Kommentar von Dr. Axel Müller, Geschäftsführer Intergenerika.
Auf der Suche nach zielführenden Massnahmen zur Senkung der Gesundheitskosten in der Schweiz werden immer wieder neue Vorschläge zur Diskussion gestellt. Während bei dem Referenzpreissystem für Medikamente nach klarer Ablehnung des bundesrätlichen Vorschlags durch den Nationalrat noch die Abstimmung durch den Ständerat in diesem Sommer aussteht, werden im Rahmen der Motion 19.4104 von Nationalrat Philippe Nantermod (FDP,VS) aktuell Direktimporte von Medikamenten als ein weiterer Lösungsweg diskutiert. Der Nationalrat unterstützt die Umsetzung der Motion mit dem Ziel des Abbaus von Hürden für den Parallelimport von Generika in die Schweiz und hinsichtlich Einsparungen bei patentabgelaufenen Medikamenten. Der Bundesrat hingegen hat die Motion schon am 20.11.2019 abgelehnt. Die Bedenken sind berechtigt.
Motion Nantermod: berechtigte Bedenken des Bundesrats
Die Motion sieht nämlich vor, dass bereits in der EU zugelassene Generika ohne eine eigenständige Zulassung durch Swissmedic auch hierzulande zugelassen werden. Die Kennzeichnungspflicht soll dabei gelockert, beziehungsweise durch elektronische Arzneimittelinformationen ersetzt werden. Das eigentlich Bedenkliche an der Motion Nantermod ist, dass es sich bei diesen „Parallelimporten“ faktisch um Direktimporte unter Umgehung von Swissmedic handelt. In der Diskussion geht ferner unter, dass es bereits ein ordnungsgemässes und vereinfachtes Zulassungsverfahren von Swissmedic gibt, demzufolge eine Zulassung möglich ist, wenn (1) ein identisches Medikament bereits in der Schweiz zugelassen ist, (2) das importierte Arzneimittel hinsichtlich Sicherheit und Qualität gleiche Anforderungen erfüllt, (3) gleiche Kennzeichnungen und Patienteninformation in 3 Landessprachen gegeben sind und (4) die importierten Medikamente vor Inverkehrbringung umverpackt werden.
Gefährdung der Versorgungssicherheit
Die Motion Nantermod birgt die Gefahr der Verschärfung der heute schon prekären Lage bei der Medikamentenversorgung, da Parallelhändler keiner Verpflichtung unterliegen, den Standort Schweiz dauerhaft zu versorgen. Importeure konzentrieren sich nur auf die umsatzstarken Darreichungsformen und nicht die gesamte Gamme wie es bei Schweizer Firmen üblich ist. Sobald sich das Geschäft nicht mehr lohnt, drehen Parallelhändler natur- und erfahrungsgemäss einem Markt umgehend den Rücken zu. Die Planbarkeit für die Lagerhaltung Schweizer Unternehmen ginge somit verloren, während verschwundene Lieferkapazitäten hiesiger Firmen kurzfristig nicht wiederaufgebaut werden könnten.
Gefährdung der Patientensicherheit
Im Gegensatz zu diesem ordnungsgemässen Verfahren gefährden Direktimporte unter Umgehung von Swissmedic vor allem die Patientensicherheit in vielerlei Hinsicht. Erstens bergen Packungen mit fremdsprachiger Beschriftung das Risiko einer inkorrekten Therapie, zweitens sind importierte Produkte nicht zwingend identisch zum Schweizerischen Medikament und nicht zuletzt wäre mit dem Eintritt von Fälschungen in den Schweizer Markt zu rechnen. Weitere Risikoquellen lägen in einer unzureichenden Kontrolle von Lagerbedingungen und Kühlketten. Zudem würde bei Reklamationen, Rückrufen oder Nebenwirkungen eine Anlaufstelle fehlen. Allesamt sind diese Faktoren die Garanten für eine hochstehende und verlässliche Qualität der in der Schweiz erhältlichen Medikamente.
Schwächung von Swissmedic und der Versorgungsgerechtigkeit
Als schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde sorgt Swissmedic dafür, dass qualitativ einwandfreie, sichere und wirksame Medikamente in den Verkehr gebracht werden. Direktimporte ohne Kenntnis der Swissmedic würden die Gesundheitsbehörde, ihre Stellung und Zulassungshoheit untergraben. Bedenklich ist zudem die Gefährdung der Versorgungsgerechtigkeit: Während Parallelhändler nur auf ihre Marge bedacht sind, werden Patienten in Ländern mit geringerer Kaufkraft systematisch Medikamente entzogen.
Falsche Profiteure – Patienten und Konsumenten gehen faktisch leer aus
Nicht zuletzt würden bei der Motion Nantermod entgegen der ursprünglichen Intention die falschen Personen profitieren. Während Patienten und Konsumenten faktisch leer ausgingen, wären die Parallelimporteure die eigentlichen Nutzniesser, da sie in einem Land mit niedrigeren Preisen Medikamente kaufen und sie in einem Land mit höheren Preisen zu Marktpreisen oder knapp darunter wiederverkaufen.
Fazit: Die Ablehnung der Motion Nantermod durch den Bundesrat verdient Unterstützung, da Direktimporte unter Ausschluss von Swissmedic die Patienten- und Versorgungssicherheit sowie Versorgungsgerechtigkeit gefährden würden. Wie Referenzpreise bei Medikamenten sind auch solche Parallelimporte, bei denen vor allem Parallelhändler, nicht aber Patienten oder Konsumenten profitieren würden, nicht als ein probates Mittel zum Kostensparen zu betrachten. Stattdessen bekräftigt Intergenerika einmal mehr den Vorschlag der gezielten Förderung von Generika durch eine Anpassung der Anreizsysteme, um deren jährlichen Sparbeitrag von 1 Mrd. Franken pro Jahr weiter auszubauen. (Intergenerika/mc/ps)