May präsentiert am Nachmittag Plan B für Brexit-Deal
London / Berlin – Die britische Premierministerin Theresa May will ihre Erklärung zum Plan B für ihr gescheitertes Abkommen über den EU-Austritt an diesem Montag frühestens um 16.30 Uhr (MEZ) präsentieren. Das bestätigte ein Regierungssprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur in London.
Unklar ist, ob die konservative Regierungschefin tatsächlich ein konkretes Konzept vorlegen wird, wie sie ihren Brexit-Deal durchs Parlament bringen will. Als wahrscheinlicher gilt in London, dass May den Abgeordneten eine Art Fahrplan präsentiert.
Grossbritannien will bereits am 29. März aus der Staatengemeinschaft austreten. Das mit der Europäischen Union ausgehandelte Abkommen wurde in der vergangenen Woche im Parlament mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Einem folgenden Misstrauensvotum hielt die Premierministerin jedoch stand.
May hatte nach der Niederlage angekündigt, Gespräche mit Vertretern aller Parteien zu führen. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei hatte ein Treffen mit May jedoch ausgeschlossen, solange sie einen Brexit ohne Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche nicht ausschliesst. May bezeichnete das als unmöglich.
Es gibt jedoch Pläne von Oppositionsabgeordneten und EU-freundlichen Rebellen im Regierungslager, einen Aufschub des Brexit-Datums zu erzwingen, sollte sich ein Austritt ohne Abkommen abzeichnen. Noch am Montag sollen dafür mehrere Änderungsanträge für Mays Beschlussvorlage vorgebracht werden. Abgestimmt werden soll darüber am 29. Januar. Eine weitere Abstimmung über das Brexit-Abkommen wird nicht vor Mitte Februar erwartet.
Umstrittener «Backstop»
Britische Medien spekulierten, May habe aufgegeben, einen Konsens mit der Opposition zu suchen und wolle sich stattdessen darauf konzentrieren, die Brexit-Hardliner in ihrer eigenen Partei und die nordirische-protestantische DUP zu überzeugen. Dafür wolle sie bei der EU um Zugeständnisse hinsichtlich der Backstop genannten Garantie für eine offene Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland werben. Mays Minderheitsregierung ist von den DUP-Stimmen abhängig.
Mit dem EU-Austritt entsteht auf der irischen Insel eine EU-Aussengrenze. Grenzkontrollen wollen alle Seiten vermeiden, um ein Wiederaufbrechen des Konflikts in der ehemaligen Bürgerkriegsregion zu verhindern. Dort kämpften bis zum Karfreitagsabkommen von 1998 drei Jahrzehnte lang Katholiken, die eine Vereinigung mit der Republik im Süden forderten, gegen Protestanten, die zu Grossbritannien gehören wollen. Auch die Polizei und das britische Militär wurden in den Konflikt hineingezogen. Die Bilanz: Mehr als 3600 Tote, fast 50 000 Verletzte, etwa 500 000 Traumatisierte. Es gibt kaum eine Familie in Nordirland, die nicht betroffen ist.
Eine offene Grenze zwischen den beiden Teilen Irlands ist ein elementarer Bestandteil des Friedensabkommens. London besteht aber darauf, mit dem Brexit auch aus der Europäischen Zollunion und dem Binnenmarkt auszutreten. Grenzkontrollen werden damit unausweichlich.
Der Backstop sieht vor, dass ganz Grossbritannien so lange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. Nordirland soll zudem in Teilen im Binnenmarkt bleiben. Brexit-Hardliner halten das für einen Trick, um das Land dauerhaft an die EU zu binden. Die DUP will unbedingt verhindern, dass die Provinz einen rechtlichen Sonderstatus bekommt und damit aus ihrer Sicht näher an eine Vereinigung mit Dublin rückt.
Gespanntes Warten in Brüssel und Berlin
In Brüssel und Berlin wartete man am Montag gespannt auf Mays Lösungsvorschläge. So sagte Bundesaussenminister Heiko Maas am Rande eines EU-Treffens: «Wir müssen jetzt endlich wissen, was man in London will und wofür es eine Mehrheit im Parlament gibt.» Danach könne man mit Grossbritannien darüber reden, wie ein Brexit ohne Abkommen zu verhindern sei. «Denn das wollen ja anscheinend alle.»
Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn schlug vor, sich auf die Option einer Zollunion zu konzentrieren. «Damit könnte man die irische Frage lösen und man könnte auch ein Chaos verhindern am 30. März», sagte er in Brüssel. Ein Austritt Grossbritanniens ohne Abkommen führe unweigerlich dazu, dass es wieder Grenzkontrollen und Zölle gebe. «Das will ja keiner», so Asselborn.
Der Chef der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer, warf May vor, Irland aus der Solidarität der EU-Staaten herausbrechen zu wollen. Er bezog sich dabei Meldungen der britischen Presse, May wolle mit Irland eine bilaterale Regelung zur irisch-nordirischen Grenze aushandeln.
«Für eine Verhandlung braucht es ja zwei», sagte Bütikofer im SWR am Montag. Irland sei aber bis jetzt sehr gut mit der Solidarität der anderen 26 Mitgliedsländer gefahren und dürfte nicht interessiert sein. «Erkennbar ist ja nun das Sinnen und Trachten von Frau May darauf gerichtet, Irland genau aus dieser Solidarität raus zu brechen. Ich halte das nicht für ein besonders aussichtsreiches Unterfangen», sagte Bütikofer. Zudem werde die EU keine bilaterale Regelung von Fragen zulassen, die in ihrer Kompetenz lägen.
Die Gespräche Mays mit den britischen Grünen nannte er enttäuschend. May sei nicht bereit gewesen, sich in entscheidenden Fragen zu bewegen und einen ungeregelten Brexit auszuschliessen.
Neue Verhandlungen über den Austrittsvertrag hält Bütikofer nicht für möglich. Die EU könnte aber dem britischen Unterhaus mehr Zeit geben, um Klarheit zu schaffen. Auf ein «Norwegen-Modell» – Mitgliedschaft im Binnenmarkt samt Beitragszahlungen an Brüssel – würde sich die EU zwar einlassen, doch es gebe keine Mehrheit dafür im britischen Unterhaus. (awp/mc/ps)