„Ein wesentliches Augenmerk unserer Makroanalyse liegt auf der monetären Situation, bei der wir derzeit eine Verschlechterung sehen. Die Notenbanken versorgen die Märkte zwar weiterhin mit viel Liquidität. Aber dieses Geld kommt vorwiegend bei grossen börsennotierten Unternehmen und Schuldnern an. Bei kleinen und mittleren Unternehmen trüben sich die Refinanzierungsmöglichkeiten deutlich ein. Die Banken fürchten sich vor Zahlungsausfällen und werden restriktiver bei der Kreditvergabe. Verschiedene Indikatoren (zum Beispiel Senior Loan Officer Survey) zeigen eine ähnlich schwierige Situation wie in der Krise von 2008/09 an. Die Gefahr eines starken Anstiegs der Konkurse nimmt deutlich zu und diese Kreditklemme ist für die Notenbanken nur schwierig zu überbrücken.
Die bereits jetzt steigenden Zahlungsausfälle und Konkurse bei mittelständischen Unternehmen führen mittelfristig zu rückläufigem Konsum, erhöhter Arbeitslosigkeit und damit einer negativen Rückkopplung auf das Wirtschaftswachstum. Es droht hier der permanente Abbau von Arbeitsplätzen. Da der Arbeitsmarkt in den USA dynamischer und flexibler ist, dürfte Europa unter dieser Entwicklung stärker leiden, und zwar gerade die besonders von Covid-19 betroffenen Länder. Fed-Präsident Jerome Powell hat beim jährlichen Wirtschaftssymposium ebenfalls nochmal das Ziel der Vollbeschäftigung in den Vordergrund gerückt. Der Fokus auf den Arbeitsmarkt soll durch ein flexibleres Inflationsziel unterstützt werden, bei dem der Zielwert von zwei Prozent auch für längere Zeit überschritten werden darf, bevor die Fed gegensteuert.
Damit dürfte auch das Zinsniveau auf absehbare Zeit sehr niedrig bleiben. Der Häusermarkt in den USA ist dagegen sehr stark und dürfte der Konjunktur bis auf weiteres eine gewisse Stütze geben. In China entwickelt sich die Wirtschaft deutlich besser, während Europa schwächelt. Insgesamt bleibt die Weltwirtschaft in einem eher gedämpften Aufschwung mit zunehmender Gefahr eines Strömungsabrisses.
Die Bewertungen an den Aktienmärkten verteuerten sich aufgrund der Kursgewinne der letzten Wochen weiter und stehen vielfach nicht mehr im Einklang mit der fundamentalen konjunkturellen Realität. Auch die Kreditmärkte sind teilweise teuer, aber weniger übertrieben als am Aktienmarkt. Die Bewertungsdiskrepanz an den Finanzmärkten ist sehr stark von der lockeren Geldpolitik und damit monetär getrieben. Die markttechnische Verfassung der Börsen ist derzeit noch gut, beginnt sich allerdings leicht abzuschwächen. Aufgrund der sich negativ verändernden Einflussfaktoren ist jederzeit ein Trendbruch möglich. Spätestens jetzt ist Vorsicht geboten und Investmententscheidungen sollten das Risikoumfeld entsprechend berücksichtigen.“
Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management in Zürich