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Berlin – Patienten mit Übergewicht oder Fettleibigkeit sterben nach einem Schlaganfall seltener und tragen weniger Behinderungen davon als Idealgewichtige. Das zeigt eine neue Studie, die in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt wurde. Dieser scheinbar widersprüchliche Zusammenhang, auch Obesity Paradox genannt, wurde in der Vergangenheit bereits bei anderen chronischen Erkrankungen, wie zum Beispiel bei Herzinsuffizienz, beobachtet. Die nun veröffentlichte Studie belegt zum ersten Mal, dass der Obesity Paradox bei Schlaganfall ebenfalls zutrifft.
Die Wissenschaftler haben in ihrer Studie den Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und den Folgen eines Schlaganfalls untersucht. Dabei haben sie herausgefunden, dass übergewichtige Menschen einen Schlaganfall eher überleben, weniger Behinderungen davontragen und seltener pflegebedürftig werden als Normalgewichtige. Zwar ist das Risiko, einen ersten Schlaganfall zu erleiden, für übergewichtige Menschen höher als für Normalgewichtige. Jedoch ist für übergewichtige Patienten, die bereits einen Schlaganfall hatten, das Risiko eines weiteren Schlaganfalls keineswegs höher.
Behandlungsleitlinien sehen Gewichtsreduzierung vor
Prof. Wolfram Döhner vom Centrum für Schlaganfallforschung Berlin an der Charité ist Erstautor der Studie. Er sagt: „Die Erkenntnis ist für Patienten mit Schlaganfall neu. Die Behandlungsleitlinien für Schlaganfälle in Deutschland, in Europa und in den USA empfehlen bisher alle eine Gewichtsreduzierung nach einem ersten Schlaganfall, sofern Übergewicht oder Fettleibigkeit besteht. Diese Empfehlungen stützen sich aber auf Expertenmeinungen basierend lediglich auf Erkenntnissen aus der Primärprävention, da tatsächliche Daten dazu bisher fehlen.“
Untergewichtige Menschen von Schlaganfall am stärksten betroffen
Der aktuellen Studie nach sind Menschen mit Untergewicht am schwersten von einem Schlaganfall betroffen. Im Vergleich zu Menschen mit vermeintlichem Idealgewicht ist das Risiko, an einem Schlaganfall zu sterben, bei Übergewichtigen dagegen um 14 Prozent verringert. Bei fettleibigen Patientinnen sinkt das Sterblichkeitsrisiko um 24 bis 45 Prozent.
Die Ergebnisse der Studie sehen die Forscher im scharfen Kontrast zu der landläufigen Empfehlung für Patientinnen und Patienten, nach einem ersten Schlaganfall abzunehmen. Die Erkenntnis, die aus der Forschungsarbeit gezogen werden kann, „widerstrebt nur unserem eingehämmerten Mantra des Schlankseins als universellem Gesundheitsgaranten“, sagt Prof. Döhner. „Bei Patienten mit bereits bestehenden Erkrankungen sollte das Gewichtsmanagement aber anders bewertet werden.“
In der Studie wurden die Daten von 1.521 Patienten einer multizentrischen Schlaganfallstudie aus den Jahren 2003 bis 2005 ausgewertet. Als normalgewichtig gilt nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation jeder mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 18,5 und 25. (Charité/mc/pg)