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Zürich – Mit Blick auf den demographischen Wandel, den Fachkräftemangel und den internationalen Wettbewerbsdruck wird es immer wichtiger, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, zu motivieren und vor allem langfristig an das Unternehmen zu binden. Doch kennen die Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Angestellten? Zum sechsten Mal führte Towers Watson die Global Workforce Studie durch und befragte auch Arbeitnehmer in der Schweiz. Die Resultate zeigen, dass hierzulande andere Motivationsfaktoren ausschlaggebend sind und Unternehmen noch Nachholbedarf haben.
Für Schweizer Arbeitnehmer steht eine herausfordernde Tätigkeit an erster Stelle bei der Bewertung der Attraktivität eines Arbeitgebers, gefolgt von Autonomie am Arbeitsplatz und Jobsicherheit. Ein attraktives Gehaltspaket rangiert auf dem sechsten Platz, erst nach Image und flexiblen Arbeitsmöglichkeiten. Damit unterscheiden sich die Schweizer Arbeitnehmer von ihren Kollegen im Ausland. Hier gehören Gehalt, Jobsicherheit und dann erst eine herausfordernde Tätigkeit zu den Top 3 Faktoren. „Die meisten Unternehmen schätzen die Prioritäten der Arbeitnehmer falsch ein, so dass der Wettbewerb um Talente nachwievor zu einem beachtlichen Teil über monetäre Anreize erfolgt. Das Gehalt spielt aber erst bei der Mitarbeiterbindung eine wichtige Rolle, also dann, wenn Mitarbeiter sich überlegen, das Unternehmen zu verlassen“, erklärt Hans Münch, Leiter des Beratungsbereiches Talent & Rewards bei Towers Watson.
Dies bedeutet für Unternehmen, dass Talente dann langfristig gebunden werden können, wenn ein sicherer, gewohnter Job gut bezahlt und Karriereentwicklungen auch eine monetäre Weiterentwicklung bedeuten. Ist letzteres nur durch einen externen Wechsel realisierbar, nutzen vor allem mobile Arbeitnehmer den gesunden Schweizer Arbeitsmarkt und ziehen weiter.
Was beeinflusst das Engagement und die Motivation?
Zu den Kernaufgaben einer erfolgreichen Personalführung gehört neben Mitarbeitergewinnung und –bindung auch die Stärkung des Engagements und der Motivation der Belegschaft. „Ein nachhaltiges Engagement der Mitarbeiter wirkt sich auf allen Unternehmensebenen aus. Neben dem Arbeitsklima beeinflussen engagierte Arbeitnehmer die Kundenbeziehungen und damit den Geschäftserfolg positiv“, unterstreicht Hans Münch die Bedeutung der Messgrösse «Nachhaltiges Engagement“. Hinter diesem Begriff steht nicht nur die grundsätzliche Bereitschaft der Mitarbeiter, sich für ihre Organisation einzusetzen. Es wird auch abgefragt, ob die Arbeitnehmer die notwendigen Arbeitsmittel sowie ein Arbeitsumfeld vorfinden, das sie physisch, emotional und sozial unterstützt.
Um das nachhaltige Engagement zu evaluieren, werden die Mitarbeiter in der Towers Watson Studie zu den Komponenten Engagement, Befähigung und Energie befragt. Auch hier zeigt sich, dass die Schweizer Arbeitnehmer andere Prioritäten als ihre ausländischen Pendants haben. In der Schweiz weisen Aspekte wie die klare Kommunikation von Unternehmenswerten und -zielen, die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen, sowie das Verhalten der Vorgesetzten und das Image des Unternehmens die höchsten Werte auf. Im Vergleich dazu stehen global das generelle Führungsverhalten, das Verständnis der Ziele und Aufgaben als auch die Work-Life Balance eher im Vordergrund.
Unterschiedlich starkes Engagement der Arbeitnehmer
Die Befragung führte zutage, dass die Schweizer Arbeitnehmer sich mehrheitlich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren. 41% arbeiten sehr engagiert und fühlen sich befähigt ihre Arbeit zu erledigen als auch genügend energetisiert. 15% fühlen sich engagiert, es fehlt ihnen aber an Befähigung und/oder Energie. Weitere 17% sind zwar befähigt bzw. energetisch, aber nicht im klassischen Sinne engagiert. Beim restlichen Viertel der Befragten sind die drei Komponenten des nachhaltigen Engagements unterdurchschnittlich ausgeprägt.
„Dieser Mix ist typisch für alle Unternehmen. Die Ergebnisse zeigen aber, dass es immer noch einen grossen Anteil an Mitarbeitern gibt, die zwar engagiert sind, bei denen es aber in Bezug auf das nachhaltige Engagement noch Nachholbedarf gibt. Hier liegt Potential brach, d.h. mehr Mitarbeiter könnten über die entsprechenden Massnahmen stärker an das Unternehmen gebunden werden“, erklärt Krisztina Csedö, Expertin für Mitarbeiterbefragungen bei Towers Watson Schweiz.
