(Foto: Jiri Hera – Fotolia.com)
Zürich – Die 300 grössten Unternehmen Europas haben 2014 einen Umsatz- und Gewinnrückgang verzeichnet. Die US-Wirtschaft ist profitabler und moderner aufgestellt. Europäische Unternehmen haben aber die Chance zur Aufholjagd. Das sind Ergebnisse einer Studie von EY, für die Bilanzzahlen der jeweils 300 umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen in Europa und den USA (ohne Banken und Versicherungen) analysiert wurden.
Die europäischen Top-Konzerne mussten 2014 die US-amerikanische Konkurrenz weiter davonziehen lassen – Umsätze, Gewinne und Gewinn-Marge gingen allesamt zurück. Währenddessen konnten die US-Konzerne Umsätze und Gewinne steigern und mussten nur bei der Marge leichte Einbussen hinnehmen – wenngleich weniger als Europas Konzerne. Während der Umsatz bei den 300 grössten europäischen Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr um 0,5 Prozent zurückging und der Gewinn sogar um vier Prozent, steigerten die 300 umsatzstärksten US-Konzerne den Umsatz um 4,1 Prozent und den Gewinn um ein Prozent.
In Europa konnte etwas mehr als die Hälfte der Top-300-Unternehmen (58 Prozent) eine positive Umsatzentwicklung verzeichnen – in den USA steigerten hingegen vier von fünf (79 Prozent) Unternehmen ihren Umsatz. Ähnlich ist die Entwicklung beim Gewinn: In Europa stieg er bei 56 Prozent der Unternehmen an. In den USA bei 74 Prozent.
Höhere Gewinnmargen bei US-Unternehmen
Die Profitabilität ging zwar auf beiden Seiten des Atlantiks zurück – in Europa um 0,4 Prozentpunkte, in den USA um 0,3 Prozentpunkte –, allerdings ist die Gewinnmarge in den USA mit 11,7 Prozent auch etwa ein Drittel höher als in Europa, wo sie bei 8,7 Prozent liegt. Insgesamt erwirtschafteten die Top-Unternehmen Europas einen Umsatz von 7,1 Billionen Euro bei einem operativen Gewinn von 624 Milliarden Euro, die US-Konzerne kamen auf umgerechnet 8,2 Billionen Euro Umsatz bei 952 Milliarden Euro Gewinn.
Glencore mit dem vierthöchsten Umsatz aller europäischer Unternehmen
Unter den zehn umsatzstärksten Unternehmen Europas findet sich mit Glencore (4. Platz) ein Schweizer Vertreter wieder.
Markus Thomas Schweizer, Managing Partner des Bereichs Advisory bei EY Deutschland, Schweiz und Österreich kommentiert: «Die europäischen Unternehmen haben trotz der leichten wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone die Trendwende immer noch nicht geschafft. Die strukturellen Probleme in Europa – eine hohe Arbeitslosigkeit, die hohe Staatsverschuldung und die zu schwach ausgeprägte Innovations- und Unternehmerkultur – bremsen die Unternehmen. Die amerikanische Konkurrenz wirtschaftet wesentlich profitabler. Während in den USA sowohl die kumulierten Umsätze als auch die Gewinne zulegten, sanken beide Werte in Europa. Für die US-Wirtschaft wirkten die niedrigen Energiepreise wie eine Konjunkturspritze. Zudem zog der Binnenmarkt wieder kräftig an. Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Finanzkrise gesunken.»
Nur deutsche und russische Unternehmen steigern Umsatz und Marge
Zusammen mit den russischen Unternehmen sind die deutschen Top-Konzerne die einzigen, die in der Gesamtheit sowohl Umsatz als auch Gewinnmarge steigern konnten. Trotz des Anstiegs sind die Margen in Deutschland noch deutlich ausbaufähig: Mit 7,1 Prozent erreichen die deutschen Unternehmen gerade einmal den vorletzten Platz vor den Niederlanden. Die Unternehmen in allen anderen Ländern wirtschaften profitabler. Die Schweizer Vertreter unter den europäischen Top-300 (insg. 22 Schweizer Unternehmen) kommen auf über zehn Prozent Gewinnmarge, allerdings mit leichtem Rückgang von 0,3 Prozentpunkten. Auch der Umsatz ging in der Schweiz zurück: um 1,5 Prozent.
