JLL: Neue Player drängen in die Immobilienbranche

(Bild: © Andy Dean / AdobeStock)

Marktbeobachtungen von Daniel Stocker, Head of Research bei JLL Schweiz

Zürich – Die Immobilienbranche ist in Bewegung; neue Player wollen den Markt aufmischen: So sicherte sich die Privatbank Julius Bär vor Kurzem eine Mehrheitsbeteiligung am Immobiliendienstleister Kuoni Müller Partner (KMP) und hat vor, die rund 35 Mitarbeitenden in die eigene Organisation zu integrieren. Diese News reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Meldungen und lässt die Branche aufhorchen.

Julius Bär, Avobis, Valiant, Migros Bank, BCV und Luzerner Kantonalbank
Ein weiteres Beispiel ist Avobis, eine unabhängige Managerin von Hypotheken und Immobilien in der Schweiz. Diese übernahm Anfang 2021 die Bewirtschafterin VERIT Immobilien AG mit ihren 10 Standorten und 150 Mitarbeitenden. Ebenso nennenswert sind die Aktivitäten der Valiant Bank, der Migros Bank, der Kantonalbank des Kantons Waadt (BCV) und der Luzerner Kantonalbank (LUKB). Erstere engagierte sich 2019 als strategischer Investor bei AgentSelly, einem Immobilienmakler mit aktuell 30 Standorten und 50 Mitarbeitenden. Bereits ein Jahr später erhöhte Valiant seine Beteiligung an AgentSelly, welcher übrigens auch eine Kooperation mit der Bank Thalwil führt. Im Juni 2021 lancierte die BCV die Schweizer Version der Plattform PropertyMatch, welche sich auf die Vermittlung von nicht kotierten kollektiven Immobilienanlagen spezialisiert. Die Migros Bank erwarb 2019 eine Mehrheitsbeteiligung beim Zürcher Dienstleister CSL Immobilien (ca. 50 Mitarbeitende). Zweck dieses Vorhabens war es, den Kunden eine umfassende Dienstleistungspalette anbieten zu können und damit den gesamten Lebenszyklus von Immobilien abzudecken.

Ähnliche Ziele verfolgt die Luzerner Kantonalbank bereits seit 2016, als sie inhouse das Immobilien-Kompetenzzentrum gründete. Zeitgleich beteiligte sich die LUKB im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie an Crowdhouse. Allerdings folgte bereits 2018 wieder die Trennung. 2020 vereinbarte die LUKB dann mit der Fundamenta Group eine Kooperation, welche unter anderem auch eine Beteiligung der Bank an der Fundamenta Group Holding in Höhe von 30% beinhaltet. Die Kunden der Bank sollen durch die Kooperation einen einfacheren Zugang zu Dienstleistungen und Anlagemöglichkeiten des Asset Managers erhalten.

Was bewegt immer mehr Banken zu diesem Schritt?
Nun drängt sich die Frage auf: Was führt Banken dazu, sich – abseits ihres eigentlichen Kerngeschäfts – bei Immobiliendienstleistern zu engagieren? Natürlich mag es mehrere gute Gründe geben; die folgenden beiden dürften jedoch zweifellos zu den wichtigsten gehören:

  1. Zunehmender Druck auf die Margen der traditionellen Einnahmequellen wie das Hypothekarzinsgeschäft oder das Anbieten und Verwalten von Vermögensanlagen, denn neue Marktakteure haben das Spielfeld betreten. So bieten mittlerweile auch Versicherungen und Pensionskassen Hypotheken an, und Fintechs verschaffen Kunden einfachen Zugang zu günstigen, digitalen Anlage- und Handelsplattformen.
  2. Stabile Entwicklung des Immobilienmarktes und der Erträge, welche in diesem Markt erwirtschaftet werden können, denn es handelt sich um einen Wachstumsmarkt mit steigender Nachfrage und gleichsam steigenden Preisen. Wir beobachten, dass insbesondere die Einnahmen aus Verwaltungsmandaten eine hohe Resilienz aufweisen.

