Potsdam – Extreme Wetterereignisse wie Taifun Haiyan oder Hurrikan Sandy können starke Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Bislang sind solche Folgen für globale Wirtschaftsströme aber in den Abschätzungen zu Folgen des Klimawandels kaum erfasst. Das sollte sich ändern, so Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: „Wirtschaftssysteme sind eng miteinander verknüpft und von globalen Versorgungsnetzen abhängig – deshalb muss die Anpassung an den Klimawandel global gedacht werden – eine lokale Perspektive reicht da nicht aus.“ In einem Kommentar im renommierten Fachblatt Nature schlägt er vor, die nötigen Wirtschaftsdaten auf der neuen Internetseite zeean.net zu sammeln.
Durch ein besseres Verständnis von ökonomischen Strömen können Versorgungsnetze stabilisiert und gleichsam klima-intelligent ausgerichtet werden, um unsere Gesellschaft weniger anfällig für die Folgen der globalen Erwärmung zu machen.
Anfällige Knotenpunkte der globalen Versorgungsnetze ermitteln
„Stürme, Fluten oder Dürren an einem Ort können überall auf der Welt weitreichende Konsequenzen haben“, erklärt Levermann. „Die zerstörerische Flut in Thailand 2011 zum Beispiel hatte lokal verheerende Folgen. Sie hatte aber auch globale Konsequenzen – über Monate waren Festplatten für Computer weltweit Mangelware.“ Die Ströme von Material, Kommunikation und Energie, ihre Wechselwirkungen und Marktdynamiken können von Klimaextremen betroffen sein – direkt oder indirekt über Versorgungsketten. „Damit Regierungen und Unternehmen die Riskiken des Klimawandels in ihre Planungen einbeziehen zu können, müssen wir zunächst die anfälligen Knotenpunkte der globalen Versorgungsnetze ermitteln“, sagt Levermann.
Maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit
Die neu gestartete Internetseite zeean.net soll der Beginn einer Netzgemeinschaft für den Aufbau einer Datenbank werden, die ökonomische Netzwerke in bislang noch nie dagewesenem Umfang abbildet. Um die Folgen von Klimaextremen zu untersuchen, sind sehr detaillierte Informationen notwendig. Ähnlich wie in Wikipedia kann auf zeean.net jeder registrierte Nutzer Informationen etwa zu Güterströmen zwischen verschiedenen regionalen Wirtschaftssektoren eingeben. Alle Informationen werden von anderen Nutzern geprüft und bewertet. Ziel ist es, ein System der Selbstkontrolle durch eine Gemeinschaft von Fachkundigen zu schaffen, um einen hohen Grad an Genauigkeit zu gewährleisten. Eine akademische Ausbildung ist nicht Voraussetzung, entscheidend ist die Güte der Datenquellen. Verwendet werden sollen nur öffentlich zugängliche Datenquellen sowie öffentlich zugängliche Algorithmen und Analysewerkzeuge, um eine maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu ermöglichen.
Bislang beschäftigen sich rund um die Welt nur wenige Forschergruppen mit dem Sammeln und Auswerten solcher Daten. Zeean.net baut auf eine Sammlung von Informationen von australischen Wissenschaftlern der Universität Sydney auf, die Daten zu ökonomischen Strömen zwischen 26 Sektoren in 186 Regionen der Welt über die letzten 23 Jahre zusammengetragen haben. Mit jeder neuen Information soll zeean.net genauer und detaillierter werden, während sich für den Benutzer ein Netzwerk entfaltet, das die Verkettung von Versorgungswegen aufzeigt. Und es damit erlaubt, anfällige Verbindungen zu identifizieren. Langfristig sollen die ökonomischen Daten mit globalen und regionalen Klimamodellen verknüpft werden, um Einschätzungen zu möglichen Auswirkungen künftiger Extremereignisse geben zu können.
„Unser wachsendes Wissen über Klimaextreme muss mit zunehmender Kenntnis der Ströme von Gütern, Energie und Informationen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten, kombiniert werden“, sagt Levermann. „Wenn wir diese Informationen öffentlich zugänglich zu machen, könnte das eine Eigendynamik in unseren globalen Versorgungsnetzen anstossen, die am Ende unsere Gesellschaften im Hinblick auf künftige Klimafolgen widerstandsfähiger macht.“ (PIK/mc/pg)