Schweizer Unternehmen verkennen Wert des Employer Branding
Eng mit dem nachhaltigen Engagement verknüpft ist die Employer Value Proposition (EVP). Als Nutzenversprechen eines Arbeitgebers gehört die EVP zum Employer Branding und reflektiert die Attraktivitätsmerkmale eines Unternehmens für Mitarbeitende. „Unternehmen investieren heute viel zu wenige Ressourcen in die Erforschung der Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter. Während man die Kunden mit Big Data bis ins Detail verstehen möchte, um ein attraktives Angebot zu haben, fragen sich die Verantwortlichen trotz demographischem Wandel, Fachkräftemangel und Wettbewerbsdruck kaum, wie sie ihr Unternehmen für Mitarbeiter anziehend gestalten können“, hinterfragt Münch die vorherrschende Sichtweise.
Die Global Workforce Study 2014 zeigt zwar auf, dass auch global weniger als die Hälfte der Mitarbeiter ein klares Verständnis in Bezug auf das Nutzenversprechen ihres Unternehmens haben. In der Schweiz liegen die Werte aber noch tiefer. „Ein gut konzipiertes EVP-Modell hat einen hohen Einfluss auf das Engagement. Dabei ist es essentiell, dass die entsprechende Werte vorgelebt und Versprechungen eingehalten werden“, unterstreicht Krisztina Csedö die Bedeutung der EVP für das Employer Branding.
Gutes Führungsverhalten motiviert – Gefühl der ungerechten Entlöhnung ist in der Schweiz hoch
In der Schweiz werden vor allem solides Wirtschaften und ein positives Unternehmensimage als ein Zeichen für eine wirksame Führungskultur angesehen. Ebenso von Bedeutung ist eine respektvolle Arbeitsumgebung, die Mitarbeiter ans Unternehmen bindet und es Führungskräften ermöglicht, ihre Aufgaben effektiv wahrzunehmen. Und nicht zuletzt müssen Manager Worten Taten folgen lassen und klare Kommunikationsformen einsetzen. Dazu gehört es auch, schwierige Entscheidungen zu fällen, Hindernisse im Arbeitsalltag zu beseitigen und als Vorbild den achtungsvollen Umgang miteinander vorzuleben.
„Die Führungsverantwortlichen im Unternehmen tragen wesentlich zur Gewinnung, Bindung und Motivation von Mitarbeitern bei. Dazu gehört auch eine klare Leistungsdifferenzierung innerhalb eines Teams oder des Unternehmens. Denn auch wenn das Lohnniveau in der Schweiz im internationalen Vergleich noch recht hoch ist, zeigen sich doch signifikante Unterschiede, was die Wahrnehmung von Leistung und Entlöhnung betrifft. Wer seine Mitarbeiter langfristig binden will, muss diese Lücke schliessen“, betont Hans Münch mit Blick auf die Ergebnisse der Frage nach der Fairness der Bezahlung. So sind nur 33% der Schweizer Mitarbeiter (global 45%) der Meinung, dass allgemein Leistungen gerecht vergütet werden. In Bezug auf die eigene Vergütung sind es nur 37% (46% global), die sich fair bezahlt fühlen. Diese Aussagen bestätigen, dass auch wenn bei der Gewinnung von Mitarbeitern das Grundgehalt nicht ausschlaggebend ist, so spielt es bei der Bindung an das Unternehmen eine gewichtige Rolle.
Unternehmen unterschätzen den Faktor Arbeitsplatzsicherheit
Das in den letzten Jahren sehr volatile Wirtschaftsumfeld verunsichert Mitarbeiter nachwievor. Eine Tatsache, die Arbeitgeber scheinbar unterschätzen. Denn während nur 21% von ihnen der Meinung sind, dass Jobsicherheit ein wichtiger Grund sei, sich für ein Unternehmen zu entscheiden, sagen 41% der Arbeitnehmer, dass dem so ist. Entsprechend wichtig wäre es, auf das Sicherheitsbedürfnis zu reagieren, um Mitarbeiter gewinnen und binden zu können. Dabei spielt das Gehalt zwar eine bedeutende Rolle, dennoch wird ein nachhaltiges Mitarbeiterengagement von einem Mix an Faktoren beeinflusst, den es im HR-Management zu berücksichtigen gilt. „Studien wie die Global Workforce Study sind ein Indikator, reflektieren aber nicht die individuellen Gegebenheiten in einem Unternehmen. Es empfiehlt sich daher, zu evaluieren, welche Themen für die eigenen Mitarbeiter von Bedeutung sind und diese mit der eigenen Wahrnehmung abzugleichen. Denn es gibt grosse Unterschiede diesbezüglich“, fasst Hans Münch zusammen. (Towers Watson/mc/pg)