EY: Unternehmen in Europa hinken bei der Verbesserung der Diversität noch hinterher
Zürich – Vielfalt, Chancengleichheit und Integration (Diversity, Equity and Inclusion, DEI) werden weltweit zunehmend als wichtiger Bestandteil der Unternehmensagenda angesehen, aber nur 7% der Organisationen bauen konkret und tatsächlich eine vielfältige und integrative Kultur am Arbeitsplatz auf. Dies geht aus dem EY European DEI-Index hervor, einer neuen Studie, die in Zusammenarbeit mit FT-Longitude – einer auf Thought Leadership spezialisierten Agentur, die zur Financial Times gehört – durchgeführt wurde. Die Umfrage stützt sich auf die Sichtweisen von 900 Managern, von der ersten Führungsebene bis zur C-Suite, und 900 Angestellten ohne Führungsfunktion aus neun europäischen Ländern. Die untersuchten Unternehmen stammen aus der Schweiz, Österreich, Brüssel, der Niederlande, Italien, Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland.
Ein wenig vielfältiges Management beurteilt eigene DEI-Leistungen zu optimistisch
Unternehmen in Europa tun sich nach wie vor schwer mit der Verfolgung ihrer DEI-Ziele und der Verbesserung ihrer Diversitätskultur. Einer der Gründe dafür könnte sein, dass die Vielfalt in den Führungsteams noch relativ gering ist: Nur 34% der befragten Führungskräfte geben an, dass sie Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen sind, während der Prozentsatz bei den nicht leitenden Angestellten 66% beträgt. Dieser Anteil ist sogar noch geringer, wenn man den Frauenanteil ausschliesst: Dann geben nur 16% der Führungskräfte und 31% der Beschäftigten an, einer unterrepräsentierten Gruppe anzugehören. Robin Errico, Chief Risk Officer und Diversity & Inclusion Chair bei EY in der Schweiz sagt: «Eine vielfältige Führung sollte ein wichtiges Ziel für alle Unternehmen sein und in die Unternehmensstrategie eingebettet werden. Ein vielfältiges Führungsteam ist wirtschaftlich sinnvoll, da es die Unternehmenskultur prägt und die Fähigkeit beeinflusst, vielfältige Talente zu rekrutieren und zu halten.» Der Mangel an Vielfalt unter den Entscheidungsträgern führt zu einer zu optimistischen Wahrnehmung der DEI-Leistung des eigenen Unternehmens: Organisationen mit vielfältigeren Führungsteams haben mit grösserer Wahrscheinlichkeit Massnahmen zur Verbesserung verschiedener Aspekte der Vielfalt ergriffen, einschliesslich kultureller Vielfalt (41% gegenüber 36%), geschlechtsspezifischer Vielfalt (70% gegenüber 57%) und LGBTQIA+-Vielfalt (27% gegenüber 22%), als solche mit nicht vielfältigen Führungsteams. Errico erklärt, wie Unternehmen die Herausforderung angehen können, die Vielfalt in den Führungsteams zu erhöhen: «Ich glaube, dass ein Unternehmen strategisch entscheiden muss, dass die Vielfalt auf höchster Ebene wichtig ist und dass es sich verpflichtet, diese Vielfalt zu gewährleisten. Andernfalls wird dies nicht geschehen.»
Auf der anderen Seite nehmen die Angestellten ohne Führungsfunktion – deren Zusammensetzung diverser ist als diejenige der Führungskräfte – die DEI-Fortschritte des Unternehmens als deutlich geringer wahr: Weniger als die Hälfte bewertet die Leistung ihres Unternehmens in Bezug auf ethnische oder kulturelle Vielfalt (48%), LGBTQIA+-Vielfalt (35%), sozioökonomische Vielfalt (34%) und noch weniger in Bezug auf behinderte Menschen (29%) als «gut». Noch wichtiger ist, dass sie sich über die Qualität der Erfahrungen am Arbeitsplatz Sorgen machen: Etwa 3 von 10 der befragten Angestellten, die keine Führungskräfte sind, haben schon einmal Diskriminierung oder Mobbing erlebt und fühlen sich am Arbeitsplatz psychisch unsicher. Fast jeder Fünfte (17%) gibt an, dass er Zeuge von Belästigungen von Kolleginnen oder Kollegen geworden ist.
