Zürich – Nach fünf Jahren mit erfreulichen Wachstumsraten sanken die Investitionen aus dem Ausland in Europa im letzten Jahr zum ersten Mal seit 2012 wieder, und zwar um vier Prozent auf insgesamt 6’356 Investitionsprojekte[1]. In der Schweiz betrug der Rückgang im gleichen Zeitraum ganze 14 Prozent – 2018 wurden hierzulande nur 61 Investitionen aus dem Ausland getätigt, so wenige wie seit 2012 nicht mehr. Zum Vergleich: Deutlich kleinere Volkswirtschaften wie Serbien, Rumänien, Irland, Portugal oder Ungarn lockten mehr Investitionsobjekte aus dem europäischen Ausland an.
Gleichzeitig spielen dafür Schweizer Unternehmen im europäischen Ausland eine überaus wichtige Rolle: So schufen sie 2017 insgesamt gut 7’000 Arbeitsplätze bei fast 300 Investitionsobjekten. Damit belegt die Schweiz im Ranking der grössten ausländischen Investoren in Europa den 5. Platz. Dies sind die Ergebnisse der diesjährigen und insgesamt bereits zum 17. Mal durchgeführten «Attractiveness Survey» der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.
«Schweizer Unternehmen sind in hohem Masse bereit – und finanziell dazu auch in der Lage – im europäischen Ausland zu investieren, wenn die Rahmenbedingungen attraktiv sind. Gleichzeitig sorgen vor allem der starke Franken und das hohe Lohnniveau dafür, dass in der Schweiz die Zahl der Investitionen aus dem Ausland sinken», kommentiert Stefan Rösch-Rütsche, Partner und Leiter Transaction Advisory Services von EY in der Schweiz, dieses Ungleichgewicht.
Frankreich bei Schweizern jetzt beliebter als Deutschland
Dabei hat Frankreich 2018 Deutschland als beliebtestes Zielland von Schweizer Investoren in Europa abgelöst: Während die Investitionen in Deutschland von Schweizern im Vergleich zu 2017 um 42 Prozent auf 71 Investitionsobjekte zurückgingen, nahmen die Investitionen in Frankreich um 14 Prozent auf 73 Objekte zu. Weiterhin beliebt in Europa bei Schweizer Investoren sind auch Grossbritannien, Spanien, Italien, Niederlande oder Polen.
«Deutschland bleibt für die Schweiz natürlich einer der wichtigsten Handelspartner. Doch momentan zeigt sich, dass in Deutschland einerseits eine gewisse Sättigung erreicht ist, andererseits zeigen sich Tendenzen, dass Deutschland nicht mehr der Wachstumsmotor der europäischen Wirtschaft ist. Zudem äussern Firmen aus dem Ausland vermehrt Kritik an der Flexibilität des Arbeitsrechts oder der Unternehmensbesteuerung», hält Rösch-Rütsche fest.
Schweiz punktet als Vertriebsstandort
Vor allem aus den USA (-48 Prozent), China (-50 Prozent), Holland (-33 Prozent) und Grossbritannien (-8 Prozent) flossen 2018 im Vergleich zu 2017 weniger Investitionsgelder in die Schweiz. Dafür kamen mehr Investitionen aus Deutschland (+75 Prozent).
Mehr als jedes zweite im vergangenen Jahr in der Schweiz getätigte Investitionsobjekt entfiel dabei auf den Bereich Vertrieb und Marketing. Zum Vergleich: in Europa lag dieser Anteil mit 40 Prozent deutlich niedriger. Dafür nahmen die Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung ab und es wurde im Vergleich zu 2017 auch weniger in Firmenzentralen investiert. «Die Schweiz scheint hinsichtlich kurzfristiger Wachstumsraten bei den Investitionen aus dem Ausland limitiert zu sein. Längerfristig sehen wir Chancen in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und Effizienzsteigerung. Hierfür sind aber mehrheitsfähige Gesetzesvorlagen notwendig, die neue Impulse für einen Aufschwung des Wirtschaftsstandorts Schweiz setzen. Immerhin sind beispielsweise Steuererleichterungen für besonders innovative Unternehmen vorgesehen», hält Rösch-Rütsche abschliessend fest. (EY/mc/ps)
[1] Dabei handelt es sich jeweils um tatsächlich, physische Investitionen im Produktions- oder Dienstleistungsbereich, die neue Betriebsstätten und/oder neue Arbeitsplätze geschaffen haben.