Zürich – Die Erholung der Aktienmärkte vom vergangenen März wie auch diejenige von diesem Sommer haben sich beide als reine Bärenmarktrallyes entpuppt. Kürzlich haben die Aktienmärkte ein Kursfeuerwerk angelegt wegen des Rückgangs der US-Konsumentenpreise vom September. Ist das der Anfang einer nachhaltigen Erholung? Sollen Anleger nun vermehrt Aktien kaufen? Silvano Grimaldi, CEO der unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Ihnen Antwort auf diese und weitere Fragen.
Gründe für die bisherigen Aktienmarkterholungen
In der ersten Jahreshälfte 2022 prägten massive Kursrückgänge die Aktienmärkte. Mit Beginn der zweiten Jahreshälfte erholten sich die Kurse jedoch. Wenig überraschend sorgten tiefe Bewertungen, hohe Cash-Bestände und die gegenüber dem Vorjahr – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa – nochmals gestiegenen Aktienrückkäufe zumindest für eine Unterbrechung des Bärenmarktes. Durch Kursanstiege unter Zugzwang geratene Vermögens- und Fondsverwalter mussten danach versuchen, Performance-Rückschläge durch Wiedererhöhungen der Aktienquoten zu korrigieren. Die zuletzt rückläufigen Teuerungsraten in den USA gaben der Sommerrallye dann noch einen zusätzlichen Schub.
Teuerungsanstieg und Wirtschaftswachstum in den USA gebremst
Der Hochpunkt des US-Leitzinssatzes sollte aber bald einmal erreicht sein, da sonst eine Fortsetzung und Verstärkung der konjunkturellen Schwächephase droht. Gegenwärtig gibt es zwar keine sicheren Anzeichen – auch die inverse Zinsstruktur ist kein zuverlässiger Indikator – für eine eigentliche Rezession. Der private Konsum ist nicht eingebrochen und die Beschäftigung nimmt noch zu. Den USA dürfte in diesem Jahr eine sanfte Landung gelingen. Obwohl die Teuerung den Verbrauchern anhaltend Kaufkraft entzieht und den privaten Bau erheblich beeinträchtigt, wird die BIP-Wachstumsrate für 2022 bei ca. einem Prozent liegen und damit niedriger als die auf ca. 2.5 Prozent zu veranschlagende BIP-Wachstumsrate in der Euro-Zone sein.
Geldpolitische Straffung auch in Europa notwendig
Aufgrund einer praktisch weltweiten konjunkturellen Abschwächung stagnieren aktuell viele Rohstoff- und einzelne Energieträgerpreise (z.B. Rohöl, verschiedene Metalle) oder gehen sogar zurück. Aber auch wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die Teuerungsraten in einzelnen Volkswirtschaften der Welt (z.B. in den USA und in der Schweiz) möglicherweise bereits den Höhepunkt überschritten haben, ist nicht von einem raschen Ende der geldpolitischen Straffungskurse auszugehen.
Die den Verbraucherpreisen vorlaufenden Erzeugerpreise werden in der gesamten Euro-Zone weiter ansteigen. Ein sicheres Indiz dafür sind z.B. die in Deutschland und in anderen europäischen Ländern massiv gestiegenen Strompreise. Selbst in den USA dürfte die Teuerung trotz abnehmender Teuerungsraten vorerst hoch bleiben. Vor allem im Euro-Raum wird aber die Teuerung noch länger ein akutes und gravierendes Problem sein, da der schwache Euro die Auswirkungen der importierten Teuerung verstärkt.
Anleihen oder Aktien?
Solange die Teuerungsraten noch nicht auf dem Weg zu den von den Notenbanken angestrebten Teuerungszielen sind, werden die Unsicherheiten an den Zinsmärkten anhalten, die Marktzinsen volatil bleiben und die Anleger sich beim Kauf von Anleihen zurückhalten.
Anleihen mit einem mit Aktien vergleichbaren Rendite-Risiko-Profil sind gegenwärtig praktisch nicht zu finden. Im Gegensatz zu Anleihen können Aktien in einem gewissen Ausmass vor den Folgen der Teuerung schützen (Inflationsschutz). Dazu erhält der Anleger mit dem Kauf von Aktien eine Risikoprämie.
Anleger sollten deshalb Aktien von Unternehmen bevorzugen, die selbst bei einer abkühlenden Konjunktur aufgrund ihrer Preissetzungsmacht – ein Schlüsselfaktor für die Gewinnentwicklung – auch bei einer länger anhaltenden Teuerung noch über Ausschüttungsreserven verfügen. Solche Qualitätsaktien finden sich in allen Sektoren.
Letzten Endes ist für einen langfristigen Anlageerfolg der „Total Shareholder Return (TSR)“ – Kursveränderung seit dem Erwerb einer Aktie und die im Betrachtungszeitraum erhaltenen Dividenden – eine entscheidende Kennzahl.
Eine Preissetzungsmacht haben aber nicht nur grosse Unternehmen. Unter den Small- und Mid-Caps lassen sich auch in der Schweiz nicht wenige weltweit agierende mittelständische und oft inhabergeführte Unternehmen finden (Hidden Champions), die aufgrund ihrer überzeugenden Geschäftsmodelle selbst in gesamtwirtschaftlichen Schwächephasen und bei anhaltenden Teuerungen höchst profitabel bleiben.
Fazit: Aktuelle Lage auf den Aktienmärkten dürfte noch volatil bleiben
Der Beginn einer nachhaltigen Erholung der Aktienkurse ist gegenwärtig noch keinesfalls garantiert. Weitere Rücksetzer der Aktienkurse und das Ende der aktuellen Bärenmarktrallyes können nicht völlig ausgeschlossen werden. Zu gross sind die Unsicherheiten in Bezug auf die Zinsentwicklungen und Konjunkturverläufe. Selbst wenn keine neuen geopolitischen Risiken auftreten, reichen schon einzelne negativ zu interpretierende Informationen aus, um die Anlegerstimmung zu beeinträchtigen und die Erholungstendenz der Kurse auf den Aktienmärkten vorübergehend zu stoppen. Langfristig orientierte Anleger sollten sich davon aber nicht abhalten lassen und die günstige Bewertung zahlreicher Qualitätsaktien zum Kauf nutzen. Wenn immer möglich, sollten sich die Anleger dabei für Investitionen in Aktien mit einem hohen