Greenpeace findet wieder Giftstoffe in Migros-Kinderjacken
Färberei in Shaoxing. (Foto: Lu Guang / Greenpeace)
Zürich – Neue Labortest-Ergebnisse zeigen gemäss Greenpeace, dass Migros-Kinderjacken der Marke Trevolution alarmierende Mengen an umwelt- und gesundheitsschädlichen Giftstoffen enthalten. Die Schadstoffkonzentrationen übersteigen den gesetzlichen Grenzwert für Spielzeuge und Babyartikel um bis zu 600 Mal. Dies zeigt die heute von Greenpeace veröffentlichte Studie «Schadstoffe in Migros-Kinderjacken». Greenpeace fordert den Orangen Riesen auf, alle gefährlichen Chemikalien sofort aus Produkten und Produktionsketten zu verbannen und am globalen Detox-Lösungsprozess teilzunehmen, der auf eine Entgiftung der globalen Textilindustrie bis spätestens 2020 zielt. Die Migros hält dagegen, man sei mitten in der Umsetzungsphase zu schadstofffreien Textilien.
Laut Bundesamt für Gesundheit hat Migros die gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflicht verletzt (1), weil sie Kinderjacken mit hohen Mengen an gesundheitsgefährdenden Stoffen verkauft. «Migros gilt nach Coop als weltweit nachhaltigster Detailhändler (2), doch die Schadstoffe in den Kinderjacken zeigen, dass Migros ihre Textilproduktion nicht im Griff hat», stellt Mirjam Kopp, Detox-Campaignerin von Greenpeace, fest. Die Umweltorganisation hat in drei Kinderjacken erneut giftige Chemikalien (3) nachgewiesen.
Grenzwerte bei Reissverschlussanhängern massiv überschritten
Schockierend hoch sind insbesondere die Mengen von Giftstoffen, welche in den Reissverschlussanhängern gefunden wurden. Diese überschreiten den gesetzlichen Grenzwert für Spielzeuge und Babyartikel um bis zu 600 Mal (4). Solche Anhänger werden von Kindern gerne in den Mund genommen. Einige der nachgewiesenen Giftstoffe sind hormonaktiv und fortpflanzungsgefährdend (5). Mehrere von ihnen gelten in der Schweizer Chemikalienverordnung als «besonders besorgniserregende Stoffe» und werden europaweit bald ganz verboten sein (6).
Greenpeace will mit Detox-Kampagne Textilindustrie entgiften
Die Chemikalienfunde in den Migros-Kleidern stellen nicht nur für die Konsumenten hierzulande ein Risiko dar, sondern seien auch ein Beleg dafür, dass Giftstoffe bei der Migros-Kleiderproduktion in China absichtlich eingesetzt würden – und dort in unbekannten Mengen die Flüsse verseuchten, schreibt Greenpeace weiter. Dort habe die Verschmutzung dramatische Ausmasse angenommen. Mit ihrer Detox-Kampagne arbeitet Greenpeace daraufhin, die Textilindustrie zu entgiften und damit die Gefährdung von Mensch und Umwelt sowohl in den Produktionsländern als auch in den Konsumländern zu stoppen.
Keine einvernehmliche Lösung
Seit Juni 2012 bemüht sich Greenpeace intensiv darum, mit der Migros eine einvernehmliche Lösung zu finden, damit diese auf einer giftfreie Produktion umstellt. Doch der Grossverteiler hat es bis anhin kategorisch abgelehnt, am globalen Detox-Lösungsprozess teilzunehmen. Als Greenpeace Migros im Februar mit ersten Test-Ergebnissen konfrontierte (7), nahm der Konzern als einzige konkrete Massnahme eine Kinder-Regenjacke aus dem Sortiment. Daraufhin hat Greenpeace nun drei andere Kinderjacken der gleichen Migros-Marke getestet und fand darin Schadstoffwerte, die um einen Faktor 10 höher sind als im ersten getesteten Kleidungsstück.
«Die Haltung der Migros ist umso bedenklicher, weil das Problem der Schadstoffe in der Branche hinlänglich bekannt ist.» hält Mirjam Kopp fest. Mit ihrer internationalen Detox-Kampagne hat Greenpeace in den letzten Monaten zahlreiche Firmen dazu bewegt, die Entgiftung der Textilindustrie und ihrer globalen Zuliefererkette anzugehen. Bis anhin haben 17 Unternehmen – darunter führende Textilmarken- und Detailhändler wie Zara, H&M, C&A, Marks & Spencer und Coop – sich dazu verpflichtet, auf eine giftfreie Produktion umzustellen. Zusammen decken sie US$ 168 Milliarden oder 13 Prozent des globalen Textil-, Bekleidungs- und Schuhwarenmarktes ab.
