GRIMALDI & PARTNERS: Aktienanlagen sind trotz Zinswenden zu präferieren
Zürich – Im Moment ist die Anlegerstimmung im Keller. Ist das gerechtfertigt? Wie sieht die realwirtschaftliche Lage aus? Wie sollen sich Anleger positionieren für die kommenden Monate? Silvano Grimaldi, CEO der unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Ihnen Antwort auf diese Fragen.
Aktuelle Lage auf Aktien- und Anleihenmärkten
In der Regel kann ein Anleger mit einer Mischung von Aktien, Anleihen und Märkten versuchen, die eingegangenen Risiken zu verringern, ohne die von einem Portfolio erwartete Rendite zu beeinträchtigen. Damit dies gelingt, müssen Aktien und Anleihen auf den jeweiligen Märkten negativ korreliert sein. In den letzten Monaten sind aber sowohl die Kurse von Aktien als auch von Anleihen gefallen. Anders als bei früheren Aktienmarktkrisen können gegenwärtig weder Staats- noch Unternehmensanleihen mit hoher Bonität die Funktion eines sicheren Hafens übernehmen.
Trotz den bereits erfolgten bzw. sich abzeichnenden Zinswenden ist aufgrund der hohen Verschuldungsquoten dennoch nur von einem langsamen weiteren Anstieg der Anleihen-Renditen auszugehen. Aufgrund der hohen Teuerungsraten bleiben die realen Verzinsungen von Anleihen mit Sicherheit noch längere Zeit negativ. Aktien marktstarker Unternehmen, die trotz hoher Teuerungsraten ihre Margen durchsetzen können, werden deshalb auch in einem solchen Umfeld zu den Gewinnern zählen.
Zu Recht gelten Aktien- und andere Sachwertanlagen in einer Phase niedriger Realzinsen als alternativlos. Bei Aktien ist zwar immer mit temporären Rückschlägen zu rechnen. Die bisherigen Einschätzungen der künftig zu erwartenden Unternehmensgewinne könnten sich als zu optimistisch erweisen. Die noch anhaltenden Lieferkettenprobleme, das Tempo und Ausmass der geldpolitischen Reaktionen auf die hohen Teuerungsraten und die aus den Teuerungsanstiegen resultierenden Einbussen an Kaufkraft der Konsumenten sowie der Krieg in der Ukraine dürften mit einiger Sicherheit in Europa und in den USA zumindest zu konjunkturellen Eintrübungen führen und dadurch die Entwicklung auf den Aktienmärkten u.U. länger negativ beeinflussen. Insbesondere die Folgen der auf eine Ausbreitung des Corona-Virus zurückgehenden Lockdowns in China könnten – zusammen mit den von den bereits eingeleiteten und noch zu erwartenden Zinswenden verursachten Schwierigkeiten vieler Schwellenländer – eine deutlich spürbare Verlangsamung des Wachstums der Weltwirtschaft bewirken.
Obwohl die Renditen von Anleihen einzelner europäischer Unternehmen mit guter Bonität sicherlich in einzelnen Fällen auch noch gewisse Diversifikationsmöglichkeiten offerieren, ermöglichen selektiv ausgewählte Aktien mit regelmässigen Dividendenzahlungen – trotz der grösseren Schwankungen – nach wie vor die höheren Kapitalrenditen.
Aktienanlagen trotz der momentanen Gemengelage
Die sich abzeichnenden Entwicklungen der Teuerungsraten und Leitzinssätze sollten nur den Anlegern Sorgen bereiten, die nicht in Realwerten wie Aktienanlagen investiert sind. Die weniger expansive Geldpolitik der US-Notenbank hat zwar bereits dazu geführt, dass die in der Zukunft erwarteten Unternehmensgewinne mit einem höheren Faktor diskontiert werden müssen. Darunter leiden verständlicherweise insbesondere die Bewertungen der sogenannten Wachstumstitel (Growth-Aktien) und vor allem die an Technologiebörsen – z.B. Nasdaq – gehandelten Werte. Einige dieser Titel haben jedoch in den letzten Jahren die Entwicklung auf den Aktienmärkten ganz wesentlich bestimmt, und dies wird auch in den kommenden Jahren weiter der Fall sein. Ein weitgehender Verzicht auf Technologiewerte zugunsten aktuell gerade im Blickpunkt stehender Titel aus anderen Wirtschaftsbereichen – z.B. Energie, Rohstoffe, Rüstung, usw. – ist für längerfristig orientierte Anleger nicht zu empfehlen. Allerdings sind Aktien von Unternehmen, die bislang operativ noch nicht wirklich erfolgreich waren, und deren Bewertungen allein auf den in der Zukunft erhofften Gewinnen basieren, von einer Straffung der Geldpolitik besonders stark betroffen und sollten deshalb nicht mehr Bestandteil eines Portfolios sein.
Fazit
Die Aktienmärkte haben dieses Jahr vom Höhepunkt bereits bis zu 20% nachgegeben. Diese Reaktion ist auf die gegenwärtige Gemengelage (hohe Inflation, nachlassende Wirtschaftsdynamik, Ukraine-Krieg und die Zero-Covid-Strategie Chinas) zurückzuführen. Noch stützen positive Gewinnerwartungen vieler Unternehmen die Aktienmärkte. Generell sollten deshalb Aktien von marktstarken Unternehmen, die auch in einer Phase steigender Teuerungsraten ihre Preise und ihre Umsätze erhöhen können, bevorzugt werden. Dazu gehören die «Big Players» aus dem Technologiesektor, aber auch dividendenstarke Unternehmen aus dem Energie- und Rohstoffsektor – z.B. Rio Tinto –, aber auch Unternehmen aus dem Nahrungsmittel-, Gesundheits- und Pharmasektor – z.B. Nestle, Roche, Merck & Co, usw. – sowie aus dem Versicherungssektor – z.B. Munich Re, Allianz, Swiss Life, Baloise, usw. Bei Industrien, die von Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Energieträgern und Lieferkettenproblemen besonders betroffen sind – z.B. Teile der Chemie- und Automobilindustrie – ist jedoch mit wenigen Ausnahmen – z.B. Linde, Daimler Truck, Mercedes Benz Group, usw. – Zurückhaltung angesagt. (GRIMALDI & PARTNERS/mc/ps)