Trotz zweitklassiger Windverhältnisse soll im Bündner Oberland ein Windpark entstehen.
Lumbrein – Im Bündner Oberland soll der grösste Windpark der Schweiz entstehen. Trotz Eingriffs in die Landschaft hat er gute Chancen, gebaut zu werden. Den Promotoren ist das Kunststück gelungen, Bevölkerung, Politik, Umweltschutz und Touristiker positiv zu stimmen.
Das junge Unternehmen Altaventa will im Lugnez mit dem 200 Mio CHF teuren Windkraftwerk so viel Energie produzieren, wie alle Haushalte Graubündens verbrauchen. Die 40 bis 60 Windräder würden zwischen Piz Sezner im Skigebiet Obersaxen, Grener-Berg und Alp Cavl zu stehen kommen. Als Partner einsteigen will das Zürcher Energieunternehmen ewz. Während sich im Bündner Rheintal wegen einer einzigen Windturbine Opposition formiert, sind im Oberland Gemeindevertreter, Umweltverbände und Bergbahnen zuversichtlich, einen Kompromiss aushandeln zu können. Das erstaunt – ist doch der einzige gemeinsame Nenner der Glaube an die Notwendigkeit erneuerbarer Energie.
Geschickte Vorgehensweise
Umweltorganisationen sähen die Windräder gern im Skigebiet, die Bergbahnen möglichst weit weg davon, und die Bevölkerung möchte die Räder ausser Sichtweite platzieren – und ohne Betriebsstrassen über gute Weideflächen. Generell sei der Alpenraum als grösste Naturressource Europas für Windpärke kaum geeignet, sagt Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Dass dennoch alle an einer Kompromisslösung mitarbeiten wollen, hat viel mit dem Vorgehen von Altaventa zu tun. Unternehmens-Exponent Andy Imfeld bat schon früh an einen runden Tisch. «Altaventa hat null Berührungsängste. Sie legen alle Karten auf den Tisch», sagt Ernst Sax, Gemeindepräsident von Obersaxen. Hans Schneider, Geschäftsführer von Pro Natura Graubünden, berichtet von einem «offenen Gesprächsklima», und Rodewald spricht von positiven Erfahrungen mit Imfelds partizipativem Vorgehen.
Lob der Landschaftsschützer
Das Altaventa-Projekt sei seriös geplant und breit abgestützt, so der Landschaftsschützer. «Im Jura gibt es Windpark-Initianten, die nicht einmal Schutzgebiete von nationaler Bedeutung respektieren wollen», sagt Rodewald. Er aber pocht darauf, dass auch kantonale Schutzzonen beachtet werden. Bezogen auf die vorherrschenden Winde ist der Standort gemäss Umweltorganisationen zwar nur zweitklassig. Für Pro Natura ist er aber der einzig mögliche im Bündnerland, und das Konzept Windenergie Schweiz des Bundes führt ihn als einen von gerademal zwei geeigneten Windplätzen im Kanton auf. Das Gebiet hat keine stark frequentierten Wanderwege und ist von den Dörfern aus nicht allzu gut einsehbar. Zudem grenzt es an das mittelgrosse Skigebiet, eine vom Menschen bereits beeinflusste Zone. Positiv gewertet wird, dass eher niedrige Anlagen vorgesehen sind. Und es scheint möglich, den Schutzgebieten auszuweichen.
Vertrauensbasis geschaffen
«Wir haben eine Vertrauensbasis geschaffen, weil wir alle sehr früh eingebunden haben», sagt der Walliser Kaufmann und ehemalige Biobauer Imfeld: «Mit Halbwahrheiten haben wir nie etwas schöngeredet.» Das Projekt entwickle man gemeinsam mit den Interessengruppen. Damit diese sich ein Bild machen können, hat Altaventa mit Fotomontagen die Sichtbarkeit der Windrotoren aus anliegenden Gemeinden simuliert. Jetzt haben die Promotoren alle Gruppen in den Park Juvent am jurassischen Mont-Crosin mit seinen 16 Windrädern eingeladen, den grössten Windpark der Schweiz. Altaventa hat den Goodwill der Beteiligten gewonnen. Er geht so weit, dass die Bergbahnen in Obersaxen bereit sind, sich Windräder ins Gebiet stellen zu lassen – an einer optisch nicht allzu exponierten Lage.
Skigebiet hat vom Windpark gar nichts
Während Umweltschützer saubere Energie bekommen und die Region von Millionen-Investitionen, Pachtzinsen und Arbeitsplätzen profitiert, hat das Skigebiet vom Windpark gar nichts. «Die Anlagen werden die Aussicht nicht attraktiver machen», sagt Bergbahnchef Josef Brunner. An einen Imagegewinn glaubt er nicht. «Green Tech»-Tourismus, wie ihn der jurassische Windpark kennt, ist für Brunner uninteressant. Das Jahrestotal der Juvent-Besucher verzeichne das Skigebiet in einer einzigen Winterwoche. Und für ein umweltfreundliches Image könne er den Ökostrom auch einkaufen. «Aber ja, auch wir wollen saubere Energie unterstützen», erklärt der Bergbahnchef. Wie es am Piz Sezner weitergeht, hängt von zusätzlichen Windmessungen ab. Erst danach wird klar, wo die einzelnen Windräder idealerweise stehen sollten. Dann wird der Standort-Jass richtig losgehen. (awp/mc/ps)