Während unserer Ausbildung lernen wir, dass wir bei einem Problem nicht die Symptome bekämpfen sollen, sondern die wahren Auslöser der Probleme. Sobald es jedoch um uns selbst geht, um unsere Komfortzone, weichen wir nur allzu gerne von diesem Grundsatz ab. Wenn wir diesem Leitsatz folgen wollen, haben wir kein Klima- oder Corona Problem, wir haben ein Grundsatzproblem, das Bevölkerungswachstum.
Kommentar von Peter Strub
Umweltschutz
Als ich als junger Mensch 1972 vom Bericht “Die Grenzen des Wachstums” des Club of Rome gelesen habe, begriff ich mindestens intellektuell, dass wir Menschen so nicht weiterleben können. Der Umweltschutz-Gedanken wurde für mich zu dieser Zeit geboren. Die Wirtschaft ging teilweise auf Konfrontationskurs zu den grünen Gedanken, da diese unter Umständen die Produktivitätseffizienz einschränken. In der Schweiz konnten wir als erstes recht erfolgreich unsere Gewässer schützen.
Heute können wir in fast allen Seen und Flüsse baden und häufig ist die Wasserqualität annähernd Trinkwasserqualität. Weltweit ist die Luftverschmutzung in aller Munde und die Menschen arbeiten mehr oder weniger konsequent an einer Verbesserung. Das grosse Thema Klima ist heute vor allem in den Jugendbewegungen sehr präsent. Die Lärm- und Lichtpollution ist im Moment mindestens politisch als Thema nicht besonders aktuell.
Heutzutage scheint es jedem Menschen bewusst zu sein, dass wir den Umweltschutz über unseren komfortablen Lebensstil setzen müssen, aber politisch zeigen wir immer gerne auf die andern. Das Prinzip je mehr Menschen auf der Welt leben, je mehr zerstören wir unsere Umwelt, ist jedoch fest und unveränderbar. Es existieren viele Forschungen, die aufzeigen, was wir verändern müssten, damit wir überleben können, so auch der neuste Bericht «Wir sind dran» des Club of Rome, der 2006 erschienen ist. Ernst Ulrich von Weizäcker und seine Mitautoren zeigen im Teil drei «Eine spannende Reise zur Nachhaltigkeit» auf, was die Menschheit ändern müsste, wenn sie bleiben wollte.
All diese Studien gehen davon aus, dass das Bevölkerungswachstum abnimmt oder wie in den Industrienationen die Bevölkerung sogar rückläufig ist. Die neuste Entwicklung in China zeigt auch in diese Richtung. Die Entwicklung in Afrika entspricht jedoch immer noch eher einer Explosion als einer kontrollierten Entwicklung.
Unsere Erde erträgt nicht mehr Menschen
Wenn wir es irgendwie schaffen könnten die Weltbevölkerungszahl auf den Stand von 1970 zu reduzieren, auf diesem Niveau zu stabilisieren und die heute bekannten und in der nahen Zukunft entwickelten Technologien einzusetzen, dürften wir in einer gesunden Umwelt überleben. Das Lebenskonzept der Menschen ist jedoch nicht so eingerichtet, dass einige Individuen ihr Leben opfern werden, um der Spezies das Überleben zu ermöglichen, so wie das in der Tierwelt bei einzelnen Tierarten zu beobachten ist.
Die Menschheit muss also sofort nach Wegen suchen ihre eigene Anzahl zu vermindern und das auf humane Art. (Der Begriff «human» muss wahrscheinlich in diesem Zusammenhang neu definiert werden.) Bis im letzten Jahrhundert lieferten wir uns noch Kriege mit einer enormen Zahl an getöteten Menschen, dem zweiten Weltkrieg fielen 2.8% der Menschheit zum Opfer. Die modernen Kriege setzen nicht mehr auf so triviale Ziele, sie töten perfider. Früher gab es noch grosse Krankheiten, die die Menschheit heimsuchten, der spanische Grippe erlagen 1918/19 etwa 2.5% der damaligen Weltbevölkerung, an Corona sind heute 0.44% verstorben. Wenn wir die alte chinesische Methode der Ein-Kind-Politik weltweit 100% durchsetzen könnten, hätten wir rein rechnerisch nach einem Menschleben die Weltbevölkerung halbiert. Leider wird das jedoch am Machtstreben einzelner Staat, vornehmlich an dem der Grossmächten scheitern.
