Zürich – Sprachen unterliegen ständigen Veränderungen, auch die Grammatik. Zu Anpassungen führt unter anderem die Art und Weise, wie das Gehirn Sprache verarbeitet. Muss sich das Gehirn bei schwierigen Fallkonstruktionen zu sehr anstrengen, vereinfacht es sie meist über die Zeit. Dies weisen Linguisten der Universität Zürich in einer neuen Studie über Sprachen weltweit nach.
Die Grammatik von Sprachen baut sich fortlaufend um. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Wegfall der Fallendungen beim Übergang vom Latein zum Italienischen. Es kommt zuweilen vor, dass Fallsysteme komplett umgestaltet werden. So etwa beim Übergang vom Sanskrit zum Hindi mit ganz neu entwickelten grammatikalischen Fällen.
Vereinfachungen in allen Sprachen gefunden
Die Forscher eines internationalen Teams unter der Leitung des Linguisten Balthasar Bickel der Universität Zürich haben die Fallsysteme von über 600 Sprachen statistisch analysiert und Veränderungen über die Zeit erfasst. Danach überprüften sie diese festgestellten Anpassungen experimentell. Sie massen bei Probanden die Gehirnströme, welche beim Verstehen von Sprache aktiv werden. Die Wissenschaftler konnten damit nachweisen dass die Gehirnaktivität bei komplexen Fallkonstruktionen stärker ist als bei einfachen.
«Gewisse Fallkonstruktionen fordern das Gehirn mehr, weshalb sie in den Sprachen weltweit im Laufe der Zeit abgebaut werden – und zwar unabhängig von den strukturellen Eigenschaften der Sprache oder von sozialen und historischen Voraussetzungen», erklärt Balthasar Bickel, Professor für allgemeine Sprachwissenschaft der Universität Zürich. Somit sind es auch biologische Prozesse, die zu Veränderungen in der Grammatik beitragen. «Unsere Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen über den Ursprung und die Entwicklung menschlicher Sprache sowie für ein besseres Verständnis von Sprachstörungen.» (Universität Zürich/mc/pg)