Influenzaviren von Fledermäusen könnten auf Menschen überspringen
Zürich – Fledermäuse sind nicht nur Träger tödlicher Ebolaviren, sondern auch ein Reservoir neuartiger Influenzaviren. Diese in Südamerika entdeckten Grippeviren besitzen grundsätzlich die Fähigkeit, auch Zellen von Menschen und Nutztieren zu befallen, wie Forschende der Universität Zürich zeigen.
Fledermäuse stehen seit einiger Zeit im Fokus der Virologen, denn sie sind Träger vieler verschiedener Viren, darunter die in Südamerika entdeckten Influenzaviren. (Bild: istock.com/Leonardo Prest Mercon Ro)
Die jährlich wiederkehrende Grippewelle wird von Influenzaviren ausgelöst, die nur Menschen infizieren können. Jene Influenzatypen, die in Vögeln oder Schweinen zirkulieren, sind für den Menschen normalerweise nicht gefährlich. Selten springt ein Vogel- oder Schweinevirus aber auf den Menschen über – in der Fachwelt Zoonose genannt –, was im schlimmsten Fall zu einer weltweiten Influenzapandemie mit zahlreichen schweren Erkrankungen und Todesfällen führt.
Fledermäuse als Reservoir für gefährliche Viren
Vor rund sechs Jahren wurden in Südamerika neuartige Influenzaviren entdeckt – in Fledermäusen. Die fliegenden Säugetiere stehen schon seit einiger Zeit im Fokus der Virologen. Denn sie sind Träger vieler verschiedener Viren, darunter auch sehr gefährliche wie Ebolaviren. Bisher war allerdings unklar, ob die Fledermaus-Influenzaviren auch für den Menschen eine Bedrohung darstellen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Zürich (UZH) hat nun herausgefunden, dass die neuartigen Grippeviren potenziell auch Menschen oder Nutztiere infizieren können.
Weltweite Suche nach der Eintrittspforte
Die bisher bekannten Influenzaviren dringen über Sialinsäure in die Wirtszellen ein. Diese chemischen Gruppen befinden sich auf der Oberfläche fast aller Zellen des Menschen sowie diverser Tiere. Dies ist einer der Gründe, warum Influenzaviren auch sehr unterschiedliche Arten wie Enten, Hühner, Schweine und Menschen befallen. Im Unterschied dazu binden die Fledermaus-Influenzaviren nicht an Sialinsäure. Mehrere Forschungsteams weltweit suchten deshalb nach jenem Rezeptor, über den sie sich in die Zellen einschleusen.
Fledermausviren dringen über MHC-II-Moleküle in Zelle
Diese Eintrittspforte haben Silke Stertz und ihr Team am Institut für Medizinische Virologie der UZH nun entdeckt. «Die Influenzaviren benützen sogenannte MHC-II-Moleküle für ihren Eintritt in die Wirtszellen», sagt Studienverantwortliche Stertz. Diese Proteinkomplexe sitzen normalerweise auf der Oberfläche gewisser Immunzellen und sind zuständig dafür, körpereigene und körperfremde Zellen und Strukturen zu unterscheiden. Auch einige andere Virusarten benützen diesen «Eingang», um in die Zellen zu gelangen.
Potenzielles Risiko für Menschen und Nutztiere
«Überraschend war, dass die Fledermaus-Influenzaviren nicht nur MHC-II-Komplexe von menschlichen Zellen, sondern auch jene von Hühnern, Schweinen, Mäusen und verschiedenen Fledermausarten nutzen können», erläutert UZH-Doktorand Umut Karakus und Erstautor der Studie. Die Influenzaviren der Fledermaus besitzen somit – zumindest auf Stufe des Zelleintritts – das Potenzial, sowohl Menschen wie auch Nutztiere zu infizieren. «Nachgewiesen wurden solche Infektionen bisher noch nicht. Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass die Viren diese Fähigkeit grundsätzlich haben», ergänzt Silke Stertz. Für die Virologin Grund genug, die potenziell gefährlichen Viren weiter zu untersuchen. Zumal sich das Problem angesichts von Migration und Reisetätigkeit keineswegs auf Südamerika beschränkt. (UZH/mc/pg)