Neuwahlen in Griechenland – Linker Syriza-Flügel verlässt Tsipras
Griechenlands zurückgetretener Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: primeministergr/Flickr)
Athen / Berlin – Nach dem Rücktritt des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras steht dem Sozialisten eine neue Kraftprobe bevor. Der linke Flügel seiner Regierungspartei Syriza spaltete sich ab und bildete unter dem Namen Volkseinheit (LAE) eine eigene Parlamentsgruppe. Wie der Anführer der 25 Abweichler, Panagiotis Lafazanis, in Athen bekanntgab, werden die Abgeordneten rasch auch eine neue gleichnamige Linkspartei gründen und bei den bevorstehenden Wahlen antreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet von Griechenland die Einhaltung der versprochenen Reformen – unabhängig vom Ausgang der geplanten Wahlen.
Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos nahm Tsipras› Rücktrittsgesuch am Donnerstagabend an. Nur wenige Stunden zuvor hatte Griechenland die ersten 13 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfsprogramm der Euro-Partner erhalten und damit Schulden in Höhe von 3,4 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beglichen. Das Gesamtvolumen des Pakets beträgt bis zu 86 Milliarden Euro und sieht massive Sparauflagen vor. Die Eurostaaten hatten monatelang über die neuen Griechenland-Hilfen gestritten.
Tsipras strebt bei den Neuwahlen nach eigenen Worten ein neues, «starkes» Regierungsmandat an: Jetzt, wo das milliardenschwere Hilfspaket unter Dach und Fach sei, wolle er gestärkt mit den internationalen Geldgebern über eine Umstrukturierung des Schuldenbergs verhandeln.
Wahltermin voraussichtlich 20. September
Wahrscheinlicher Wahltermin ist laut Regierungskreisen der 20. September. Tsipras hatte seit Januar in einer Koalition mit der rechtspopulistischen Anel-Partei die Regierung geführt.
Die neue Fraktion ist drittstärkste Kraft im Parlament – nach Syriza mit jetzt nur noch 124 Abgeordneten und der konservativen Nea Dimokratia (ND) mit 76 Abgeordneten.
«Getroffene Vereinbarungen gelten, auch über Wahltage hinaus», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Daran habe sich durch Tsipras› Rücktritt nichts geändert. «Natürlich erwartet die Bundesregierung – wie auch andere europäische Partner – die Umsetzung der Reformen, die in diesem Programm drinstehen.» Die Linke versprach Tsipras Unterstützung, auch nach der Abspaltung des radikal-linken Flügels der Syriza-Partei.
Die SPD sieht nach den Worten von Fraktionsvize Carsten Schneider durch die Neuwahlen keine negativen Auswirkungen. Er gehe davon aus, dass Tsipras «im Endeffekt» gestärkt werde und Griechenland besser durch die nächsten drei Jahre bringen könne, sagte Schneider im Radiosender MDR Info. FDP-Chef Christian Lindner warnte hingegen: «Wer weiss, ob sich eine nächste Regierung in Athen an die Zusagen der alten erinnert.»
Dijsselbloem bleibt gelassen
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zeigte sich angesichts der bevorstehenden Neuwahlen gelassen. Eine breite Mehrheit im jetzigen Parlament stehe hinter dem Rettungspaket, sagte der niederländische Finanzminister. Dijsselbloem äusserte die Hoffnung auf schnelle Wahlen und dass «die pro-europäischen Kräfte den jetzigen Kurs fortsetzen können». Tsipras hatte Dijsselbloem nach dessen Angaben am Donnerstag über den möglichen Rücktritt seines Kabinetts telefonisch informiert.
Am Freitag begannen in Athen die von der Verfassung vorgesehenen Sondierungen. Der Chef der stärksten Oppositionspartei, Evangelos Meimarakis von der Nea Dimokratia (ND), soll prüfen, ob seine Partei eine Regierungsmehrheit im Parlament findet. Die Erfolgschancen sind nach Einschätzung vieler Analysten gering. Wenn dieser Versuch einer Regierungsbildung scheitert, erhält die drittstärkste Partei ein weiteres dreitägiges Sondierungsmandat.
Solange die Sondierung andauert, bleibt Tsipras im Amt. Bleibt dieses Verfahren ohne Ergebnis, werden sofort vorgezogene Parlamentswahlen ausgerufen. Von diesem Tag an bis zu den Wahlen muss laut Verfassung einer der höchsten Richter des Landes eine Interimsregierung führen.
Tsipras hatte bereits am Donnerstagabend erklärt, er sehe derzeit keine Möglichkeit, eine eigene Mehrheit zu finden. Damit gab er nach Auffassung von Verfassungsexperten das Sondierungsmandat bereits zurück. (awp/mc/ups/ps)