Der europäische DEI-Index von EY zeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung des Fortschritts ist, je nachdem, ob die befragte Person einer unterrepräsentierten Kategorie angehört oder nicht: 55% der LGBTQIA+-Beschäftigten bewerten die «Möglichkeit, am Arbeitsplatz authentisch zu sein» als niedrig, verglichen mit 39% der anderen Beschäftigten. Nur 35% der Frauen fühlen sich am Arbeitsplatz zugehörig, im Vergleich zu 40% der Männer. 43% der Angehörigen ethnischer und kultureller Minderheiten sind nicht optimistisch, was ihre Karrierechancen angeht, im Vergleich zu 36% der übrigen Beschäftigten. Nur 25% der Arbeitnehmenden mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung fühlen sich am Arbeitsplatz zugehörig, im Vergleich zu 39% der übrigen Mitarbeitenden.
Europäische Unternehmen schneiden nicht gut ab: der DEI-Index
In den letzten Jahren hat das Interesse an Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Rassismus und Barrierefreiheit stetig zugenommen. Viele dieser Themen haben durch globale Bewegungen Auftrieb erhalten, die den Unternehmen bis zu einem gewissen Grad geholfen haben, die Bedeutung der Verbesserung ihrer eigenen Kultur, ihrer internen Prozesse und ihrer Marke zu verstehen. Damit sich jedoch ein echter Wandel vollzieht, ist es wichtig, sowohl die erzielten Fortschritte als auch die konkreten Ergebnisse zu verfolgen. Um die Fortschritte im Bereich DEI zu messen, hat EY den Europäischen DEI-Index erstellt: ein Messsystem, das auf der Analyse der im Rahmen dieser Umfrage gesammelten Daten und insbesondere darauf beruht, wie die Mitarbeitenden ihre Unternehmen in Bezug auf zwei Dimensionen bewerteten: das Ausmass eines umfassenden DEI-Ansatzes und das Niveau der gelebten DEI-Kultur. Die befragten Unternehmen wurden auf einer Skala von 0 bis 10 bewertet. Das Ergebnis ist, dass die europäischen Unternehmen im Durchschnitt mit 5,69 von 10 Punkten nicht gut abschneiden. Die Schweiz erreicht mit einer Durchschnittsnote von 6,0 den besten Wert, gefolgt von Spanien (5,92) und Portugal (5,85), Österreich (5,68), den Niederlanden (5,65) und Italien (5,63). Deutschland schneidet am schlechtesten ab (5,44), davor liegen Belgien (5,48) und Frankreich (5,56).
DEI-Fortschritte in der Schweiz sind ermutigend
Die erhobenen Daten zu den Fortschritten der Schweizer Arbeitgeber bei DEI sind ermutigend. Das insgesamt gute Abschneiden von Schweizer Unternehmen spiegelt sich auch im Einzelnen wider: 89% der befragten Mitarbeitenden in der Schweiz geben an, dass sie verstehen, welche Haltung ihr Unternehmen gegenüber dem DEI-Thema einnimmt und welche Angebote es in dieser Hinsicht gibt. Im europäischen Durchschnitt geben dies 78% an. Die Befragten in der Schweiz schätzen die DEI-Leistung ihrer Unternehmen in fast allen Aspekten der Diversität höher ein als der europäische Durchschnitt – in einigen Fällen sogar deutlich: 41% bewerten ihr Unternehmen in Bezug auf die Vielfalt von Menschen mit Behinderungen als sehr gut, verglichen mit dem Durchschnitt von 32%. Diese Wahrnehmung wird auch in anderen Bereichen geteilt. Nicht-leitende Angestellte berichten seltener von Diskriminierung (23% gegenüber durchschnittlich 33%) und Mobbing (20% gegenüber durchschnittlich 30%), und sie melden Fälle von Diskriminierung eher, wenn diese auftritt (59% gegenüber durchschnittlich 51%). Margit Vunder, Diversity & Inclusion Leader bei EY in der Schweiz, sagt: «Diese Ergebnisse sind ermutigend und stimmen mit den positiven Trends überein, die wir bei EY in Schweizer Unternehmen beobachten. Die Schweizer Kultur legt Wert auf sorgfältige Überlegungen vor der Entscheidungsfindung, was zu Gründlichkeit und Konsequenz im Handeln führt. Wenn sie sich einmal verpflichtet haben, zeigen Schweizer Unternehmen eine unerschütterliche Hingabe, das, was sie begonnen haben, auch zu Ende zu führen.»
