FBI entdeckte Clinton-E-Mails schon vor Wochen
New York – FBI-Ermittler haben die neuen E-Mails, die jetzt im Mittelpunkt des Wahlkampf-Wirbels um US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton stehen, schon vor Wochen entdeckt. Das berichteten die «Washington Post» und CNN am Sonntag unter Berufung auf Justizkreise.
Der Chef der Bundespolizei, James Comey, hatte den Fund und geplante neue Ermittlungen erst am vergangenen Freitag in einem Brief an Kongressmitglieder publik gemacht – elf Tage vor der Wahl. Vier führende demokratische Senatoren haben den FBI-Chef nun aufgefordert, bis Montagabend alle Informationen offenzulegen, die er bisher über die E-Mails besitzt.
Mit der Ankündigung kurz vor der Wahl habe Comey möglicherweise gegen Gesetze verstossen, erklärte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid. Reid bezog sich auf den «Hatch Act» – ein Gesetz, das dem FBI ausdrücklich die Beeinflussung von Wahlen verbietet. Comey äusserte sich nicht dazu.
Mitte Oktober entdeckt
Im Mittelpunkt der E-Mail-Affäre steht die Frage, ob Clinton durch die Nutzung ihres privaten Servers – weitaus hackeranfälliger als das gesicherte System des Aussenministeriums – die Sicherheit der Nation gefährdet und sich damit strafbar gemacht hat. Im Sommer hatte Comey zum Abschluss seiner Ermittlungen Clinton nur extreme Sorglosigkeit bescheinigt und kein kriminelles Verhalten.
Der «Washington Post» zufolge wurde Comey selbst erst am vergangenen Donnerstag über die neue Entwicklung unterrichtet, wie er auch in seinem Schreiben betonte. CNN zufolge war er aber bereits Mitte Oktober vage über die neue Entdeckung von E-Mails informiert, die zum oder vom privaten Server in Clintons Haus in Chappaqua geschickt wurden.
Gegen den Wunsch der Justizministerin
Die Demokratin hatte diesen Server in ihrer Zeit als Aussenministerin auch für dienstliche Korrespondenzen benutzt und damit bereits zuvor FBI-Ermittlungen ausgelöst, die im Sommer ohne Anklage endeten.
Die am Sonntag bekannt gewordene Abfolge der Ereignisse wirft verstärkt die Frage auf, warum sich Comey – nachdem nun schon Wochen seit dem Fund vergangen waren – veranlasst sah, die Angelegenheit noch vor der Wahl am 8. November publik zu machen.
Sein Schritt war ein Bruch mit der langjährigen Praxis, kurz vor Wahlen keine Informationen über Ermittlungen zu veröffentlichen, die sich auf einen Kandidaten und damit auf das Wahlergebnis auswirken könnten. Comey setzte sich damit auch über den ausdrücklichen Wunsch seiner Chefin, der Justizministerin Loretta Lynch, hinweg.
Zusätzliche Genehmigung nötig
Den Medienberichten zufolge wurden die Mails Anfang Oktober nach der Beschlagnahme des Computers des Ex-Abgeordneten Anthony Weiner gefunden. Gegen ihn wird wegen des Versendens sexuell anstössiger SMS an eine Minderjährige ermittelt. Weiner ist mit der engsten Clinton-Vertrauten Huma Abedin verheiratet, die nach Medienberichten seinen Computer manchmal benutzte.
In den Wochen nach dem Fund waren die Ermittler laut CNN anscheinend zunächst damit beschäftigt, dessen mögliche Bedeutung einzuschätzen und über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Dem «Wall Street Journal» zufolge wurden auf Weiners Computer 650’000 E-Mails gefunden, die sich über Jahre erstreckten, viele von Abedins E-Mail-Konto. Metadaten hätten gezeigt, dass anscheinend Tausende von Clintons privatem Server stammten oder dorthin geschickt wurden.
Da sich die Befugnisse zum Lesen der E-Mails auf Weiners Computer aber nur auf die Vorwürfe gegen den Ex-Kongressabgeordneten bezogen hätten, habe das FBI eine zusätzliche Genehmigung beantragen müssen, um eine Prüfung der übrigen Mails einzuleiten. Comeys Schreiben vom Freitag deutet darauf hin, dass die Untersuchung zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hat. Es sei unklar, ob die neu entdeckten E-Mails im Zusammenhang mit vorausgegangenen Ermittlungen gegen Clinton eine Bedeutung hätten, schrieb der FBI-Direktor. (awp/mc/ps)