Basel – Ferda Canbaz entwickelt Laser für hochpräzise Schneidarbeiten. Dabei geht hin und wieder auch etwas kaputt. Das weckt ihren Ehrgeiz aber umso mehr. Ihre Forschung konzentrierte sich bisher auf die Entwicklung ultraschneller Laser – nun kann sie als Teil des MIRACLE-Teams die Chirurgie revolutionieren.
Ferda Canbaz arbeitet mit Explosionen: Mikroexplosionen, die mit einem Laser auf Knochen ausgelöst werden. Eigentlich hat Canbaz nicht zum Ziel, Dinge komplett zu verbrennen, sondern sie zu schneiden: Sie arbeitet als Postdoc im MIRACLE-Projekt. MIRACLE steht für «Minimally Invasive Robot-Assisted Computer-guided LaserosteotomE». Das Team entwickelt Laser, die Knochen so präzise schneiden können, dass ein individuell angefertigtes Implantat nahtlos eingesetzt werden kann. Gesteuert werden sie von einem Computer.
Diese Art von Arbeit hat ihren Preis: Wegen der hohen Energie der Laser kann alles in Brand geraten – und ist es auch schon mehrmals. Das ist das Berufsrisiko.
Sie will nicht nur spielen
Ihre Faszination für Laser entdeckte Canbaz bereits während ihres Physik-Studiums. Für ihre Dissertation fand die heute 34-Jährige eine Gruppe, in der sie sich nur mit Lasern beschäftigen konnte. «Wir haben faszinierende Laser gebaut, die wir dann für nichts eingesetzt haben. Ich wollte aber an einer praktischen Anwendung arbeiten.»
Genau das will auch das MIRACLE-Projekt: Innerhalb dieses Projekts entwickeln Canbaz und das BLOG-Team (Biomedical Laser and Optics Group) Laser, die tief genug in den Knochen schneiden können, um Teile zu entfernen, und dabei möglichst klein sind. «Das macht uns gerade ziemlich fertig», erklärt sie mit einem breiten Lachen. Denn so kleine Laser sind eine grosse Herausforderung. Die Teammitglieder müssen vieles ausprobieren und selber anpassen.
Ja nicht arrogant wirken
Canbaz spricht mit absoluter Begeisterung von ihrer Arbeit und relativiert Rückschläge mit einem Lachen. Um ihre Zukunft macht sie sich keine Sorgen: Nachdem sie zu Beginn des Jahres die Leitung der BLOG-Gruppe übernommen hatte, läuft ihr Vertrag bei MIRACLE Ende 2022 aus. Gleichzeitig arbeitet sie an einem eigenen Projekt, das von der Medizinischen Fakultät finanziert wird.
Canbaz hat bis dahin aber mehrere Eisen im Feuer: Sie hat sich für ein SNF Ambizione-Projekt beworben und sollte in den nächsten Wochen Bescheid erhalten, ob ihr Projekt finanziert wird. Und sie kann noch für eine Weile beim MIRACLE-Projekt arbeiten. «Ich habe noch viel zu tun», sagt sie kämpferisch. Ein anderer Weg ist, sich für eine Professorinnenstelle zu bewerben.
Dabei fällt es ihr gar nicht so leicht, über diese Bewerbung zu sprechen. Schliesslich könnte man ja den Eindruck bekommen, sie sei arrogant. «Es ist typisch: Frauen verkaufen sich gern unter ihrem Wert», sagt sie selbstkritisch. Und trotzdem schafft auch sie es nicht zu sagen, dass sie gut ist. «Es spielte auch viel Glück eine Rolle», sagt sie schnell, wenn man sie auf ihre akademischen Erfolge anspricht.
Eine glückliche Ablehnung
Eigentlich wollte Canbaz nach der Schule Medizin studieren, schaffte aber die Numerus Clausus-Hürde nicht. Ihre zweite Wahl fiel auf das Physikstudium. «Es musste so kommen. Mit diesem Studium wurde ich richtig glücklich», sagt sie rückblickend. Canbaz studierte in Istanbul und wurde auch dort promoviert. Danach suchte sie nach einer interessanten Stelle mit einem Laserschwerpunkt – und fand MIRACLE.
