„Das aktuelle Hauptrisiko für die weitere Entwicklung der Finanzmärkte ist die grosse Abhängigkeit des Systems von monetären Impulsen und damit die sehr hohe Sensitivität auf kleinste Änderungen bei der Liquiditätsversorgung oder der Geldmengendynamik. Änderungen bei der monetären Dynamik müssen nicht zwingend von den Zentralbanken ausgelöst werden. Es kann auch systemintern zu Veränderungen kommen (Geldmenge M1 fällt, Umlaufgeschwindigkeiten ändern sich, Geldmultiplikatoren sinken), die nicht von den Notenbanken direkt gesteuert werden. Das erschwert das Markttiming zusätzlich, da die Investoren im aktuellen Umfeld künftige Änderungen der Geldpolitik sehr früh antizipieren und deshalb stark auf solche system-endogenen monetären Schwankungen reagieren können.
Gründe für die aktuell hohe Sensitivität des Systems hinsichtlich monetärer Impulse sind einerseits der seit längerem fallende US-Dollar und der damit verbundene stetige Anstieg der Inflationserwartungen in den USA. Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr neu gedrucktes Notenbankgeld von den Aktienmärkten und der Konjunktur auch auf die Devisenmärkte überschwappt und dort Bedenken zur Geldwertstabilität auslöst. Das wird zusätzlich durch die jüngst wieder stark steigenden Gold- und Bitcoin-Preise bestätigt. Andererseits werden auch die zunehmenden Staatsdefizite immer stärker durch die Notenpresse finanziert, was die Abhängigkeit des Systems von monetären Faktoren zusätzlich erhöht. Derzeit bröckelt es gewissermassen an allen Fronten im Finanzsystem. Die Lage unterscheidet sich damit deutlich vom Krisenjahr 2009. Der US-Dollar konnte damals zulegen, die Defizite waren kleiner und die Geldpolitik hatte noch mehrere Jahre grosser Quantitative-Easing-Programme vor sich. Der Handlungsspielraum der Zentralbanken war deutlich grösser.
Trotz der erwähnten Gefahren und hohen Anfälligkeit des Systems auf kleine Störungen bleiben die grundsätzlichen Treiber im Moment noch klar positiv: Die Geldpolitik ist sehr locker, die staatlichen Stimulusprogramme wirken und die globale Konjunktur ist auf dem Erholungspfad. Die Reflation läuft wie gewünscht und ein moderat tieferer US-Dollar ist kurzfristig sogar positiv. Er ermöglicht vielen Emerging Markets ihre eigene Geldpolitik zu lockern und die Staatsdefizite zu erhöhen. Höhere langfristige Zinsen bedeuten steilere Zinskurven und sind ein günstiges Signal für die Konjunktur. Historisch kam es in einem solchen Umfeld stets zu Kursgewinnen an den Aktien- und Kreditmärkten. Erst wenn sich der Reflationstrend zu stark beschleunigt, wird es gefährlich. Wir beobachten die Entwicklung deshalb genau, halten aber einen verfrühten Risikoabbau für nicht angebracht.“ (FAM/mc)