DEI scheint jedoch ein schwächeres Unterscheidungsmerkmal zu sein, um Talente anzuziehen: Nur 32% der Schweizer Befragten geben an, dass sie es nicht in Betracht ziehen würden, für ein Unternehmen mit einer schwachen DEI-Bilanz zu arbeiten, im Vergleich zu einem Durchschnitt von 41%. Auch in Sachen Netzwerke schneidet die Schweiz eher unterdurchschnittlich ab. Zwar geben 59% an, dass ihr Unternehmen über ein Netzwerk für kulturelle Vielfalt verfügt (Durchschnitt 53%), bei Netzwerken für Gender-Diversity, LGBTQAI+, sozioökonomischen Unterschieden oder speziell für Mitarbeitende mit einer Behinderung, liegt die Schweiz jeweils einige Prozente unter dem europäischen Durchschnitt. Vunder erklärt: «In der Schweiz gibt es eine starke Tradition der Professionalität und der Privatsphäre am Arbeitsplatz. Die Mitarbeiter sind eher zurückhaltend, wenn es darum geht, persönliche Angelegenheiten am Arbeitsplatz zu besprechen. Hinzu kommt die Arbeitskultur, die dazu neigt, Effizienz und Produktivität in den Vordergrund zu stellen, was weniger Raum für die Teilnahme an Mitarbeiternetzwerken lässt.»
Die DEI-Leader: bessere Leistung bei Finanzen und Talenten
Im Rahmen des EY European DEI-Index wurden diejenigen Unternehmen, die von ihren Mitarbeitenden am besten bewertet wurden, in der Gruppe «DEI-Leader» zusammengefasst. Diese erreichten einen Durchschnittswert von 7,86. Sie scheinen effizienter zu sein und gleichzeitig sowohl bei den Geschäftskennzahlen als auch bei den Mitarbeitererfahrungen bessere Leistungen als ihre Konkurrenten zu erbringen. Die Manager dieser Unternehmen berichteten über ein höheres Mass an Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität in den letzten 12 Monaten sowie über mehr finanzielles Wachstum, Innovation und Kundenzufriedenheit. Da alle diese Aspekte umsatzentscheidend sind, unterstreichen unsere Ergebnisse den Business Case für DEI und stärken die strategische Bedeutung des Themas. Robin Errico sagt: «Gute DEI-Praktiken haben nachweislich positive Auswirkungen auf die Leistung eines Unternehmens. Ich glaube, dass DEI-Regelungen und KPIs Verhaltensweisen in einem Unternehmen festlegen und gute Messpunkte für ein Unternehmen sind, um zu verstehen, wie es im Vergleich zu seiner gewünschten Position, seiner kulturellen Ausrichtung und seinem Verhalten abschneidet, und auch um zu sehen, wo es besser werden muss.»
DEI-Leader profitieren auch von einer höheren Mitarbeiterbindung als andere Organisationen. Mitarbeitende, die für DEI-Leader arbeiten, sind weniger als halb so häufig auf Stellensuche (6% gegenüber 13% bei den übrigen Unternehmen), und die Wahrscheinlichkeit, dass sie weniger als ein Jahr zu bleiben gedenken, ist deutlich geringer (6% gegenüber 24%). Dieses Engagement könnte mit den positiven Ansichten der Mitarbeitenden der DEI-Leader zusammenhängen. Ein grösserer Prozentsatz der Mitarbeitenden in diesen Unternehmen berichtet über ein hohes Mass an Produktivität, Zugehörigkeit, psychologischer Sicherheit, Optimismus in Bezug auf ihre Karriere und ihre Fähigkeit, bei der Arbeit «sich selbst» sein zu können. (EY/mc/ps)