Ihre ersten drei Jahre in der Schweiz lebte sie in Basel, danach zog es sie nach Zürich. «Zürich ist wuseliger als Basel, da ähnelt es mehr Istanbul. Das mag ich», sagt sie. Heimweh hat Canbaz nicht: «Als ich 14 Jahre alt war, habe ich meine Familie für die Schule verlassen. Ich bin mir gewohnt, weit weg von ihr zu sein», sagt sie. Ausserdem fliegt zweimal täglich ein Flugzeug nach Istanbul. «Ich bin eigentlich gar nicht weit weg.» Während Corona sei das anders gewesen: Plötzlich nicht mehr die Möglichkeit zu haben, die Familie zu sehen, selbst wenn jemand krank ist, war sehr schwierig für sie. «Dank Videoanrufen haben wir die Zeit aber gut überstanden.»
Wie ein Kind, das mit Lego spielt
Im Alltag pendelt Canbaz zwischen Zürich und Basel, in ihrem Job zwischen Experimenten und Management-Aufgaben. Auch die Lehre gehört zu ihrem Profil als Gruppenleiterin. «Davor hatte ich am meisten Respekt», sagt sie. «Ich habe jedes Wochenende durchgearbeitet, um die Lektionen vorzubereiten. Aber es hat wahnsinnig Spass gemacht.» Die Rückmeldungen nach dem Frühjahrsemester seien gut gewesen.
Über Spass spricht Canbaz überhaupt viel, wenn es um ihre Arbeit geht: «Ich bin wie ein Kind, das mit Lego spielt. Bevor ich ins Labor gehe, muss ich viel Denkarbeit leisten und rechnen. Wenn ich mit dem Experiment starte, ist es ein Spiel, das ich spielen und gewinnen möchte.» Es geht darum, die richtigen Bauteile zu finden und zusammenzusetzen – nur dass bei ihr am Ende ein Laserstrahl rauskommt, der alles Mögliche verbrennt.
Neben dem Schneid-Laser braucht es auch einen Scan-Laser: «Der Laser an sich ist dumm und weiss nicht, was er schneidet. Wir müssen ihn intelligent machen.» Deshalb scannt der zweite Laser das Gewebe, unter dem der erste Laser schneidet, und bildet das Gewebe ab wie ein Ultraschall. So kann der Roboter mit einem Algorithmus lernen, wo er schneiden soll und wann er damit aufhören muss. Dann ist es wie ein intelligentes Lichtschwert, das Knochen zerschneidet.
Bis die Laser genug klein und leistungsstark sind, liegt noch ein weiter Weg vor Canbaz und ihrem Team. Um ihre Prototypen zu testen, brauchen sie viele Knochen. Die holen sie sich im Supermarkt: «Wir kaufen Schweinefleisch am Knochen. Manchmal experimentieren wir am ganzen Stück, manchmal schneiden wir das Fleisch weg und kratzen das Knochenmark heraus – so haben wir immer möglichst frisches Material.»
Diese frischen Proben werden verwendet, um zu testen, wie das Gewebe auf den Laser reagiert. Die ganzen Fleischstücke zeigen dem Laser, wie verschiedene Gewebe (Muskeln, Fett oder Knochen) aussehen. Das ist wichtig für ein Gerät, das dereinst in Operationen eingesetzt und menschliche Knochen submillimetergenau schneiden soll.
Mittelaltermärkte und Science-Fiction als Hobby
Canbaz bezeichnet sich selbst unumwunden als Nerd. Wenn sie nicht arbeitet, macht sie Yoga, fährt Fahrrad, wandert und besucht auch mal einen Mittelaltermarkt, zu dem sie sich auch verkleidet. Oder schaut Science-Fiction Filme und -Serien. «Ich mag viele, aber einige, die mir sofort einfallen, sind Star Wars, Westworld, Fringe, Arrival.»
Canbaz hat aber noch genug zu tun: Wenn sie das Geld vom SNF erhält, kann sie für vier weitere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität tätig sein. Oder sie bleibt bei MIRACLE. «Ich habe nie in die Zukunft geplant» sagt sie mit einem Schmunzeln. «Bisher habe ich die richtigen Entscheidungen gefällt und hatte auch Glück – es hat mich immer an die richtigen Orte verschlagen.» Möge die Macht mit ihr sein. (Universität Basel/mc/ps)
Im Fokus: die Sommerserie der Universität Basel
Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir insgesamt sieben Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.