Maarten-Jan Bakkum, Senior Emerging Markets Aktien-Stratege, Den Haag.
Von Maarten-Jan Bakkum, Senior Emerging Markets Aktien-Stratege, Den Haag
Den Haag – In den USA, Europa und Japan verbessern sich die Konjunkturdaten zunehmend, die Schwellenländer dagegen hinken hinterher. Das Bild, das die Einkaufsmanagerindizes in der vergangenen Woche zeichneten, hätte nicht deutlicher sein können. In den USA und Europa waren die Zahlen gut oder zumindest besser als zuvor. Insbesondere in Europa scheinen die Aussichten auf eine Konjunkturerholung deutlich gestiegen zu sein.
Gleichzeitig fielen die Einkaufsmanagerindizes in den Schwellenländern ausnahmslos schwach aus. In allen Ländern lagen sie entweder unter dem Schwellenwert von 50 oder verschlechterten sich merklich. Auch die wichtigsten Unterindizes – vor allem Auftragseingänge, Exportorders und Beschäftigung – waren erneut schwach. Vor den Einkaufsmanagerindizes waren in den vergangenen Monaten schon die Zahlen zu Exporten, Industrie-produktion und Verbrauchervertrauen ungünstig ausgefallen. Insgesamt ist es verräterisch, dass sich das Expansionstempo in den Schwellenländern weiter verlangsamt, obwohl das Kreditwachstum dort weiterhin stark ist und die Nachfrage in den Industrieländern anzieht.
Wachstumsaussichten für die Schwellenländer ungünstig
Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Wachstumsaussichten für die Schwellenländer ungünstig sind. Dafür haben wir drei Gründe: Erstens die Konjunkturverlangsamung in China, die durch die jüngste, geringfügige Lockerung der Politik ein oder zwei Quartale lang unterbrochen werden könnte, aber sich in den kommenden Jahren fortsetzen dürfte. Zweitens die restriktiveren Finanzmarktbedingungen in den Schwellenländern insgesamt, die auf Kapitalabflüsse und eine straffere Geldpolitik der Zentralbanken zurückzuführen sind. Und drittens das schwächere Produktivitätswachstum, die geringere Wettbewerbsfähigkeit und der trotz der allgemeinen Konjunkturerholung lahmende Anstieg der Importnachfrage in den Industrieländern. Wir gehen weiterhin davon aus, dass das Wachstum in den Schwellenländern schwach ausfallen wird, solange sich Chinas Konjunktur nicht beschleunigt und sich die Kapitalströme in die Schwellenländer nicht dauerhaft erholen.
Anfällige Währungen und weitere Straffungen der Politik in den Schwellenländern
Nachdem die Wachstumsrisiken in China auf kurze Sicht wohl infolge der jüngsten, moderaten Lockerung der Politik in Beijing etwas abgenommen haben, besteht das Hauptrisiko für Schwellenländer-Vermögenswerte in dem stetigen Kapitalabfluss aus den Rentenmärkten der Schwellenländer. Diese Abflüsse dürften sich fortsetzen, solange die Wachstumsraten in den Industrie- bzw. Schwellenländern divergieren. In einem solchen Umfeld werden sich die Anleger weiterhin auf einen Abbau der quantitativen Lockerungen in den Industrieländern und letztendlich ein Ende der lockeren Geldpolitik vorbereiten.
Gleichzeitig ist den Anlegern deutlicher zum Bewusstsein gekommen, dass sich die Fundamentaldaten der Schwellenländer in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Bei der Kurskorrektur der Schwellenländerwährungen in den vergangenen Monaten handelte es sich nicht nur um eine technische Korrektur. Wir gehen weiterhin davon aus, dass in Kürze eine deutlichere Wechselkurskorrektur erfolgen wird. Angesichts der anhaltend hohen Inflationsraten in den Schwellenländern, die auf ein kräftiges Lohnwachstum und eine allzu lockere Wirtschaftspolitik zurückzuführen sind, kann die notwendige Korrektur der realen effektiven Wechselkurse der Schwellenländer nur über einen Rückgang der nominalen Wechselkurse erfolgen.
Umschichtung von Indien nach Korea
Während der Korrektur im Mai und Juni hat sich der indische Markt trotz des Zwillingsdefizit des Landes und des Drucks auf die Kapitalströme in die Schwellenländer recht gut gehalten. Dies ist vor allem auf die geringe Abhängigkeit des Landes von der Nachfrageentwicklung in China, die sinkenden Inflationsraten und die Erwartung zurückzuführen, dass die Geldpolitik gelockert werden dürfte und sich das Leistungsbilanzdefizit verringern sollte. In jüngster Zeit notierte die Rupie sehr schwach, obwohl sich die Zentralbank darum bemühte, die Abwertung zu beenden. Angesichts der anhaltenden Kapitalabflüsse aus den Schwellenländer-Rentenmärkten und des wieder zunehmenden Drucks auf die Schwellenländerwährungen ist die Rupie anfällig, zumal die Massnahmen der Behörden nicht gegriffen haben. Wenn die Zentralbank die politischen Zügel weiter anzieht, um die Kapitalabflüsse einzudämmen, werden die Wachstumserwartungen in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Umfeld ist es trotz der langfristig günstigen Aussichten für das Land besser, nicht in Indien engagiert zu sein. Korea profitiert von der Konjunkturerholung in den USA und Europa. Nachdem China seine Politik zur Stabilisierung des Wachstums nun wieder etwas gelockert hat, könnten die Wachstumsrisiken in China in den kommenden Monaten nunmehr etwas geringer sein. Und Korea ist trotz der hohen Verschuldung der privaten Haushalte ein relativ defensiver Markt. Nicht so sehr wie Taiwan, aber verglichen mit den meisten anderen Schwellenländern sind die makroökonomischen Ungleichgewichte gering. Dies hat sich in moderaten Wechselkursbewegungen während der Schwellenländer-Korrektur seit Mai niedergeschlagen. (ING IM/mc/hfu)