Basel – Jacqui Cho hat mehrere Jahre lang in Konfliktgebieten gearbeitet. Nun erforscht sie in ihrer Dissertation bei swisspeace, wie die Menschen in Konfliktgebieten ausländische Vermittlungsbemühungen wahrnehmen.
Für Jacqui Cho ist klar: Wenn sie ihre Dissertation abgeschlossen hat, möchte sie das Erforschte konkret anwenden. «Ich bin sehr offen für das, was danach kommt. Aber ich würde wirklich gerne etwas Konkreteres und Greifbareres machen. Etwas, das mehr Interaktion mit Menschen beinhaltet, die von den Konflikten betroffen sind, die ich erforscht habe.»
Nach drei Jahren Schreibtischarbeit möchte die Doktorandin wieder in die Praxis zurückkehren und mehr mit den Menschen zu tun haben, die von Gewalt betroffen sind. Vor ihrer Promotion arbeitete sie für die UNO und humanitäre Nichtregierungsorganisationen, unter anderem in Kenia, Äthiopien, Sudan und Griechenland. Orte, die näher an Konflikten und deren verheerenden Auswirkungen waren.
In den letzten Jahren hat sich die in Korea geborene Akademikerin auf theoretischer Ebene mit einem Konflikt und seiner Lösung beschäftigt. In ihrer Dissertation untersucht Cho, wie die Menschen die diplomatische Rolle der Schweiz in der anglophonen Krise in Kamerun, auch bekannt als «Ambazonia-Konflikt», wahrnehmen und interpretieren. Zwischen 2019 und 2022 versuchte die Schweiz, Gespräche zwischen den englischsprachigen Separatisten und der französischsprachigen Zentralregierung zu vermitteln.
Die weitgehend unbesungene Rolle der Schweiz als Vermittlerin
Cho reiste dreimal nach Kamerun und interviewte Mitglieder verschiedener Interessengruppen, wobei sie ihr internationales Netzwerk optimal nutzte. «Die Positionierung spielte bei meinen Recherchen eine grosse Rolle. Es ist ein Unterschied, ob ich als Forscherin an einer Schweizer Universität die Rolle der Schweiz untersuche oder als Asiatin, die nach dem Konflikt fragt», sagt sie. In ihren Interviews sprach sie zwar offen über ihre Zugehörigkeit zu einer Schweizer Universität, aber sie verzichtete bewusst darauf, speziell nach der Schweiz zu fragen. «Wenn ich nicht darauf zu sprechen kam, erwähnten nur wenige Kameruner die Schweiz und ihre Rolle als Vermittlerin zuerst», sagt Cho. «Das zeigt mir, dass es der Schweiz nicht wirklich gelungen ist, ihren vollen Einfluss geltend zu machen, so sehr sie sich das auch erhofft hatte.»
Obwohl Cho ihre Dissertation noch nicht abgeschlossen hat, kann sie bereits einige Interpretationen zu ihren Ergebnissen geben. «Die Durchführung von Mediationen während der Covid-19-Krise war sicherlich nachteilig. Zusammen mit den politischen Empfindlichkeiten im Zusammenhang mit der anglophonen Krise bedeutete dies, dass nur wenige hochrangige Schweizer Diplomaten genügend Zeit in Kamerun verbringen konnten, um ausreichend starke Beziehungen zu den verschiedenen Seiten des Konflikts aufzubauen.»
Auch habe es kein schriftliches Abkommen zwischen dem kamerunischen Präsidenten Paul Biya und dem Schweizer Departement für auswärtige Angelegenheiten gegeben. «Dies schürte das Misstrauen gegenüber dem Schweizer Prozess. Einige hochrangige Personen in der kamerunischen Regierung erkannten nicht einmal die offizielle Rolle der Schweiz an», sagt Cho.
