Fort Lauderdale – Die USA haben im Steuerstreit mit der Schweiz ein wichtiges Etappenziel verfehlt. Im bisher einzigen Prozess gegen einen Schweizer Banker fehlte es an Beweisen. Daher musste der ehemalige UBS-Manager Raoul Weil freigesprochen werden. Er war wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt.
Raoul Weil kann aufatmen. Sechs Jahre nach der Anklage kam endlich der Freispruch. Der ehemalige Chef der globalen UBS-Vermögensverwaltung sprang von seinem Sessel auf und hatte Tränen in den Augen, als Richter James Cohn das Verdikt der zwölf Geschworenen vorlas: nicht schuldig. Der Prozess in Fort Lauderdale dauerte zwölf Tage. Das Urteil ist definitiv und kann von der US-Regierung nicht weitergezogen werden. Aufatmen können auch die Schweizer Banken. Sie sind zwar im Steuerstreit mit den USA noch längst nicht vom Haken, aber das Urteil aus dem fernen Florida lässt hoffen.
Herbe Niederlage für das Justizministerium
Erstmals im langjährigen Streit um unversteuertes Vermögen von US-Kunden auf Schweizer Bankkonten hat das amerikanische Justizministerium DoJ (Department of Justice) eine herbe Niederlage erlitten. Es hat es trotz Bergen von teilweise vertraulichen und internen UBS-Dokumenten und einem Monsterprozess nicht geschafft, der ehemaligen Nummer 3 der Grossbank eine Mitschuld an der Steuerhinterziehung von US-Kunden nachzuweisen.
Freispruch nicht überraschend
Der Freispruch kam nicht überraschend. Die US-Justiz hatte zu hoch gepokert und in der Hierarchie der UBS zu hoch gezielt. Wer den Prozess mitverfolgt hat, musste zum gleichen Ergebnis wie die zwölf Geschworenen kommen. Die Anklage war auf die vorsätzliche Beihilfe zur Steuerhinterziehung fokussiert. Konkret: Weil wurde vorgeworfen, persönlich zumindest in Kauf genommen zu haben, dass UBS-Mitarbeiter Kunden in den USA bei der Verschleierung oder Anonymisierung von Besitzverhältnissen oder Transaktionen beraten oder unterstützt hatten, mit dem Ziel, diese vor der amerikanischen Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) zu verheimlichen.
Aber Weil hatte mit der Gründung von Stiftungen in Liechtenstein oder Scheinfirmen in Hongkong offenbar nichts zu tun, sollten diese denn dem Zweck der Steuerhinterziehung gedient haben. Und selbst wenn er wusste, dass rund 90 Prozent der US-Konten beim IRS nicht deklariert waren und dass Kundenberater unter dem Radar des IRS in die USA reisten, würde dies nicht seine Mitschuld an Steuerdelikten beweisen.
Anklage überladen
Die UBS mochte gegen Regeln der amerikanischen Börsenaufsicht SEC oder gegen das Bankengesetz verstossen haben, weil die Bank in den USA weder registriert war noch über eine Lizenz verfügte, um Kunden bei Investitionen zu beraten und ihnen US-Wertpapiere zu verkaufen. Doch dafür Weil sass nicht auf der Anklagebank. Aber die Staatsanwälte warfen alles in einen Topf. Ihre Rechnung ging nicht auf. Die Verteidigung entflocht gekonnt die unterschiedlichen Baustellen und machte glaubhaft, dass Weil nichts mit den Anklagepunkten zu tun hatte.
Für eine Reihe von Vergehen, inklusive Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch einzelne UBS-Mitarbeiter, die Weil unterstellt waren, hatte sich die UBS als Institution bereits im Februar 2009 in einem Abkommen (Deferred Prosecution Agreement) mit den USA von einer Strafverfolgung freigekauft.
Der Deal war umstritten, da 285 Dossiers von 255 US-Kunden an die amerikanische Steuerbehörde IRS ausgehändigt wurden. Zudem musste die Bank eine Busse von 780 Millionen Dollar bezahlen.
Lichtblick für andere Banken
Damit ist die UBS relativ billig davongekommen. Den andern rund hundert Schweizer Banken, die sich im US-Programm zur Beilegung des Steuerstreits in der Gruppe 2 angemeldet haben, steht noch ein langer Weg bevor. Sie klagen derzeit über die Knebelverträge, die ihnen das DoJ aufzwingen will. Doch nach der Schlappe in Florida müsste die US-Justiz etwas dazugelernt haben. Sie ist nämlich an Grenzen gestossen, weil der Angeklagte als erster von vielen verfolgten Bankern nicht kooperiert hat. Künftig dürfte sie wohl mehr Beisshemmungen haben.
Möglicherweise wird sie es sich zweimal überlegen, ob sie an den überrissenen Forderungen an die Schweizer Banken festhalten will. Umgekehrt kann der Schweizer Finanzplatz mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass man sich gegen den mächtigen Justizapparat der USA durchaus erfolgreich zur Wehr setzen kann. Die Einschüchterungstaktik funktioniert nicht mehr. (awp/mc/upd/pg)