltweit begehrt sind, einen Ausfuhrrekord nach dem anderen aufstellen und quasi als Sinnbild für das ganze Land zu stehen?
Diese Meisterleistung vollbringt die Schweizer Uhrenindustrie, die auch im Januar 2015 wieder die höchste Zuwachsrate bei den Ausfuhren aufweisen konnte. Der Grundstein des Erfolges liegt in einer Uhrmachertradition, die Jahrhunderte zurückreicht und in ihrer Expertise und Meisterschaft weltweit einzigartig ist. „Durch die kompromisslose Fokussierung auf hochwertigste Bauteile und einen hohen Anteil an Handarbeit steht diese Tradition bis heute hoch im Kurs. Vor allem in den aufstrebenden Schwellenländern gelten Schweizer Uhren als hohes Statussymbol und Ausdruck für erlesenen Geschmack. Durch die konsequente Positionierung im Luxussegment erzielen die Schweizer Uhrenhersteller regelmässig hervorragende Gewinnmargen. „Der Produktionsstandort Schweiz ist selbst durch die jüngsten Währungsturbulenzen für diese Industrie nicht gefährdet, da die Kundschaft in diesem Hochpreissegment weniger preissensibel ist,“ erklärt Mark Schulz, Risk Director bei Euler Hermes Schweiz. „Die Uhrenindustrie steht mittlerweile sinnbildlich für die hohe Schweizer Qualität und Zuverlässigkeit.“
Rangliste: 73 Exportmärkte nach Potenzial klassifiziert, „15 Delikatessen“ am attraktivsten
Zudem sind nicht alle Exportmärkte frei von Risiken. Deshalb haben die Ökonomen des führenden Kreditversicherers insgesamt 73 Staaten analysiert und unter Berücksichtigung der Kriterien Importwachstum und Risiko in neun verschiedene Gruppen eingeteilt.
Als die „15 Delikatessen“ bezeichnet Euler Hermes die weltweit 15 interessantesten Exportmärkte in seiner jüngsten Studie zu den globalen Handelswegen. Sie erfreuen sich auf der Export-Speisekarte durch eine ansprechende Kombination aus Importhunger und gleichzeitig geringen Risiken besonderer Beliebtheit. Die Kategorien „Junk Food“ (Argentinien, Venezuela, Russland, Ukraine), „Könnte Sodbrennen verursachen“ (Kroatien, Slowenien, Nigeria, Algerien) und „Scharf“ (Griechenland, Ägypten, Bangladesch, Pakistan) sind hingegen eher für die risikofreudigen Exportesser geeignet. Deutschland gehört wie viele andere europäische Staaten, die USA sowie Japan, Marokko und Singapur auf die Speisekarte der „guten Kalorien“, die zweitbeste Kategorie im Ranking mit geringem Risiko und etwas langsamerem Importwachstum (3-4,5%) im Vergleich zu den „Delikatessen“ (>4,5%).
Exportrisiken durch „die drei Ps“: Preisdruck, Protektionismus und Pleiten
„Exporteure sollten auf die 3 Ps achten: Preisdruck, Protektionismus, Pleiten“, sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. „Wir haben den weltweiten Exportmärkten deshalb auf den Zahn gefühlt und in deren Küchen ihren Hunger und Gesundheitszustand bewertet. Dabei spielt nicht nur das Importvolumen selbst eine Rolle, sondern auch die Wachstumsraten der Realimporte. Zu den Delikatessen zählen deshalb China und Indien sowie in etwas geringeren Masse Mexiko und Südkorea, die in den kommenden zwei Jahren von ihrer Marktgrösse und einem starken Importzuwachs profitieren. Aber auch kleinere Märkte befinden sich unter den vielversprechendsten Exportdestinationen, zum Beispiel Kolumbien, Taiwan, Malaysia, Südafrika, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie einige osteuropäische Länder. Sie alle werden in den kommenden zwei Jahren voraussichtlich mehr Platz am Tisch verlangen.“
Die hungrigste Importnation bleibt die USA. In den kommenden zwei Jahren prognostiziert Euler Hermes für die Vereinigten Staaten zudem zusätzliche Importe in Höhe von 210 Milliarden US-Dollar. Damit rangieren die USA auch bei den künftigen Exportgewinnern vor China (prognostizierter Zuwachs 2015-2016: +200 Mrd. USD) und Deutschland (+66 Mrd. USD). Auf den weiteren Plätzen bei den stark wachsenden Exportnationen folgen Indien (+63 Mrd. USD), Japan (+60 Mrd. USD), Grossbritannien (+51 Mrd. USD), Mexiko (40 Mrd. USD), Frankreich (+37 Mrd. USD), Südkorea (+32 Mrd. USD) und Hongkong (+30 Mrd. USD).
Was kommt auf den Exporttisch: All-you-can-eat-, Gourmet- oder Diätküche
Die besten Exportköche sind in den kommenden zwei Jahren nach Ansicht der Euler Hermes Ökonomen China, mit zusätzlichen Exporten von 251 Mrd. USD, vor den USA (+162 Mrd. USD) und Deutschland abermals auf dem dritten Platz mit zusätzlichen Ausfuhren von geschätzten 112 Mrd. USD.