«Verbesserter Eco-Standard genügt nicht»
Migros weigert sich noch, beim globalen Detox-Lösungsprozess mitzumachen und verweist stattdessen auf ihren Eco-Standard, der 2017 für alle Migros-Textilien gelten soll. Dabei ignoriert der Grossverteiler, dass auch sein verbesserter Eco-Standard nicht genügt. Ein zentraler Mangel ist das Fehlen eines nachvollziehbaren Massnahmenkatalogs mit Zeitplan, insbesondere für die Eliminierung der drei gefährlichsten Chemikaliengruppen. Ausserdem fehlen Angaben darüber, wann und wie viele Migros-Lieferanten ihre Abwasserdaten veröffentlichen sollen sowie grundsätzliche Definitionen zu «Eliminierung», usw. Für Mirjam Kopp ist klar: «Migros soll endlich handeln und bei der globalen Detox-Lösung mitmachen statt Greenwashing zu betreiben.»
Migros: Ökologische und sozialverträgliche Produktion
Die Migros schreibt in einer Stellungnahme, Schadstofffreiheit habe für das Unternehmen oberste Priorität. Daher habe sie versprochen, die Textilien ihrer Eigenmarken bis Ende 2017 ökologisch, sozialverträglich und rückverfolgbar zu produzieren. Der Einsatz von Schadstoffen in der Textilproduktion sei ein ernstes Thema: für die Umwelt wie auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter bei den Produzenten. Seit 1996 verlange die Migros von ihren Lieferanten, dass sie – immer den neuesten Erkenntnissen folgend – auf Schadstoffe in der Produktion zu verzichten haben.
Phthalate (Weichmacher) seien zum Beispiel seit 2012 nicht mehr erlaubt. Ausserdem habe man im Herbst 2012 damit begonnen, PFC (Perfluorierte Chemikalien) schrittweise aus der Produktion zu eliminieren. Die Jacken, welche aktuell im Verkauf sind und auch durch Greenpeace und uns getestet wurden, seien jedoch bereits 2011/2012 produziert worden – also bevor der Entscheid bezüglich dieser Stoffe gefällt wurde. Textilien, welche nach den neuen Herstellungsrichtlinien produziert würden, seien frühestens ab der Saison 2013/14 in den Migros-Filialen erhältlich.
Die Migros sei also mitten in der Umsetzungsphase zu schadstofffreien Textilien. Das heisst, dass im Migros-Sortiment noch Bekleidungsstücke angeboten werden, die vor dem Verbot produziert wurden und in denen einzelne Schadstoffe, wenn gemäss Migros-Angaben auch weit unter dem gesetzlichen Grenzwert, nachgewiesen werden können. Für die Kundinnen und Kunden sei das Tragen dieser Kleidungsstücke jedoch absolut bedenkenlos und in keiner Weise gesundheitsgefährdend. (Greenpeace/Migros/mc/pg)
(1) gemäss Mail-Stellungnahme vom 20.03.2013 von der Abteilung Lebensmittelsicherheit beim BAG
(2) http://1708.seu.cleverreach.com/c/10441211/f01289d1402
(3) Nonylphenolethoxylate (NPE), perfluorierte Chemikalien (PFC) und Phthalate (Weichmacher)
(4) Spezifische Gesetze zu Schadstoffen in Textilien gibt es leider nicht. Doch in Spielzeugen und Babyartikeln, die in den Mund genommen werden können, sind einige Phthalate schon heute bei Konzentrationen über 0,1 Massenprozent verboten: Bis(2-ethylhexyl)- phthalat (kurz: DEHP), Diisodecylphthalat (DiDP), Diisononylphthalat (DiNP), siehe Verordnung des EDI vom 15. August 2012 über die Sicherheit von Spielzeug (Spielzeugverordnung, VSS), SR-Nummer 817.023.11, und Verordnung des EDI vom 23. November 2005 über Gegenstände für den Schleimhaut-, Haut- und Haarkontakt sowie über Kerzen, Streichhölzer, Feuerzeuge und Scherzartikel (Verordnung über Gegenstände für den Humankontakt), SR-Nummer 817.023.41
(5) DEHPs
(6) DEHP und DiBP, siehe BAG-Factsheet Phthalate
(7) http://1708.seu.cleverreach.com/c/10441213/f01289d1402