Man muss dabei sein
Für die ehemalige UNO-Beauftragte für humanitäre Angelegenheiten war der Wechsel zurück in die Wissenschaft kein allzu grosser Schritt. «Während meiner Zeit bei der UNO habe ich zahlreiche Berichte verfasst und viel mit Kolleg*innen darüber diskutiert, wie wir unsere Botschaften so gestalten und kommunizieren können, dass sie die Realität am besten widerspiegeln und die Menschen, die wir unterstützen wollen, respektieren. Das ist meinem Dissertations-Alltag sehr ähnlich», sagt sie.
Jacqui Cho vermisst es, näher an dem Kontext zu sein, den sie erforscht: «Ich habe die Arbeit an meiner Dissertation wirklich genossen. Aber ich vermisse einfach die tiefere Verbindung zu den Menschen, über die ich spreche und schreibe. Ich glaube nicht, dass ich die Konflikte voll und ganz verstehen kann, wenn ich nicht selbst vor Ort bin. Wahrscheinlich werde ich nie aufhören, als Aussenseiterin gesehen zu werden, aber es hat immer noch etwas für sich, Teil des täglichen Rhythmus an einem Ort zu sein.» Wie tiefgreifend diese Erfahrungen sein können, erlebte Cho im griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos. Sie arbeitete dort als Freiwillige in den Semesterferien ihres Bachelorstudiums in Cambridge.
Ungleiche Behandlung im Flüchtlingslager
Dort wurde ihr Interesse für den afrikanischen Kontinent geweckt. «Ich war zum ersten Mal in Moria auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/2016. Ich hatte erwartet, Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak zu treffen. Tatsächlich gab es aber auch viele Afrikaner*innen, die auf der Flucht waren. Die Bearbeitung ihrer Asylanträge dauerte viel länger und hatte weniger Aussicht auf Erfolg als die von Menschen aus dem Nahen Osten. Dort wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie ungerecht sowohl die weltweite Medienberichterstattung als auch das Asylsystem sind.»
Nach ihrem Einsatz kehrte Cho nach Cambridge zurück und studierte Afrikanistik, um mehr über die Geschichte und Politik des Kontinents zu erfahren. Nach ihrem Abschluss war es ein Zufall – ein Geschenk, das aus dem Nichts kam, wie sie sagt –, der sie zu den Vereinten Nationen brachte. «Ich hatte meinen Lebenslauf während meines Studiums auf eine UN-Plattform hochgeladen. Etwa ein Jahr später meldete sich das Einstellungsbüro in Bonn aus heiterem Himmel bei mir und sagte: Wir denken, dass Ihr Profil zu dieser Stelle in Kenia passen würde. Möchten Sie sich als Kandidatin vorschlagen lassen? Ein paar Wochen später hatte ich das Vorstellungsgespräch und bekam die Stelle angeboten. Von da an beeilte ich mich, meine Masterarbeit, an der ich zu der Zeit in Korea arbeitete, zu beenden, flog nach Grossbritannien, um meine Sachen zu packen, und innerhalb eines Monats war ich in Nairobi.»
Trotz ihres akademischen Hintergrunds und ihrer Erfahrungen in Afrika ist Cho nicht sicher, wohin ihre nächste Aufgabe sie führen wird. «Ich bin gerne in Afrika, aber ich kann mir vorstellen, überall zu leben, solange ich die Arbeit sinnvoll finde», sagt sie. Seit ihrer Kindheit ist sie an den Wechsel der Kulturen gewöhnt. Nachdem sie die ersten elf Jahre ihres Lebens in Korea verbracht hatte, zog sie für ein Jahr nach Kanada und dann nach England. Nach Abschluss ihrer Promotion in Basel plant sie, in die USA zu ziehen, um mit ihrem Verlobten zusammenzuleben, der seine medizinische Ausbildung abschliesst. «Wir hoffen, dass wir langfristig besser gerüstet sind, um näher an der Praxis zu arbeiten – wo auch immer das sein mag.» (Universität Basel/mc/ps)
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Das Format Im Fokus rückt junge Forschende in den Mittelpunkt, die zum internationalen Renommee der Universität beitragen. In den kommenden Wochen stellen wir Akademiker*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen vor, die stellvertretend für die über 3000 Doktorierenden und Postdocs der Universität Basel stehen.