Auch die Wirtschaft wird sich dagegen wehren, sind doch unsere Wirtschaftssysteme allesamt auf Wachstum ausgelegt. Auch gibt es keine Instanz, die ein solche Szenario durchsetzen und kontrollieren könnte.
Die Power der reichen Industriestaaten
Wir reichen Industriestaaten können mit dem guten Beispiel vorangehen. Wir können die Einkind-Familie propagieren, verordnen oder steuerlich belohnen. Die Reproduktionsrate ist heute schon unter eins, es bräuchte im Durchschnitt also keine grossen Anreize, um dieses Ziel zu erreichen. Was das mittelfristig bedeutet, zeigt uns China gerade auf, ein noch stärkere Überalterung unserer Gesellschaften. Da wir die extreme Überalterung jedoch «nur» ein Menschenleben lang durchstehen müssen, können sich die Industriestaaten das gut leisten. Es braucht natürlich entsprechende Konzepte. Das Problem ist wiederum die Geopolitik, siehe China heute. Die Chinesen möchten wieder mehr eigene Arbeitskräfte, um nicht auf das Ausland angewiesen zu sein. Das ist im Machtpoker die richtige Strategie, für die Menschheit als Ganzes jedoch verehrend. Günstige Arbeitskräfte hat es in Drittweltländer genügend.
Mit einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik könnten die Industrieländer die Entwicklungsländer, vornehmlich in Afrika dazu bringen ihre Reproduktionsrate ebenfalls auf eine Einkind-Familie zu beschränken. Heute beträgt die Fertilitätsrate im Durchschnitt pro Frau in Uganda acht Kinder! Anstatt immer mehr Geld für z.T. fragwürdige Projekte in die Entwicklungshilfe zu stecken, müssten die Industriestaaten unbedingt mehr tun, um diese Rate massiv zu senken. Viele der Frauen in Afrika möchten gar nicht so viele Kinder, aber sie haben keine Möglichkeit zur Verhütung. Eine Umsetzung dieser Vorgabe in Afrika würde nicht nur dem Überlegen der Menschheit helfen, sondern würde auch den Immigrationsdruck der Afrikaner auf andere Kontinente verringern.
Fazit
Wenn wir bleiben wollen, müssen wir ziemlich schnell etwas ändern. Wirksam können wir jedoch lediglich etwas ändern, wenn wir die Änderung als gesamte Menschheit tun. Da wir jedoch kein Gefühl als Spezies entwickelt haben, wird diese Einsicht hoffentlich nicht zu spät kommen. Der Staatsegoismus muss sich dem Überlebenswille der Gesamtheit unterordnen. Für die jungen Menschen ist diese Handlung persönlich wichtig und wir alten Menschen sollten uns nicht zurücklehnen und denken, dass uns das ja nicht mehr betrifft. Wir müssen ein Mammutprojekt anstossen, das über alle Generationen und über alle Völker geht. Etwas noch nie Dagewesenes erreichen, Angela Merkel würde sagen: «Wir schaffen das!» oder Barack Obama «Yes, We Can» oder Michail Gorbatschow «Entweder man ist Teil der Lösung oder Teil des Problems», wir brauchen sie alle. Ich bin ein alter Optimist.
Peter Strub war CEO der Wirz Gruppe (2002 bis 2007), mehrfacher Verwaltungsrat und VR-Präsident in verschiedenen Werbe-Agenturen (Wirz Corporate, Wirz Werbung, Publitest, Assai Interactive, L&W Communications), Verwaltungsrat der Künzli Swiss Schuh (2004 – 2013). Seit 2013 ist Peter Strub Unruheständler, Alt-68er, Freisinniger ohne FDP-Parteizugehörigkeit, Weltreisender, Genussmensch, Mountainbiker und Bergwanderer. https://www.pegasus-unterwegs.ch/ |