Intergenerika: Referenzpreissystem würde akute Engpässe weiter verschärfen
Liestal – In der an ausreichende Versorgung von Gütern gewöhnten Schweiz ist eine Verknappung von teilweise lebensnotwendigen Medikamenten lange Zeit ein schwer vorstellbares Szenario gewesen. Heute ist sie längst Realität. Das vom Bundesrat, im Rahmen eines Ende März präsentierten Programms gegen Kostenwachstum im Gesundheitswesen geforderte Referenzpreissystem würde diese Versorgungsproblematik auf unverantwortliche Weise weiter verschärfen.
Experten diskutieren Ursachen
Vor diesem Hintergrund diskutieren in der von Academy on Health Care Policy organisierten Sonderveranstaltung vom 25. April 2018 Gesundheitsexperten – von Mitgliedern der Schweizerischen Gesundheitskommission über Konsumentenvertreter und Krankenkassen bis hin zu Vertretern der Generika-Industrie – das top-aktuelle Thema unter dem Titel „Engpässe in der Medikamentenversorgung – Angstmacherei oder Realität?“
Basler Studie legt sich verschärfende Lieferengpässe offen
Fakt ist: Schweizweit haben Fachpersonen tagtäglich mit dem Problem fehlender Medikamente zu kämpfen. Gemäss einer aktuellen Studie des Basler Unispitals gibt es in der Schweiz schon heute bei rund 200 Medikamenten Lieferengpässe – nicht nur bei Antibiotika und Impfstoffen, sondern bei nahezu allen Medikamenten. Die Studie zeigt auch, dass die Lieferengpässe immer länger dauern – bis zu einem Jahr. Statt sich auf ihre Arbeit und ihre Patienten konzentrieren zu können, sind Schweizer Fachpersonen zunehmend mit Troubleshooting in der Beschaffung beschäftigt. Hinzu kommt, dass der kleine Schweizer Markt bei Medikamentenknappheit nicht unbedingt zuoberst auf der Prioritätenliste internationaler Pharmafirmen steht und andere Länder bei der Zuweisung von knappen Medikamenten bevorzugt werden. Nicht nur die Spitalapotheken unter dieser prekären Entwicklung leiden, sondern auch die Patientinnen und Patienten.
Referenzpreise als Katalysator
Während sich das Bundesamt für Gesundheit und die Krankenkassen für ein Referenzpreissystem stark machen, kämpft Intergenerika seit jeher gegen diesen Schritt. Wählen in diesem System der Billigstmedizin Arzt und Patient ein teureres Medikament, zahlt der Patient den Differenzbetrag aus eigener Tasche. Dr. Axel Müller, Intergenerika-Geschäftsführer, promovierter Apotheker und Pharma- und Generikaexperte mit 30-jähriger Erfahrung sieht in einem Systemwechsel zudem die Gefahr, dass sich diese Lieferengpässe noch weiter verschärfen.
„Bei zu niedrigen Preisen, wie das am Beispiel von Referenzpreissystemen aus dem Ausland bekannt ist, wird die Herstellung von Medikamenten an einem Punkt für viele Anbieter schlichtweg nicht mehr attraktiv, was zu deren Rückzug aus dem Markt führen kann. Deshalb drohen Oligo- oder Monopole und damit die Abhängigkeit der Versorgung von wenigen Anbietern. Als Folge von zentralisierten Herstellungsprozessen kann es passieren, dass eine einzige Firma in irgendeinem Land der Welt ein Medikament herstellt. Wenn dort zum Beispiel ein Brand passiert, kann dies schnell mal zu einem Lieferengpass von einem halben oder ganzen Jahr führen.“ argumentiert Müller und ergänzt. „Ein Blick über die Grenzen ins europäische Ausland bringt uns die zahlreichen Probleme eines Referenzpreissystems vor Augen. Warum sollen wir ein derart problembehaftetes System bei uns einführen?“ Stattdessen macht sich der Generika-Experte für das aktuelle System des differenzierten Selbstbehaltes und den weiteren Ausbau der Sparbeiträge von Generika stark und fordert zudem gleichlange Spiesse bei der Vertriebsmarge. Ärzte und Apotheker dürften bei der Verschreibung beziehungsweise Abgabe von Generika nicht mehr weiter benachteiligt werden.
Deutsche Expertin rät Schweiz von Referenzpreissystem ab
An der Sonder-Academy wird die deutsche Gesundheits- und Krankenkassen-Expertin Cornelia Wanke zum Thema „Medikamenten-Versorgung – Erfahrungen mit Referenzpreisen und anderen wettbewerblichen Massnahmen aus dem Ausland“ referieren. Schon bei früheren Auftritten machte die Expertin wie andere ihrer Kollegen unmissverständlich klar, dass sie Referenzpreise für ein kleines Land wie die Schweiz mit einem komplexen Gesundheitssystem als absolut ungeeignet beurteilt.
Gegner von Referenzpreisen vereint in Initiative
Im der Ablehnung von Referenzpreisen weiss sich Intergenerika der Unterstützung der zentralen Akteure im Schweizerischen Gesundheitswesen sicher. In 2017 haben sich das die Verbände der Ärzteschaft FMH und Apotheker pharmaSuisse, APA (Ärzte mit Patientenapotheke), scienceindustries, der Wirtschaftsverband Chemie, Pharma, Biotech sowie vips (Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz), die Interessensgemeinschaft Schweizer Pharma KMU, das Bündnis Freiheitliches Gesundheitswesen und Intergenerika zur Initiative „Nein zu Referenzpreisen bei Medikamenten“ zusammengeschlossen, der Anfang dieses Jahres das Schweizerische Patientenforum beitrat. (Intergenerika/mc/ps)
Über Intergenerika
Intergenerika ist die Vereinigung der führenden Generikafirmen in der Schweiz, die ihrerseits über 90% des Generika-Volumens in der Schweiz repräsentieren. Intergenerika fördert die Akzeptanz von Generika durch Aufklärung von Medizinalpersonen, Fachverbänden, Krankenkassen und Patienten und fördert deren Verbreitung als qualitativ mindestens gleichwertige, jedoch preiswertere Arzneimittel. Im Weiteren plant und koordiniert der Verband die Kontakte zu Medien, Behörden und Vereinigungen im Bereiche von Medizinalpersonen und des Gesundheitswesens. Mit allen Massnahmen verfolgt Intergenerika das Ziel einer angemessenen Vertretung von Generika im schweizerischen Arzneimittelmarkt bzw. im schweizerischen Gesundheitswesen.