Zürich – Eine mögliche Zinswende ist anscheinend wieder in die Ferne gerückt und Marktakteure gehen eher von einem von langfristig negativen Zinsen geprägtem Szenario aus, in welchem weitere Zinssenkungen nicht auszuschliessen sind. Jones Lang LaSalle Schweiz (JLL) hat sich deshalb Gedanken über die möglichen Folgen von sehr tiefen negativen Zinsen für den Immobilienmarkt gemacht und möchte zur Diskussion anregen.
Bargeld ist oft das Hauptargument, dass eine Zentralbank die Zinsen nicht allzu tief im negativen Bereich festlegen kann. Der Internationale Währungsfonds hat sich aber schon Gedanken zu regulatorischen Massnahmen gemacht, welche tiefe Negativzinsen im Bereich von -5% möglich machen würden. Assenmacher und Krogstrup schlagen in ihrem Arbeitspapier aus dem Jahr 2018 beispielsweise die Trennung von Bar- und Buchgeld vor. Gemäss ihren Überlegungen sei es möglich, durch einen Umrechnungskurs zwischen Bar- und Buchgeld die Negativzinsen auch für Bargeldbestände geltend zu machen. Dadurch kann die Bargeldflucht verhindert und der Leitzins noch weiter gesenkt werden, so dass die Zentralbank bei einer Rezession wieder handlungsfähig werden kann.
Auswirkungen von sehr tiefen Negativzinsen
Sehr tiefe Negativzinsen haben Auswirkungen auf die Marktliquidität, Wettbewerbsfähigkeit, Risikobereitschaft und Investitionsstrategie von Immobilieninvestoren. JLL geht davon aus, dass bei sehr negativen Zinsen der Transaktionsmarkt für kommerzielle Immobilien wahrscheinlich sehr stark an Liquidität verlieren würde. Alle Gruppen von Immobilieninvestoren würden keine Liegenschaften mehr verkaufen, um den Strafzinsen entgehen zu können. Verbleibende Transaktionen könnten sich lediglich auf risikoreiche Immobilien fokussieren. Von der Rezession gezeichnete Unternehmen würden in «Sale und Leaseback»-Transaktionen ihre Liegenschaften veräussern, um an liquide Mittel zu kommen, die sie von Banken aufgrund ihrer Kreditwürdigkeit nicht bekommen.
Sinkende Renditespreads
Dennoch sollten die Renditespreads von risikoreichen Immobilien im Vergleich zu Spitzenimmobilien sinken, da von den meisten Immobilieninvestoren ein Style-Drift hin zu mehr Risiko zu erwarten ist. Gemäss den Verhaltensökonomen Kahneman und Tversky tut ein Verlust mehr weh als ein Gewinn in gleicher Höhe Freude macht. Auf Renditen übertragen bedeutet das, dass Negativrenditen durch erhöhte Risikobereitschaft zu verhindern sind.
Des Weiteren ist davon auszugehen, dass fremdkapitalaffine Investoren wieder in strukturierten Bieterprozessen kompetitiv mitbieten werden. Sie können durch die zusätzlichen Zinseinnahmen bei einer Fremdkapitalaufnahme ihre Mindestrendite deutlich einfacher erreichen und dadurch höhere Preise bieten. Hingegen können Schweizer Immobilieninvestoren teilweise nur beschränkt mit Fremdkapital arbeiten und damit nicht von extrem negativen Zinsen profitieren.
Paradigmenwechsel am Immobilienmarkt
Sehr tiefe Negativzinsen können einen Paradigmenwechsel am Immobilienmarkt einläuten. Finanzmathematische Konzepte werden auf den Kopf gestellt und aus verhaltensökonomischer Sicht ist eine erhöhte Risikobereitschaft auf dem Markt zu erwarten. Prekär ist vor allem die Situation, dass nach der langjährigen Boom-Phase der letzten Jahre die Wahrscheinlichkeit einer Abkühlungsphase mit einer möglichen Rezession zunimmt. Noch tiefere Zinsen, die auch regulatorisch umgesetzt werden könnten, sind damit nicht mehr unwahrscheinlich. Bei der Erarbeitung der Immobilienstrategie sollten deshalb nicht nur Überlegungen zu einer möglichen Zinswende (= Zinsanstieg) angestellt werden, sondern auch das Szenario von weiteren drastischeren Zinssenkungen bedacht werden.
Diskussionspapier als PDF
Für weiter interessierte Leser hat JLL zu diesem Thema ein Diskussionspapier erstellt, welches sich mit den möglichen Folgen für den Immobilienmarkt vertiefter auseinandersetzt und direkt über jll.ch bezogen werden kann. (JLL/mc/ps)