Auch bei den Exportnationen kommt es nicht nur auf die Grösse an – kleinere Restaurants auf Expansionskurs bieten ebenfalls grosse Potenziale. Euler Hermes hat die globalen Exportnationen deshalb in vier Kategorien unterteilt: Die „All you can eat“-Restaurants (hohe Exportgewinne, hohe Wachstumsraten), die „Gourmet-Tempel“ (hohe Exportgewinne aufgrund ihrer Grösse, aber langsameres Wachstum), die „aufstrebenden Garküchen“ (geringe Gewinne, aber sie holen auf) und die „Diätküchen“ (geringe Gewinne, geringes Wachstum).
Überraschungsgäste bei den Bestsellern: Vietnam, Kanada und Spanien im Aufwind
„Bei den ‚All you can eatern‘ finden wir neben den Stammgästen wie China, die USA, Japan und Südkorea auch Überraschungsgäste wie Vietnam, Kanada oder Spanien. Diese Länder haben bisher nicht alle auf dem Zettel, sie haben sich aber in den letzten Jahren zu wichtigen Spielern im weltweiten Exportmarkt entwickelt und verzeichnen hohe Wachstumsraten bei den Ausfuhren“, sagte Subran. „Zu den Gourmets gehören Deutschland, Italien, Frankreich und Grossbritannien, die zwar hohe Exportvolumina verzeichnen, aber ein wesentlich langsameres Wachstum der Realexporte. Zum Teil ist dies der Spezialisierung auf spezielle Branchen oder Zielmärkte geschuldet; viele dieser Staaten exportieren beispielsweise einen Grossteil ihrer Waren in ihre Nachbarländer. Zum anderen können sie aufgrund des vergleichsweise hohen Preisniveaus oftmals auch nicht ausserhalb ihrer Komfortzone wachsen.“
Aufstrebende Küchen in den ASEAN-Ländern – Verlierer sind grosse lateinamerikanische Staaten
Die aufstrebenden Garküchen befinden sich vor allem in den schnell wachsenden ASEAN-Ländern sowie in asiatischen Produktionsländern wie Bangladesch. Auch osteuropäische Staaten, die eng mit der europäischen Wertschöpfungskette verbunden sind, gehören dazu, beispielsweise Rumänien. In den grossen lateinamerikanischen Küchen ist hingegen Diätnahrung angesagt. Brasilien und Chile leiden insbesondere unter fallenden Rohstoffpreisen.
Branchen: Chemie Top, Energie Flop – 12 Erfolgsrezepte für den Export
Bei den Branchen ist der Energiesektor klarer Verlierer und verzeichnet allein in 2015 einen Rückgang beim weltweiten Exportvolumen um 400 Milliarden US-Dollar. Die Chemieindustrie (+270 Mrd. USD in den kommenden zwei Jahren), die Elektroniksparte (+233 Mrd. USD in 2015-2016) und der Maschinenbau (+227 Mrd. USD in 2015-2016) zählen weltweit hingegen zu den Gewinnern. Die Chemieindustrie profitiert dabei vor allem von der Erholung des produzierenden Gewerbes und von den sinkenden Energiekosten; die Elektronikbranche erfreut sich einer steigenden Nachfrage aus Asien. Bei den Maschinenbauern sind eine steigende Nachfrage nach Investitionsgütern sowie Produktionsverlagerungen von Industrie- in Niedriglohnländer der Treiber des Zuwachses.
Nach Ansicht der Euler Hermes Ökonomen gibt es zahlreiche Erfolgsrezepte, um in der Exportküche ein wohlschmeckendes Mahl zu zaubern und eventuell zum Sternekoch zu werden. Je nach Land und Branche variieren Zutaten und Gaumen jedoch stark. Der Kreditversicherer hat deshalb die 12 erfolgreichsten Rezepte an konkreten Branchen- und Länderbeispielen ausgeführt.
Erfolgsrezepte in der Exportküche
Rezept Nr. 1:
Nutze, was die Natur dir gab – USA; Chemieindustrie (anwendbar für: Brasilien, Frankreich)
Rezept Nr. 2:
Schaffe ein All-Inclusive Servicepaket – Grossbritannien; Maschinenbau und Zubehör (auch: Irland)
Rezept Nr. 3:
Spezialisiere Dich auf die Dinge, die Menschen immer brauchen – Frankreich; Pharma (anwendbar für: Brasilien)
Rezept Nr. 4:
Setze auf Qualität und guten Ruf – Deutschland; Chemieindustrie (anwendbar für: Japan, Südkorea)
Rezept Nr. 5:
Bremse Löhne, forciere Exporte – Spanien; Automobilsektor (anwendbar für: Mexiko, Portugal)
Rezept Nr. 6:
Schaffe weltweites Verlangen – Italien; Mode- und Textilbranche (anwendbar für: Frankreich)
Rezept Nr. 7:
Werde zum Produktionsland – Polen; Automobilkomponenten (anwendbar für: Marokko, Rumänien)
Rezept Nr. 8:
Ebne den Weg für Grenzmärkte – Türkei; Agrarindustrieexporte in Risikoländer (auch: China, Japan)
Rezept Nr. 9:
Investiere in Infrastruktur – Vereinigte Arabische Emirate; Kunststoffexporte (auch: Niederlande, Hongkong)
Rezept Nr. 10:
Verschaffe dir Unterstützung von ganz oben – China; Verbraucherelektronik (auch: Südkorea, Japan)
Rezept Nr. 11:
Setze auf Innovation – Taiwan; Halbleiterindustrie (anwendbar für: Südkorea, China)
Rezept Nr. 12:
Vervielfache die Handelsabkommen – Singapur; Elektrozubehör (anwendbar für: Mexiko, EU)
(Euler Hermes/mc/ps)