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Zürich – Neuroökonomen der Universität Zürich haben eine spezifische Hirnregion lokalisiert, die die Einhaltung sozialer Normen steuert. Sie entdeckten, dass die Befolgung sozialer Normen vom Wissen über die Norm unabhängig ist und durch Gehirnstimulation verbessert werden kann.
Wie steuert das menschliche Gehirn die Einhaltung sozialer Normen? Die biologischen Mechanismen, die der Befolgung von Normen zugrunde liegen, sind noch wenig erforscht. Christian Ruff, Giuseppe Ugazio und Ernst Fehr von der Universität Zürich zeigen in ihrer neuen Studie, dass der laterale präfrontale Kortex bei der Befolgung von Normen zentral ist.
Präfrontaler Kortex prägt Normverhalten
Für die Studie nahmen 63 Probanden an einem Experiment teil, bei dem sie Geld erhielten und gebeten wurden, sich zu entscheiden, wie viel davon sie mit einem anonymen Partner teilen wollten. Eine geltende Fairnessnorm in westlichen Kulturen schreibt vor, dass das Geld zwischen beiden Spielern gleichmässig aufgeteilt werden sollte. Dies steht jedoch im Gegensatz zum Eigeninteresse der Teilnehmer, so viel Geld wie möglich selbst zu behalten. Bei einem weiteren Versuch standen die Probanden vor der identischen Entscheidung, wussten aber im Voraus, dass sie vom Partner für einen unfairen Vorschlag bestraft werden konnten.
Die Wissenschaftler erhöhten oder reduzierten während des Experiments die Aktivität der Nervenzellen an der Stirnseite des Gehirns, im rechten lateralen präfrontalen Kortex. Dazu verwendeten sie die sogenannte transkranielle Gleichstromstimulation, mit der die Erregbarkeit einzelner Gehirnregionen über schwache elektrische Ströme schmerzfrei beeinflusst werden kann. Christian Ruff, Professor für Neuroökonomie an der Universität Zürich, dazu: «Wir entdeckten, dass die Befolgung der Fairnessnorm direkt durch die neuronale Stimulierung im präfrontalen Kortex beeinflusst werden konnte, sowohl für freiwillige Normbefolgung als auch wenn Strafe für Normverletzung angedroht wurde.»
Hirnstimulation beeinflusst Normverhalten
Wurde bei den Teilnehmenden die neuronale Aktivität in dieser Gehirnstruktur gesteigert, folgten sie der Fairnessnorm stärker, wenn eine Sanktion drohte; die freiwillige Einhaltung der Fairnessnorm – wenn keine Sanktionen möglich waren – sank aber. Wurde hingegen die neuronale Aktivität verringert, hielten die Teilnehmer die Fairnessnorm stärker freiwillig ein, die Einhaltung der Norm aufgrund befürchteter Sanktionen war aber weniger stark. Darüber hinaus beeinflusste die neuronale Stimulierung zwar das Verhalten der Teilnehmenden, aber sie beeinflusste nicht deren Wahrnehmung der Fairnessnorm. Sie veränderte auch nicht die Erwartung der Teilnehmenden darüber, ob und wie stark sie für Verletzungen der Norm bestraft würden.
Kommunikation
«Wir haben herausgefunden, dass der Gehirnmechanismus, der für die Einhaltung sozialer Normen verantwortlich ist, von den Prozessen getrennt ist, die Wissen und Glauben über die soziale Norm darstellen», sagt Ernst Fehr, Leiter des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich. «Dies kann wichtige Auswirkungen für das Rechtssystem haben, da die Fähigkeit richtig von falsch zu unterscheiden, vermutlich für die Fähigkeit soziale Normen einzuhalten nicht ausreicht.» Christian Ruff ergänzt: «Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein sozial und evolutionär wichtiger Aspekt des menschlichen Verhaltens von einem spezifischen neuronalen Mechanismus abhängt, der durch Gehirnstimulation sowohl verstärkt als auch abgeschwächt werden kann.» (Universität Zürich/mc/ps)
Literatur:
Christian C. Ruff, Giuseppe Ugazio und Ernst Fehr. Changing Social Norm Compliance With Noninvasive Brain Stimulation. Science. Oktober 3, 2013.