Individuelle «Namen» ermöglichen Delfinen komplexe Beziehungen
Zürich – Als einzige Tierart behalten männliche Tümmler ihre individuellen «Namen». Ähnlich wie wir Menschen können sie sich damit besser in den komplexen sozialen Netzwerken, in denen Delfine leben, zurechtfinden. Dies fanden Forschende der Universitäten Zürich und Western Australia heraus.
Delfine bilden sehr stabile Allianzen und unterstützen sich gegenseitig. Delfine sind intelligente Wesen, kommunizieren mit hochfrequenten Pfeiflauten und sind zu starken Beziehungen fähig. Männliche Tümmler gehen innerhalb ihrer Population komplexe mehrstufige Allianzen ein, die von der intensiven, lebenslangen Freundschaft bis zur losen Interessensgemeinschaft reichen können. So spannen etwa zwei bis drei Männchen in der Paarungszeit sehr eng zusammen, um ein Weibchen monatelang von der Gruppe abzusondern, sich mit ihr zu verpaaren, gegen Rivalen zu verteidigen oder auch Weibchen von anderen Gruppen zu «stehlen».
Aufnahmen des individuellen Stimmlabels
Wissenschaftler der UZH, der University of Western Australia und der University of Massachusetts haben 17 erwachsene Delfine in Shark Bay in Westaustralien studiert. Aus früheren Forschungen waren die männlichen Meeressäuger bereits für ihre feste Bündnispartnerschaft bekannt. Ihre Bindungen zueinander sind so stark wie diejenigen zwischen den Muttertieren und ihren Kälbern. Frühere Forschungen hatten ausserdem gezeigt, dass Delfine hochfrequente Pfeiflaute als eine Art «Namen» nutzen, um sich vorzustellen und sich auch über grosse Distanzen unter Wasser identifizieren zu können.
Für die vorliegende Studie sammelten die Forschenden mit Unterwassermikrofonen Aufnahmen der Pfeiflaute der Delfine und ermittelten das individuelle Stimmlabel jedes Männchens. Sie massen die Ähnlichkeit dieser Identitätssignale innerhalb ihrer sehr engen Allianz sowie innerhalb eines anderen Netzwerks ihrer Gemeinschaft. Sie fanden heraus, das männliche Delfine trotz ihrer starken sozialen Bindungen ihre individuellen Pfeiflaute beibehalten und diese sich nicht im Laufe der Zeit einander anpassen.
Jedes Männchen behält lebenslang seinen eigenen Ruf
«Dies ist ein sehr ungewöhnlicher Befund», sagt Michael Krützen, Professor für Anthropologie und Evolutionsbiologie an der Universität Zürich. Denn es kommt sehr oft vor, dass Paare oder Gruppen von Tieren ihre Rufe einander annähern, um ihre Zugehörigkeit zu unterstreichen. Dies ist etwa der Fall bei einigen Papageien, Fledermäusen, Elefanten und Primaten. «Bei männlichen Tümmlern passiert genau das Gegenteil: Jedes Männchen behält seinen eigenen, individuellen Ruf und unterscheidet sich von seinem Bündnispartner, auch wenn sie eine unglaublich starke Bindung zueinander entwickeln», erklärt Krützen.
Das Beibehalten der individuellen «Namen» hilft den Männchen, ihre vielen verschiedenen Beziehungen im Auge zu behalten und zu unterscheiden, wer ihre Freunde, wer die Freunde ihrer Freunde und wer ihre Konkurrenten sind. So gelingt es ihnen, ein komplexes soziales Netz von kooperativen Beziehungen auszuhandeln. «Neben dem Menschen scheinen bisher nur Delfine ihre individuellen ‹Namen› zu behalten, wenn es um die Bildung von engen und langen kooperativen Beziehungen geht», sagt Stephanie King, Erstautorin der Studie.
Körperkontakte zur Festigung der Beziehungen
Männliche Delfine nutzen auch Körpersignale wie Streicheln, einen Klaps geben und synchrones Verhalten, um ihre soziale Bindungen auszudrücken. «Momentan untersuchen wir die Beziehungen der Männchen untereinander in einer Allianz noch genauer um herauszufinden, ob sie zwischen allen Beteiligten gleich stark ausgeprägt sind oder nicht», erklärt Krützen. (UZH/mc/pg)