Neue Ertragsquellen generieren und Dienstleistungen für Kunden erweitern
Zu den Hauptzielen der Banken gehören üblicherweise, die Abhängigkeit vom Kerngeschäft zu reduzieren, die Ertragsbasis zu verbreitern, dem Kunden eine grössere Palette an Dienstleistungen anbieten zu können und ihn so stärker anzubinden. Doch nicht nur Banken oder Hypothekarvermittler drängen momentan in die Immobilienbranche. Auch innerhalb des Immobiliensektors konnten wir in letzter Zeit verschiedene bemerkenswerte Beteiligungen oder Übernahmen verzeichnen:

Solide Chancen auf Expansionen und Wachstum in der neuen Umgebung
Wie können wir diese Beteiligungen und Übernahmen nun einordnen? Die Beweggründe mögen im Einzelfall vielfältig sein. Für kleinere bis mittlere Dienstleister – zwar mit stabilen Erträgen, jedoch begrenztem Investitionsspielraum – kann der Anschluss an einen grossen Konzern durchaus Chancen bieten. Grosskonzerne können zum Beispiel die Mittel und das Knowhow für zusätzliches Wachstum und die heutzutage nötige Technologisierung bereitstellen und in die Kooperation einbringen. Doch es kann KMU natürlich auch vor mögliche Herausforderungen stellen. Übernommenen Unternehmen droht nicht selten ein „wake-up call“ in der neuen, meist stärker regulierten und von standardisierten Prozessen bestimmten Umgebung. Zudem müssen sich nicht nur Mitarbeitende an ein anderes Umfeld gewöhnen, sondern auch für Kunden können sich gewisse Prozesse ändern.

Eine Lösung für mögliches Konfliktpotential steht noch aus
Beim Schulterschluss zwischen der Migros Bank und CSL Immobilien versprachen sich die beiden Unternehmen beispielsweise viele Synergien und Vorteile. Julius Bär möchte mit der Übernahme von KMP in Zukunft Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus von Immobilien anbieten, neben der bisherigen Finanzierung nun also auch die Vermittlung. Die Bank erhält dadurch ein gesamthaftes Angebot für ihre Kunden, und kann sich auf das breite Wissen eines erfahrenen Immobilien-Dienstleisters verlassen.

Jedoch begeben sich Banken damit auf heikles Terrain. Gerade die Kombination aus Bewertung, Finanzierung und Vermittlung birgt das Potential von Interessenskonflikten. Bankintern dürften je nach Position unterschiedliche Ansichten bestehen, was ein angemessener Marktwert ist: Man nehme zum Beispiel das Kreditrisiko aus Sicht des Hypothekargebers versus die Perspektive des Kundenberaters, der den Hypothekarnehmer vertritt. Sollte die Vermittlung sogar zwischen Bankkunden stattfinden und dafür eine Vermittlungsprovision in Abhängigkeit der Höhe des Kaufpreises anfallen, dürften die Interessenskonflikte noch offenkundiger werden. Diesen kann zwar mit internen Regelungen begegnet werden. Allerdings kann dies dann die Zielerreichung von einzelnen Mitarbeitenden oder Abteilungen negativ beeinträchtigen.

Alles ist im Fluss – mit offenem Ausgang
Trotz dieser möglichen Herausforderungen scheint bei CSL Immobilien die Partnerschaft mit der Migros Bank bereits Früchte zu tragen. So konnte das Unternehmen Anfang Jahr eine neue Kooperation mit dem Credit Suisse Asset Management bekannt geben. CSL wird für die Credit Suisse ab nächstem Jahr die Bewirtschaftung eines grösseren Immobilienportfolios in der Stadt Zürich mit Fokus auf datengetriebenem Property Management übernehmen, und weitere Portfolios ausserhalb von Zürich sollen folgen. Allerdings verliess CSL Immobilien 2019 das Colliers-Netzwerk, als sie von der Migros Bank übernommen wurde – und kann seitdem nicht mehr von den Vorteilen des internationalen Immobilienberater-Netzwerks profitieren.

Die Zukunft wird zeigen, ob Kuoni Müller Partner – bisher Allianzpartner von BNP Paribas Real Estate – als Teil von Julius Bär die internationale Kooperation aufrechterhalten kann und will, zumal es sich bei dessen Mutterhaus ja ebenfalls um eine Bank handelt. Eins ist auf jeden Fall sicher: die Immobilienbranche bleibt in Bewegung, und für weitere Spannung ist gesorgt. (JLL Schweiz/mc/ps)

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