BlackRock-Kommentar von Ann-Katrin Petersen, Leiterin Kapitalmarktstrategie Deutschland, Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock, zur Zinsentscheidung der EZB.
Fazit: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Leitzinsen wie erwartet um 25 Basispunkte gesenkt. Schwächere Wachstumsprojektionen stehen der anhaltenden Einschätzung gegenüber, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2025 auf die 2%-Zielmarke sinken wird. Das fortlaufend straffe Zinsniveau bedeutet unseres Erachtens, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr erneut senken könnte. Die Markterwartungen über eine weitere mögliche Senkung bereits im Oktober halten wir für optimistisch. Eine hartnäckige Inflation bedeutet unserer Ansicht nach, dass nur eine weitere spürbare Eintrübung der Wirtschaft die EZB dazu veranlassen würde, ihre quartalsweisen Zinslockerungen um einen Viertelpunkt zu beschleunigen. Wir bevorzugen daher Zinseinkommen aus kurzfristigen Anleihen des Euroraums gegenüber kurzfristigen US-Staatsanleihen.
Zweiter Zinsschritt, keine Siebenmeilenstiefel
Wie erwartet senkte die EZB die Zinsen um 25 Basispunkte, unterstützt durch neue Makroprojektionen (geringeres Wachstum, weitgehend unveränderte Inflationsaussichten). Es ist die zweite Zinssenkung der EZB nach Beginn des Lockerungszyklus im Juni. Präsidentin Lagarde bekräftigte, dass die EZB einen «datenabhängigen Ansatz von Sitzung zu Sitzung» verfolgen werde, und schloss einen Oktober-Zinsschritt nicht aus. Derzeit würde unseres Erachtens nur eine weitere spürbare Eintrübung der Konjunkturperspektiven die EZB dazu veranlassen, die Zinssenkungen mit aufeinanderfolgenden oder noch grösseren Schritten zu beschleunigen. Und wir werden vor der Oktobersitzung nur wenige zusätzliche Wirtschaftsdaten erhalten, bis Dezember deutlich mehr. Wir glauben, dass die EZB lieber behutsam vorgehen wird – zumindest bis sie ihre Erwartung bestätigen kann, dass die Inflation bis Jahresende 2025 auf die 2%-Zielmarke zurückkehrt, und sich das Lohnwachstum weiter abschwächt.
Zähe Inflation bedeutet anhaltend straffe Geldpolitik
Wie beim Zinserhöhungszyklus ist dies auch keine typische Abwärtsschleife: Dies ist keine Rückkehr zu einer Welt, wie wir sie kannten, in der die Inflation konstant unter dem 2%-Ziel lag. Da die Arbeitsmärkte immer noch angespannt sind und die Produktivität schwach ist, könnte der inländische Preisdruck die Inflation bei oder über 2% halten, selbst wenn wir davon ausgehen, dass das Lohnwachstum gegenüber dem derzeitigen (weiterhin zu hohen) Niveau fortgesetzt abkühlen wird. Da die EZB die Zinsen auf ein deutlich straffes Niveau angehoben hat, würde selbst ein stetiges Zinslockerungstempo in den kommenden Quartalen die Konjunktur dämpfen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des wahrscheinlich nun höheren neutralen Leitzinses, welcher aufgrund struktureller Verschiebungen zustande kommt.
Keine grosse Überraschung für die Märkte
Nach der EZB-Sitzung gehen die Märkte immer noch davon aus, dass eine Zinssenkung im Oktober möglich ist. Anleger sollten das Gesamtbild im Auge behalten: Die Zinsen werden wahrscheinlich strukturell höher ausfallen als vor der Pandemie, was die Attraktivität von Zinseinkommen weiterhin unterstützt. Aus taktischer Sicht bevorzugen wir nun Zinseinkommen in kurzfristigen Staatsanleihen des Euroraums und Unternehmensanleihen gegenüber kurzfristigen US-Staatsanleihen. Wir denken, dass die Markterwartungen hinsichtlich Zinssenkungen durch die Fed zu weit gelaufen sind. Wir bleiben taktisch neutral gegenüber Staatsanleihen des Euroraums, nicht zuletzt, da die Renditen im Lichte neuer Wirtschaftsdaten weiterhin in beide Richtungen schwanken werden. (BlackRock/mc)