G20 holt zu Schlag gegen Steuertricks der Multis aus
OECD-Generalsekretär Ángel Gurría. (Bild: OECD / Flickr)
Cairns – Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble ist wahrlich kein Mann der grossen Euphorie oder gar von Jubelarien. Doch schon als er an seinem 72. Geburtstag am vergangenen Donnerstag zum G20-Gipfel im australischen Ferienort Cairns aufbricht, kann er seine Vorfreude über ein Thema auf der Agenda nicht verbergen.
Im Kampf gegen die ausgefuchsten Steuertricks von Google, Amazon & Co wird das Treffen den grossen Gegenschlag einläuten, da ist er sich sicher. Bislang können die Multis ihre Gewinne ganz legal dorthin verschieben, wo die Steuerlast am geringsten ist – und der heimische Fiskus und damit die Öffentlichkeit gucken in die Röhre.
OECD-Generalsekretär Ángel Gurría nennt das Vorhaben die grösste Modernisierungsaktion des internationalen Steuersystem seit 100 Jahren, G20-Fachleute sprechen von einer Reform für die nächsten 50 Jahre.
Legale Tricks
Für die findigen Steuerumgeher und -flüchtlinge, die mit einem Heer von Steuerexperten und Juristen seit Jahren erfolgreich jede Schwachstelle in den nationalen Steuersystemen nutzen, ziehen damit harte Zeiten auf. Laut Gurría haben die Multis satte zwei Billionen US-Dollar in Steueroasen und andere Niedrigsteuerländer geleitet, um auf vielfältige Weise ihre Steuerlast zu mindern.
Dabei spielen selbst ansonsten ehrwürdige G20- und EU-Partnerländer wie Grossbritannien oft eine unrühmliche Rolle. Auch Deutschland muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen – auch dort gibt es «Regelungen mit schädlichen Merkmalen», wie die Bundesregierung kürzlich einräumen musste.
Es geht hier um ganz legale Praktiken, mit denen sich Konzerne die Unterschiede zwischen den nationalen Steuer- und Rechtssystemen sowie Untiefen in internationalen Steuerabkommen zunutze machen. Die Leidtragenden sind nicht nur die Finanzminister, denen riesigen Summen verloren gehen.
Diebstahl
«Leute, die Steuerzahlungen ausweichen, stehlen im Grund Geld von anderen Steuerzahlern», regt sich der australische Finanzminister Joe Hockey auf. Auch der wortgewaltige OECD-Chef Gurría schäumt, bei der Praxis stehe weit mehr als nur Geld auf dem Spiel: «Es geht um eine Erosion von Vertrauen und Glaubwürdigkeit».
Wenn Multis mit ihren aggressiven Strategien ihre Steuerquote auf einstellige Raten drückten, ihre lokale Konkurrenz das aber nicht könne, dann gehe es um Wettbewerbsverzerrungen und am Ende auch um Jobs. «Diese Frage hat immense politische Implikationen.»
Unzählige Schlupflöcher
Die Staaten bieten Steuervermeidern willentlich oder unwillentlich eine ganze Palette von Schlupflöchern. Beispiel: sogenannte Patent- und Lizenzboxen. Dabei bieten auch zahlreiche europäische Länder wie die Niederlande, Grossbritannien oder Zypern den Unternehmen niedrigste bis gar keine Steuern auf Einnahmen, die auf Lizenzen oder Patenten basieren.
Sie ziehen damit Erträge auf sich, die – wenn überhaupt – kaum einen Bezug zu Aktivitäten in ihren Ländern haben und werben damit anderen Ländern Steuerquellen ab.
Bei einem beliebten anderen Modell leihen sich Firmenteile in verschiedenen Ländern Geld, um Profit aus den verschiedenen Steuersystemen der Staaten zu schlagen. Zudem werden Doppelbesteuerungsabkommen – die eigentlich eine mehrfache Besteuerung von Aktivitäten verhindern sollen – dazu genutzt, um Geschäfte nirgendwo zu besteuern.
Ein weiterer Klassiker sind Briefkastenfirmen, mit denen die Konzerne Steuervorteile in Ländern einstreichen, ohne dort geschäftlich aktiv zu sein oder irgendetwas zum Gedeihen der Wirtschaft beizutragen.
OECD-Führung
Die Überschrift für die gesamte Reformoffensive kann man so zusammenfassen: «Auf Gewinne, die in einem Land erwirtschaftet werden, sollen gefälligst auch in diesem Lande Steuern gezahlt werden.»
Firmen soll es also nicht mehr erlaubt sein, mit kunstvollen Tricks den Ort der geschäftlichen Tätigkeit von dem Ort zu trennen, an dem sie auf dem Papier Erträge erzielen und Steuern zahlen. Diese Praxis in all ihren Spielarten wollen die OECD-Kämpfer im Auftrage der G20 nun in den nächsten Jahren beenden. «Alle müssen ihren fairen Anteil an der Steuerlast tragen», lautet das Ziel.
Ersten Vorschlägen haben die Minister bereits zugestimmt. Weitere sollen bis 2015 folgen. «Das ist schneller, als es die meisten für möglich gehalten haben», freut sich Schäuble.
Und in der Tat: An vergleichbaren Vorhaben wie der Zinsrichtlinie arbeitet Europa inzwischen seit über zehn Jahren. Es steht sogar noch mehr an: Im nächsten Monat wollen in Berlin fast 40 Länder ein Abkommen unterzeichnen, das ab 2017 einen umfassenden automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden über Kontenstände, -bewegungen und Wertpapiergeschäfte vorsieht.
Damit sollen Steuerbetrüger kaum noch eine Möglichkeit haben, ihre Gelder vor dem Fiskus zu verstecken. Das Jahr 2014 könnte im Kampf gegen Steuerflüchtlinge und -betrüger zum Beginn einer neuen Ära werden. (awp/mc/ps)