Fregattvögel schlafen im Flug
Zürich- Schlafend fliegen ohne vom Himmel zu fallen: Fregattvögel sind dazu fähig. Sie können im Flug gleichzeitig mit beiden Gehirnhälften oder nur mit einer Hälfte schlafen – pro Tag aber nicht mehr als eine Dreiviertelstunde. Durch Messung der Gehirnaktivität bei Fregattvögeln liefert ein Wissenschaftler der Universität Zürich und ETH Zürich mit einem internationalen Forscherteam den erstmaligen Nachweis, dass und wie Vögel im Flug schlafen.
Singvögel, Segler und Seevögel können pausenlos für mehrere Tage, Wochen oder Monate die Erde überfliegen. Ob und wie diese Vögel während ihrer Flüge schlafen, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Von Enten weiss man, dass sie nur mit einer Gehirnhälfte schlafen können: Tiere am Rande einer Gruppe halten das nach aussen gerichtete Auge offen und die dazugehörige Hirnhälfte ist wach. Auch Delphine sind fähig, mit einer schlafenden Gehirnhälte zu schwimmen. Möglich wäre aber auch, dass Vögel einen Weg gefunden haben ohne Schlaf auszukommen: Bei Graubruststrandläufern in Alaska wurde beobachtet, dass sie während ihrer gesamten Brutzeit weitgehend auf Schlaf verzichten. Doch ohne eine direkte Messung des Gehirnzustands bleibt der Schlaf im Flug reine Spekulation.
Mit Messgeräten Hirnströme und Kopfbewegungen aufgezeichnet
Alexei Vyssotski vom Institut für Neuroinformatik der Universität Zürich und der ETH Zürich hat einen kleinen Datenlogger entwickelt, der Änderungen in der Hirnaktivität anhand von Elektroenzephalogrammen (EEGs) und Kopfbewegungen misst. Damit konnte er gemeinsam mit internationalen Forscherkollegen bei Fregattvögeln die Wach- von den Schlafphasen unterscheiden – der Slow-wave- und Rapid-eye-movement-Schlaf (REM). Diese grossen auf den Galapagos-Inseln lebenden Seevögel fliegen für Wochen ununterbrochen über dem Ozean und jagen fliegende Fische und Tintenfische. Die Wissenschaftler befestigten die mobilen Messgeräte für einige Zeit auf dem Kopf weiblicher Tiere, bevor diese zu ihren bis zu zehn Tage langen Jagdflügen von bis zu 3000 Kilometern Länge aufbrachen. Die Datenlogger registrierten neben den Gehirnströmen in beiden Gehirnhälften auch Kopfbewegungen, ein GPS-Gerät berechnete auf dem Rücken der Tiere die Flughöhe und ihre Position.
«Die Auswertung der Logger ergab, dass Fregattvögel auf erwartete, aber auch unerwartete Weise im Flug schlafen», erklärt Alexei Vyssotski. Tagsüber blieben die Vögel wach, um aktiv nach Nahrungsquellen zu suchen. Mit dem Einsetzen der Nacht bildeten die Gehirnströme Slow-wave-Schlafmuster von mehreren Minuten Länge, während die Vögel in einem Gleitflug waren. «Überraschenderweise trat der Slow-wave-Schlaf nicht nur in einer Gehirnhälfte, sondern im kompletten Gehirn auf. Zur aerodynamischen Kontrolle ist es offenbar nicht nötig, eine Gehirnhälfte wach zu halten», so Alexei Vyssotski. Trotzdem schläft im Flug verglichen mit der Situation am Boden häufiger nur ein Teil des Gehirns.
Für diesen unihemisphärischen Schlaf fanden die Wissenschaftler durch die Auswertung der Bewegungsdaten eine Erklärung: Wenn die Vögel in kreisenden Bewegungen die aufsteigenden Luftströme nutzten, blieb meist die Gehirnhälfte wach, die mit dem in Flugrichtung blickenden Auge verbunden war – so schauten die Vögel wohl wohin sie fliegen. Hingegen schlief die zu dem nach aussen gerichteten Auge gehörende Hirnhälfte.
Nur kurze REM-Schlafphasen im Flug
Neben dem Slow-wave-Schlaf im ganzen oder halben Gehirn haben die Wissenschaftler in seltenen Fällen kurze Unterbrechungen durch REM-Schlafphasen gemessen. Im Gegensatz zu Säugetieren, bei denen REM-Schlafphasen lange und mit einem kompletten Verlust des Muskeltonus verbunden sind, dauert die REM-Schlafphase bei Vögeln nur kurz. Hinzu kommt, dass ein Verlust des Muskeltonus zwar zum Hinabsinken des Kopfes führen kann, die Vögel aber durchaus noch fähig sind zu stehen – sogar nur auf einem Bein. «So sinkt auch bei REM-schlafenden Fregattvögeln im Flug der Kopf, das Flugverhalten änderte sich in dieser Zeit jedoch nicht», sagt Alexei Vyssotski.
Rund um die Uhr konzentriert über dem Meer
Fregattvögel verfügen im Flug über die gleichen Schlafmuster wie am Boden. Im Flug schlafen sie allerdings durchschnittlich nur 42 Minuten pro Tag. Knapp sechs Minuten dauerte der längste ununterbrochene Schlaf, den die Wissenschaftler gemessen haben. Zurück an Land schlafen die Tiere über zwölf Stunden pro Tag, wobei die Schlafepisoden länger und tiefer sind. Unklar ist für die Wissenschaftler, warum die Vögel so wenig im Flug schlafen, sogar in der Nacht, wenn sie nicht auf Jagd sind. Frühere Studien zeigten, dass Fregattvögel Ozeanströmungen auf der Suche nach guten Nahrungsquellen folgen. «Vielleicht ist das ein Grund dafür, wach sein zu müssen», folgert Alexei Vyssotski. Zu erforschen ist ausserdem, wie Fregattvögel die mit Schlafmangel verbundenen negativen Effekte für ihren Organismus kompensieren. (Universität Zürich/mc/pg)