Kommentar von Stephanie Zwick, Head Convertible Bonds bei Fisch Asset Management in Zürich
„Anleger sehen sich derzeit mit einer ungewöhnlichen Vielzahl gleichzeitig auftretender Unsicherheiten konfrontiert. Zum einen wird die russische Invasion in der Ukraine weitreichende Auswirkungen auf geostrategische und wirtschaftliche Gegebenheiten haben, selbst wenn es zu einer kurzfristigen Lösung kommen sollte. Lange bestehende Marktannahmen, wie etwa eine immer weiter fortschreitende Globalisierung, bekamen bereits in der Corona-Krise erste Dämpfer, während sie mittlerweile deutlich hinterfragt werden. Zum anderen erfordert auch die anhaltend hohe Inflation in Kombination mit steigenden Zinsen eine Neujustierung der Anlegerportfolios. Die Geopolitik könnte zwar die erwartete Straffung der Geldpolitik etwas hinauszögern, eine Kehrtwende der Zentralbanken dürfte sie jedoch nicht auslösen.
In einem derartig unsicheren und damit auch volatilen Marktumfeld spielen Wandelanleihen ihre Stärken aus: die einzigartige Kombination aus Partizipation an steigenden Aktienmärkten inklusive eines Airbags bei fallenden Aktienkursen war im bisherigen Jahresverlauf 2022 gut zu beobachten. Wandelanleihen verloren im Schnitt bisher deutlich weniger als ihre Aktienmarkt-Pendants. Bei einer potenziellen Erholung sollten Wandelanleihen damit von einem höheren Ausgangsniveau aus ihre Verluste relativ schnell wieder kompensieren können. Wir fokussieren uns dabei derzeit auf jene Sektoren, die aus unserer Sicht bei der Anpassung der Gesellschaften an die wiederkehrende Bipolarität in der Welt eine Schlüsselrolle spielen werden.
Energie – erneuerbar und fossil – bleibt ein Schlüsselthema
Ein wichtiges Thema für die kommenden Jahre ist der Energiesektor, denn Europa hat das Risiko seiner Abhängigkeit von russischen Öl-, Kohle- und Gaslieferungen erkannt. Um russische Importe kurz- und mittelfristig zu substituieren, müssen diese aus anderen Quellen bezogen werden, wovon sowohl nicht-russische Ölkonzerne als auch US-Schiefergasunternehmen profitieren sollten. Von zu erwartenden umfangreichen Investitionen in den Energiesektor dürften auch Wind- und Solarenergieanbieter profitieren. Daran partizipieren auch Hersteller, die wichtige Teile des Stromnetzes, wie zum Beispiel Stromkabel, bereitstellen. Angesichts der höheren Ölpreise und des staatlichen Drucks könnte ausserdem die Elektromobilität in breiterem Umfang schon viel früher als erwartet Realität werden. Daran hätten Stromnetzbetreiber, Batterietechnologieunternehmen und Hersteller von Elektrofahrzeugen einen massgeblichen Anteil. Da sich im Wandelanleihenuniversum überproportional viele Wachstumsunternehmen befinden, bietet dieser Markt zahlreiche interessante Investmentmöglichkeiten.
Cyber-Sicherheit rückt durch Geopolitik in den Fokus
In den vergangenen Wochen ist die zuvor im Verborgenen liegende Welt der Cyber-Kriegsführung in den Blickpunkt gerückt. Staatlich geförderte Agenturen und ‚Hacktivisten‘-Gruppen versuchen den Informationskrieg zu gewinnen und die Operationen der anderen Parteien zu stören. Die entscheidende Rolle von Cybersicherheitsunternehmen beim Schutz von Regierungseinrichtungen und Unternehmen vor Angriffen und Störaktivitäten ist heute deutlicher denn je und gewinnt entsprechend auch beim Investieren an Bedeutung – das gilt ebenfalls in der Anlageklasse der Wandelanleihen. Generell sind Unternehmen mit einer starken Wettbewerbsposition, soliden Bilanzen, hohen Gewinnspannen und einer unelastischen Angebots-/Nachfragedynamik erste Wahl für Wandelanleihen-Portfolios. Wir erwarten, dass diese Unternehmen besser mit höheren Inputkosten und steigender Inflation umgehen können.
Das Timing des Einstiegs beziehungsweise der Aufstockung ist dabei grundsätzlich eine der grossen Schwierigkeiten für Anleger. Wandelanleihen können hier insofern gute Dienste leisten, als dass man mit ihnen gleichsam einen Fuss in der Tür hat, wenn die Erholung einsetzt. Bei einer erneuten Korrektur bietet der eingebaute Airbag wiederum einen Puffer. Rückblickend haben Wandelanleihen in den vergangenen 25 Jahren gezeigt, dass sie die Stabilität eines Aktien- oder Mischportfolios erhöhen, ohne dass der Anleger dies über einen Aktienmarktzyklus hinweg mit einer spürbar niedrigeren Rendite erkaufen musste.“ (Fisch Asset Management/mc/ps)