Washington – Nach dem Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran wächst die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen sowie einer Eskalation der Spannungen und Kriegsgefahr in Nahost. Zugleich wollen die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens am kommenden Montag gemeinsam mit Vertretern des Irans beraten, ob und wie das Wiener Atomabkommen von 2015 auch ohne die USA gerettet werden kann. Der Iran will vorerst an dem Deal festhalten, macht das aber davon abhängig, ob er wirklich in den Genuss der versprochenen wirtschaftlichen Vorteile kommt. Auch die anderen Mitunterzeichner des Atomdeals, Russland und China, kritisierten den Ausstieg der USA.
US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder in Kraft gesetzt. Sie sollen nun «so schnell wie möglich» wieder in voller Härte zum Tragen kommen. Dafür gibt es ein Zeitfenster von bis zu 180 Tagen, sobald die US-Regierung die genauen Richtlinien erlassen hat. Trump liess keinen Zweifel an der Tragweite der geplanten Sanktionen: «Jedes Land, das Iran bei seinen Bemühungen um Atomwaffen hilft, könnte auch mit starken Sanktionen belegt werden.»
Statement on the Iran Nuclear Deal: https://t.co/O3SpryCKkc
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 8. Mai 2018
Die Sorge besteht jetzt, dass Unternehmen aus anderen Ländern Probleme bekommen, wenn sie gegen die US-Sanktionen verstossen. Führende deutsche Wirtschaftsverbände befürchten Einbussen im Handel mit dem Iran. Deutschland ist einer der wichtigsten europäischen Handelspartner Irans. Der deutsch-iranische Handel ist allerdings überschaubar – auch wenn er nach der Lockerung der Sanktionen im Zuge des Atomabkommens 2015 zugenommen hatte.
Chamenei droht mit Ausstieg aus dem Atomdeal
Der oberste iranische Führer, Ajatollah Ali Chamenei, drohte am Mittwoch mit einem Ausstieg aus dem Atomdeal gedroht, falls dieser nicht vertragsgerecht umgesetzt werden sollte. «Es besteht keinerlei Logik, in dem Abkommen zu bleiben, wenn uns das EU-Trio dessen Umsetzung nicht versichert», sagte der Ajatollah. Aber auch dem EU-Trio aus Grossbritannien, Frankreich und Deutschland sollten die iranischen Verantwortlichen nicht ganz trauen, da sie auch Verbündete der USA seien, betonte der Kleriker, der laut Verfassung das letzte Wort in allen strategischen Entscheidungen hat.
Ähnlich wie Chamenei hatte sich zuvor Aussenminister Mohamed Dschawad Sarif geäussert. Auch er machte die endgültige Entscheidung über einen Verbleib von den anderen Vertragspartnern abhängig. Sarif schrieb am Mittwoch auf Twitter, er werde demnächst auf Anweisung von Präsident Hassan Ruhani eine Pendeldiplomatie starten. Danach werde der Iran endgültig entscheiden, ob er im Abkommen bleiben werde.
Kritik aus Europa
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) appellierte an die Bundesregierung und die EU, «das europäische Iran-Geschäft zu schützen und verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.» Als Folge der US-Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie werden sowohl europäische als auch asiatische Länder ihre Importe aus dem Land drosseln müssen. Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire bezeichnete es als inakzeptabel, wenn die «USA den Wirtschaftspolizisten des Planeten» spielen.
Regelung würde bis 2025 gelten
Mit dem Wiener Atomabkommen vom Juli 2015 hatte sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland verpflichtet, auf Sanktionen gegen den Mullah-Staat zu verzichten. Im Gegenzug sollte der Iran unter anderem weitgehend die Anreicherung von Uran unterlassen, um die Herstellung von waffenfähigem Nuklearmaterial auszuschliessen. Die Regelung gilt zunächst bis 2025; einige Teile, darunter verschärfte Kontrollen durch internationale Beobachter, reichen bis ins Jahr 2040. Unabhängige Beobachter bescheinigten dem Iran bisher stets, die Verpflichtungen zu erfüllen. Trump bezeichnete das als eine «Lüge».
Verhältnis der USA zu Europa weiter belastet
Trump hat mit der Abkehr vom Atomabkommen eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen erfüllt, aber mit seinem Alleingang die Beziehungen zu seinen europäischen Verbündeten weiter belastet. Nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 haben sich die USA bereits aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückgezogen. Für Verstimmung sorgt auch die Diskussion um Strafzölle auf Stahl- und Aluminium. In einem weiteren Alleingang verlegen die USA ihre Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem. Die neue Botschaft wird am Montag eröffnet.
Konflikt droht zu eskalieren
Nach dem Rückzug der USA droht der Konflikt um das iranische Nuklearprogramm erneut zu eskalieren – es gibt bereits Warnungen vor einer militärischen Konfrontation. Insbesondere Israel und der Iran gehen auf Konfrontationskurs. Israel wirft dem Iran vor, seine Präsenz im Bürgerkriegsland Syrien ausgebaut und viele Waffen geliefert zu haben. Israel traf noch am Dienstag militärische Vorbereitungen, nachdem ungewöhnliche Militärbewegungen des Irans im nördlichen Nachbarland Syrien beobachtet worden seien. Trump wies seinen Verteidigungsminister an, sich darauf vorzubereiten, jegliche Aggression des Irans gegen die Vereinigten Staaten oder Verbündete «rasch und entschlossen» abzuwehren.
International besteht auch Sorge vor einem atomaren Wettrüsten in Nahost. Irans Präsident Hassan Ruhani bekannte sich zwar zu dem Atomdeal, warnte aber, dass die Anreicherung von Uran ohne eine befriedigende Lösung wieder unbegrenzt aufgenommen werden könnte. Saudi-Arabien hat bereits angekündigt, dem nicht tatenlos zuzusehen. Der oberste iranische Führer, Ajatollah Ali Chamenei, sagte am Mittwoch: «Es besteht keinerlei Logik, in dem Abkommen zu bleiben, wenn uns das EU-Trio dessen Umsetzung nicht versichert.»
Obama kritisiert Trumps Entscheid scharf
Trump bezeichnete den Deal mit dem Iran als «schreckliches, einseitiges Abkommen», das nie hätte abgeschlossen werden dürfen. Der frühere US-Präsident Barack Obama kritisierte die Entscheidung seines Nachfolgers scharf. «Ohne das Atomabkommen könnten die Vereinigten Staaten vor die negative Entscheidung gestellt werden, ob sie einen atomar aufgerüsteten Iran akzeptieren wollen oder einen weiteren Krieg im Nahen Osten», erklärte er. Obama hatte sich zuletzt nur äusserst selten zu tagesaktuellen Entscheidungen geäussert.
Deutschland, Frankreich und Grossbritannien appellierten an den Iran, sich trotz des Ausstiegs der USA weiter an das Atomabkommen zu halten. «Wir ermuntern den Iran, mit Augenmass auf die US-Entscheidung zu reagieren», heisst es in einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britischen Premierministerin Theresa May vom Dienstagabend. «Wir sehen uns weiterhin verpflichtet, uns für den Erhalt des Abkommens einzusetzen, und werden mit allen verbliebenen Parteien darauf hinwirken, dass das Abkommen bewahrt wird», hiess es.
US-Aussenminister Mike Pompeo unterstrich, die USA seien auch weiterhin daran interessiert, mit den Verbündeten zusammenzuarbeiten. «Wir haben ein gemeinsames Interesse mit unseren Verbündeten in Europa und in der ganzen Welt, den Iran davon abzuhalten, jemals eine Atomwaffe zu entwickeln», erklärte er. (awp/mc/pg)