Viernutzenmodell: Den Wert von Generika für Arzt und Patient unterstreicht das Viernutzenmodell in der Augenheilkunde. Die dem Originalpräparat ebenbürtigen Medikamente werden durch die vom BAG geplanten Anpassungen der Rückerstattungsmodalitäten per 1. Januar 2024 weiteren Aufwind erhalten.
von Dr. Lucas Schalch, Geschäftsführer Intergenerika
Die Marktanteile von Generika und Biosimilars sind trotz hoher Akzeptanz im Schweizer Volk im europäischen Vergleich noch unterdurchschnittlich. Hierzulande verzeichnen Generika und Biosimilars ein ansehnliches Volumenwachstum von 10.4%. Damit tragen sie in einem Gesamtmedikamentenmarkt, der lediglich um 6.7% wächst, heute schon massgeblich zu Einsparungen im Gesundheitswesen bei. Im internationalen Vergleich ist ihr Marktanteil nach Packungen aller Medikamente der Spezialitätenliste indes mit 31% noch relativ tief, obwohl die Zulassungsbehörde Swissmedic von der Entwicklung bis zur Herstellung dieser Medikamente eine dem Originalpräparat entsprechende Qualität garantiert. Dies trifft auch für die Ophthalmologie zu, wo die Vorzüge dieser patentfreien Qualitätsmedikamente oftmals unterschätzt werden.
Vorteile des Viernutzenmodells
In der augenärztlichen Praxis wirkt sich die Umsetzung des sogenannten Viernutzenmodells direkt positiv auf die Verschreibung von Generika und Biosimilars aus. Das Modell bietet die Voraussetzung für einen Einspareffekt, der aus Patientensicht einen tieferen Selbstbehalt bedeutet. Dies ist umso relevanter, da per 1. Januar 2024 der Selbstbehalt für die Verschreibung eines patentabgelaufenen Originals von 20% auf 40% erhöht werden soll. Innovationen durch Generika – die deutlich neuer sind als die Originale – werden gestärkt; ferner liegt ein Prämieneffekt durch indirekt tiefere Prämien für den Patienten vor. Die Augenheilkunde, ihre Patientinnen und Patienten sowie das gesamte Gesundheitssystem werden letztendlich profitieren.
Generika und Biosimilars nicht gewürdigt
Auch in anderen medizinischen Disziplinen als der Augenheilkunde ist das Potenzial der Generika und Biosimilars noch nicht ausgeschöpft. Es gibt keine Abstriche bei der Qualität und sie sind die moderneren Präparate – die Referenzprodukte wurden vor 10 oder mehr Jahren entwickelt. Seither haben sich die technischen Standards in der Entwicklung und Herstellung teilweise signifikant weiterentwickelt. Unter anderem ermöglichen verbesserte galenische Formen die Vermeidung von Zusatzstoffen wie Konservierungsmitteln. Letzteres erweist sich gerade bei topisch verabreichten Arzneimitteln wie Augensalben oder -tropfen als ein enormer Vorteil. Weshalb ist der Einsatz von Generika und Biosimilars in der Schweiz im internationalen Vergleich trotz der erfüllten hohen Qualitätsstandards unterdurchschnittlich hoch? Recht einfach: Aufgrund des bestehenden Vertriebsmargensystems gibt es Anreize, teurere Medikamente zu verschreiben. Dieser Sachverhalt wird sich in naher Zukunft ändern, wenn wie geplant ab dem 1. Januar 2024 eine einheitliche Vertriebsmarge für wirkstoffgleiche Arzneimittel eingeführt wird – das bedeutet eine preisunabhängige Vertriebsmarge für Originale und Generika bzw. Biosimilars vom gleichen Wirkstoff.
Attraktive augenärztliche Praxis
Damit fällt eine Hürde für die Verschreibung patentfreier Qualitätsarzneimittel weg. In der Ophthalmologie ist dies nicht nur für topische Ophthalmika relevant, sondern auch für die häufigste intraokulare Intervention: die intravitreale VEGF-Inhibition bei neovaskulärer AMD und anderen exsudativen retinalen Gefässerkrankungen wie RVV und DMÖ. Zudem bietet die allgemeine Stimmung bei den Patienten eine gute Voraussetzung für ein Wachstum bei Generika und Biosimilars auch in diesem spezifischen Segment: Gemäss einer unlängst durchgeführten Publikumsumfrage der Firma Sotomo geben über 90% der befragten Schweizerinnen und Schweizer an, dass sie mehr Generika und Biosimilars nachfragen wollen, um gegen die andauernd steigenden Krankenkassenprämien zu wirken. Und so etablieren sich die patentabgelaufenen Arzneimittel auch in der augenärztlichen Praxis nach und nach – sei es bei Glaukom, die Therapie des „Trockenen Auges“ oder AMD.
Bessere Rahmenbedingungen ab 2024
Eine zentrale Voraussetzung dafür ist, dass wie oben erwähnt, endlich auch in der Schweiz die Rahmenbedingungen zur Förderung von Generika und Biosimilars angepasst werden, damit der Anreiz auf Generika oder Biosimilars zu setzen steigt, und nicht mehr automatisch das teurere Originalprodukt abgegeben wird. Diese Rahmenbedingungen beinhalten Anpassungen und Massnahmen für Vertriebsmargen und für den Status von Biosimilars und werden am 1.1.2024 in Kraft treten. Zur Förderung von Generika und Biosimilars setzen sich die zuständigen Tarifpartner für die Einführung einer anreizneutralen Vertriebsmarge bei den Medikamenten (gemäss Mo. SGK-N 20.3936) ein. Apothekerinnen und Apotheker sowie Ärztinnen und Ärzte sollen für Logistikleistungen sachgerecht vergütet werden und nicht in Abhängigkeit von der Höhe der Medikamentenpreise. Das Vertiebsmargensystem wird mit statt aktuell 6 zukünftig nur noch mit 3 Gruppen mit Fixzuschlag und variablem Zuschlag grundlegend angepasst und vereinfacht. Entscheidend für die Behebung des Fehlanreizes ist die fixe Vertriebsmarge für wirkstoffgleiche Arzneimittel. Unterm Strich sollen durch diese Massnahmen Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe erzielt werden.
Fazit: Was die Nutzung von Generika und Biosimilars angeht, sind die Verhältnisse im Bereich der Augenheilkunde ein Abbild des Gesamtmarktes. Trotz ebenbürtiger Qualität und zum Teil bestehenden klaren Anwendungsvorteilen sind die patentfreien Medikamente aufgrund von regulatorischen oder marktbezogenen Hürden noch im Hintertreffen. Die vielen Vorzüge, welche Generika und Biosimilars für den Patienten bringen, wie beispielsweise das Entfallen eines höheren Selbstbehalts, sind somit bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Dabei kann jede Patientin und jeder Patient einen wichtigen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen leisten, indem er kostengünstige Therapiealternativen wählt. Die Einführung einer einheitlichen Vertriebsmarge per 1. Januar 2024 für wirkstoffgleiche Arzneimittel bedeutet ein wichtiger Anreiz zur verstärkten Nutzung der patentfreien Qualitätsarzneimittel. Für die Augenheilkunde gilt: So wie sich das Vier-Augen-Prinzip als Qualitätskontrolle im Geschäftsleben durchgesetzt hat, bringt das Viernutzenprinzip in dieser Generikasparte nachhaltige Vorteile.