Zürich – Chinesische Investoren kommen in Europa immer seltener zum Zug: 2018 ging die Zahl der Übernahmen und Unternehmensbeteiligungen im Vergleich zu 2017 europaweit um 21 Prozent auf 196 zurück, das Investitionsvolumen schrumpfte sogar um 46 Prozent auf 31,2 Milliarden US-Dollar.
Neben Deutschland (35 Transaktionen) und Grossbritannien (34 Deals) erwiesen sich vor allem Italien (20 Transaktionen) und Frankreich (16 Übernahmen) als wichtigste Zielmärkte für Investoren aus dem Reich der Mitte. Der europaweit mit Abstand grösste Deal war der Einstieg von Geely bei Daimler. An zweiter Stelle folgt der – noch nicht abgeschlossene – Kauf des finnischen Sportausrüsters Amer Sports Oyj durch Anta Sports für 6,3 Milliarden US-Dollar; dahinter rangiert die Komplettübernahme des italienischen Mobilfunkbetreibers Wind Tre durch CK Hutchinson für 2,9 Milliarden US-Dollar. Insgesamt wurden 5 Transaktionen mit einem Volumen von mehr als 1 Milliarde US-Dollar gezählt – im Vorjahr hatte es noch 11 derartige Deals gegeben.
Das sind Ergebnisse einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die M&A-Investitionen chinesischer Unternehmen in der Schweiz und Europa untersucht.
«Die Transaktionsaktivitäten sind europaweit nun fünf Halbjahre in Folge zurückgegangen», stellt Yi Sun, Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz bei EY, fest. «Die Gründe für diesen kontinuierlichen Rückgang sind vielfältig. Einerseits haben sich die Rahmenbedingungen in China verändert: Die Regierung möchte übermässige Kapitalabflüsse verhindern und wünscht eine Konzentration der Investitionstätigkeit auf Kernbranchen. Andererseits wächst die chinesische Wirtschaft nicht mehr so stark, was eine stärkere Vorsicht gerade bei grossen Transaktionen zur Folge hat. Zudem werden chinesische Investoren in Europa nicht mehr überall mit offenen Armen empfangen.»
Auch der Transaktionsprozess sei komplizierter geworden, ergänzt Sun: «Seit einigen Jahren fordern die Eigentümer der europäischen Unternehmen von chinesischen Investoren schon am Anfang eines Verkaufsprozesses Nachweise über die nötigen Finanzmittel. Zudem wird vielfach eine detaillierte Integrationsplanung erwartet. Auch das Vorliegen von Genehmigungen durch chinesische Behörden wird inzwischen vielfach vorausgesetzt.»
Beinahe doppelte Anzahl Deals in der Schweiz
„In den vier wichtigsten Zielmärkten ging die Zahl der Transaktionen im vergangenen Jahr jeweils deutlich zurück, während sich die Zahl in der Schweiz fast verdoppelt hat“, beobachtet Ronald Sauser, Leiter Transaktionsberatung bei EY in der Schweiz. So wurden hierzulande im Jahr 2017 insgesamt sieben Zukäufe durch chinesische Unternehmen verzeichnet, 2018 waren es deren 13: Bally International, Mercuria Energy Group, Swiss Educ Group, Antiquorum Management, SDH, Viewster, Lista, Takeda Chromo, Ernest Borel, Granite Capital, Technosoft Motion, Sdataway und M.A. Med Alliance.
Handelskonflikt mit USA als Hemmnis
Wenn sich der chinesisch-amerikanische Handelskonflikt beruhigt und die Konjunktur in China wieder anzieht, wird nach Yi Suns Einschätzung auch die Investitionsbereitschaft chinesischer Unternehmen wieder wachsen – vorläufig sei aber mit einer verhaltenen Transaktionstätigkeit zu rechnen: «Es wird in den kommenden Monaten weiterhin relativ wenige Übernahmen durch chinesische Investoren geben – dazu sind die derzeitigen Rahmenbedingungen einfach zu schwierig.» Mittelfristig rechnet sie aber mit einem deutlichen Anstieg der Aktivitäten; Seit einigen Jahren wachse auch die Bedeutung chinesischer Private Equity- und Investmenthäuser, die im Ausland bereits US-Dollar oder Euro besitzen.
Trend: Weniger Industrieunternehmen, mehr Konsumgüterfirmen
Die Zahl der gekauften europäischen Industrieunternehmen hat sich von 79 in 2017 auf 39 in 2018 etwa halbiert. Auch im High Tech-Bereich war die Transaktionsaktivität rückläufig und sank von 32 auf 22 Deals. Gestiegen ist hingegen die Zahl der Transaktionen im Bereich Konsumgüter und Dienstleistungen: Von 13 auf 27. Dazu zählen beispielsweise neben Schmuck- und Möbelherstellern etwa Sprachschulen, vor allem in Grossbritannien.
«In China wächst eine kaufkräftige und konsumfreudige Mittelschicht heran – allerdings gibt es in China derzeit noch kaum eine weltbekannte Marke im mittleren oder Luxus-Segment. Daher sind chinesische Investoren seit etwa drei Jahren immer stärker auf der Suche nach namhaften europäischen Konsumgüterproduzenten“, erklärt Ronald Sauser. „Im E-Commerce gibt es zudem grosses Interesse bei vielen europäischen Marktteilnehmern an den Kompetenzen chinesischer E-Commerce-Player in den Bereichen künstliche Intelligenz und moderne Logistik. Auch hier dürfte es künftig mehr Transaktionen geben.» (EY/mc/ps)
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