Bern – Die 20 grössten Schweizer Unternehmen erhalten in einer neuen Studie gute Noten für ihre Korruptionsbekämpfung. Trotzdem fordern die Anlagestiftung Ethos und die Antikorruptions-Organisation Transparency International Schweiz strengere Regeln. Freiwillige Massnahmen genügten nicht.
Korruption hat nicht nur negative gesellschaftliche Auswirkungen, sondern schadet auch den involvierten Unternehmen. Neben den finanziellen Einbussen kratzen Bestechungsskandale vor allem am Ruf einer Firma. Das haben gemäss einer am Freitag publizierten Studie von Ethos und Transparency International Schweiz auch die 20 grössten an der Schweizer Börse SIX kotierten Unternehmen erkannt.
Gutes Zeugnis
Der Bericht stellt den SMI-Konzernen insgesamt ein gutes Zeugnis aus, was die Bekämpfung der Korruption angeht. «Die Gesellschaften sind gewappnet, um potenzielle Korruptionsfälle aufzudecken, in den Griff zu bekommen oder zu verhindern», heisst es in der Studie.
Auch würden im Einklang mit der schweizerischen Gesetzgebung alle untersuchten Unternehmen über Strategien gegen die Korruption im öffentlichen Bereich verfügen, heisst es weiter. Die Massnahmen seien meist transparent im Internet aufgeführt und würden von den Führungsinstanzen getragen.
Problem Privatkorruption
Handlungsbedarf orten die Studienverfasser indes bei der Korruption unter Privaten. Diese ist in der schweizerischen Gesetzgebung nicht speziell geregelt. Und genau dort zeigen sich gemäss der Erhebung grosse Unterschiede, wie die Firmen das Problem bekämpfen. «Ein Hinweis auf die Grenzen der Selbstregulierung», wie die Studienverfasser feststellen.
Verbot von Gefälligkeitszahlungen
Dabei geht es insbesondere um Bestechungshandlungen zwischen privaten Akteuren, Gefälligkeitszahlungen und politische Spenden. Zum Beispiel untersagen nur fünf der zwanzig grössten Schweizer Konzerne jegliche Gefälligkeitszahlungen. Der Elektrotechnikkonzern ABB, der Pharmariese Novartis, die Ölbohrfirma Transocean und die Grossbank UBS etwa informieren ausdrücklich und öffentlich über das Verbot von Gefälligkeitszahlungen.
Hier müssten auch die anderen Firmen heute höhere Ziele verfolgen und Gefälligkeitszahlungen ausdrücklich verbieten, «sind diese doch in der Regel nichts anderes als Bestechungsgelder», fordert der Bericht. Die Organisationen hinter der Studie sprechen sich deshalb klar für ein strengeres schweizerisches Gesetz aus. «Nur so werden Unternehmen geeignete Massnahmen zur wirksamen Bekämpfung aller Korruptionsformen ergreifen.»
International ist dies zum Teil bereits geschehen. Das US-amerikanische sowie das britische Recht kennen bereits strengere Regeln bei der Bekämpfung der Privatkorruption. Dies führte in der Schweiz dazu, dass international stark vernetzte Unternehmen meist «freiwillig» höhere Standards festgelegt haben.
Auch Firmen wollen Klarheit
Eine Verschärfung der schweizerischen Gesetzgebung im Bereich der Korruptionsbekämpfung wünschten sich heute nicht nur Investoren, die mehr Transparenz und Sicherheit forderten, sondern auch die Unternehmen selbst, heisst es im Bericht abschliessend. Sie würden sich davon einheitliche und gerechte Spielregeln für alle Akteure der Weltwirtschaft versprechen.
Schweizer Unternehmen bauen Alarmsysteme für Whistleblower auf
Das Misstrauen gegenüber Whistleblowern, also Mitarbeitern, die bei Betrug oder Betrugsverdacht Alarm schlagen, ist in der Schweiz noch immer gross. Doch der Wind dreht: Immer mehr Unternehmen garantieren ihren Schutz und bauen neue Whistleblower-Alarmsysteme auf.
Viele der grossen Schweizer Firmen seien zur Einsicht gelangt, dass ein Missbrauchs- oder Betrugsfall auf diese Weise schnell und – vor allem – intern abgewickelt werden könne, heisst es in der Studie. Von den 20 im SMI gelisteten Unternehmen garantieren gemäss der Erhebung 17 den Schutz von Whistleblowern, sofern sie in Treu und Glauben handeln. 15 davon nehmen auch anonyme Warnungen entgegen. 12 Unternehmen bieten zudem mehrere Alarmierungswege an.
Der Agrarchemiekonzern Syngenta etwa hält in einem Kodex fest, keinerlei Repressalien gegenüber Mitarbeitenden zuzulassen, die auf Verstösse aufmerksam gemacht haben. Der Pharmariese Novartis hat eine Anlaufstelle geschaffen. Der Personalvermittler Adecco arbeitet mit einer externen Firma zusammen, die eingehende Warnungen sammelt und den Verantwortlichen mitteilt.
Keine verbindlichen Regeln
Die Studie hält aber auch fest, dass nur zwölf der analysierten Unternehmen ihre Angestellten verpflichten, Missstände auch wirklich zu melden. Ausserdem ermutige kein Konzern Mitarbeitende mittels einer Belohnung, diesen Schritt zu wagen. «Sie befürchten negative Auswirkungen, vor allem in Form ungerechter Anschuldigungen», schreiben die Studienverfasser.
In der Privatwirtschaft gibt es, im Gegensatz zum öffentlichen Sektor, noch keine verbindliche Regeln, was zu sehr unterschiedlichen Praktiken innerhalb der Unternehmen führe. Gegenwärtig ist eine Teilrevision des Obligationenrechts in der Vernehmlassung, mit der ein besserer Kündigungsschutz für Whistleblower erreicht werden soll.
Es sei wünschenswert, einen verbindlichen Rahmen zu schaffen, da der Aufbau eines Systems zur Aufdeckung von Korruptionsfällen ein zentrales Element eines guten Antikorruptionsprogramms darstelle, heisst es im Bericht abschliessend. (awp/mc/pg)