«Auf den ersten Blick mag das positive Abschneiden der russischen Wirtschaft überraschen – immerhin setzen die Wirtschaftssanktionen der EU dem Land sehr zu», sagt Schweizer. «Allerdings ist das Wachstum vor allem Wechselkurseffekten geschuldet. Die recht einseitig strukturierte russische Wirtschaft, die vor allem aus Öl- und Gasunternehmen sowie Unternehmen aus Bergbau und Metallgewinnung besteht, rechnet international in Dollar ab, bilanziert aber in Rubel. Durch den niedrigen Rubelkurs im vergangenen Jahr entstanden durch die Währungseffekte teils hohe Gewinne. »
Europa wird von der Old Economy dominiert
«Die schwache Entwicklung der europäischen Unternehmen ist auch auf strukturelle Probleme zurückzuführen», sagt Schweizer: «Unter den Top-300 Europas dominiert die Old Economy.» Die meisten Unternehmen kommen aus den Bereichen Industrie (66), Versorger (30), Öl und Gas (24) sowie Bergbau/Metallgewinnung (23). In den USA ist der Anteil der Industrie (42) deutlich geringer. Dafür sind Bereiche wie Gross- und Einzelhandel (32), Informationstechnologie (30) sowie Gesundheitswesen (26) deutlich stärker vertreten als in Europa.
«Die US-Unternehmen sind in Branchen unterwegs, in denen die Margen erheblich höher sind. Mit Margen von zwölf Prozent oder mehr zeigten sich in den USA insgesamt zehn Branchen besonders profitabel, in Europa nur sechs», fährt Schweizer fort.
Europäische Unternehmen werden 2015 vom schwachen Euro profitieren
Im laufenden Jahr dürfte sich das Blatt zugunsten der europäischen Unternehmen wenden, erwartet Schweizer: «Der niedrige Eurokurs wird den Unternehmen im Euroraum in diesem Jahr einen deutlichen Wachstumsschub geben. Vor allem die stark internationalisierten Unternehmen, die einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes im aussereuropäischen Ausland erwirtschaften, werden erheblich von positiven Währungseffekten profitieren. Bleibt zu hoffen, dass sie diese günstigen Rahmenbedingungen nutzen, um ihre Profitabilität nachhaltig zu steigern und endlich der US-Konkurrenz in Sachen Profitabilität Paroli zu bieten. Inwiefern der schwache Euro das Wachstum der Schweizer Unternehmen bremsen wird, wird sich in den kommenden Monaten und Quartalen zeigen.»
Niedriger Ölpreis hilft
Aber nicht nur der schwache Euro werde in diesem Jahr das Wachstum der europäischen Konzerne antreiben – auch der niedrige Ölpreis komme der europäischen Wirtschaft zu Hilfe, so Schweizer: «Bisher konnte die US-Wirtschaft von niedrigen Energiekosten profitieren, während die europäischen Unternehmen unter dem hohen Ölpreis litten. Inzwischen hat sich die Lage in Europa deutlich entspannt, die Energiepreise sind deutlich gesunken – damit entfällt ein wichtiger Wettbewerbsnachteil der europäischen Wirtschaft.»
Hinzu kommt: Die US-amerikanischen Konzerne mussten bereits in der zweiten Jahreshälfte mit einem aufgewerteten Dollar umgehen. Dadurch schrumpfen die in Euro erzielten Einnahmen bei der Umrechnung in die eigene Währung.
«Der Höhenflug des Dollar führt dazu, dass die Geschäfte mit dem Ausland für US-amerikanische Unternehmen teurer werden», sagt Schweizer. «Inzwischen machen sich die negativen Effekte in der amerikanischen Volkswirtschaft bemerkbar. So fiel das Jobwachstum im März nur halb so hoch aus wie erwartet – die Firmen fahren durch den starken Dollar niedrigere Gewinne ein und reagieren entsprechend vorsichtig. Abzuwarten bleibt, wie die US-amerikanische Notenbank reagiert. Dennoch dürfte sich im laufenden Jahr das Kräfteverhältnis ein wenig angleichen.» (EY/mc/pg)