Johnson will besseren Brexit-Deal
London – Der Favorit im Rennen um die Führung der britischen Konservativen und das Amt des Premierministers, Boris Johnson, will das Abkommen über den EU-Austritt nachverhandeln. Das sagte der ehemalige Aussenminister Grossbritanniens am Mittwoch in London bei einer Rede zum Auftakt seiner Kampagne um die Nachfolge von Theresa May.
Ein «besserer Deal» sei möglich, sagte Johnson. Er wolle keinen Austritt ohne Abkommen, aber das Land müsse sich darauf vorbereiten, um den Druck auf die Verhandlungspartner in Brüssel zu erhöhen. «Es ist wichtig robust, entschlossen und entschieden zu sein», so Johnson. Zudem müsse die Austrittsfrist am 31. Oktober auf jeden Fall eingehalten werden.
EU lehnt Nachverhandlungen ab
Brüssel hat bereits mehrfach klargemacht, dass es keine Nachverhandlungen an dem Austrittsvertrag geben kann. Erst am Dienstag wiederholte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker diese Position. Der Vertrag müsse respektiert werden, wer auch immer der nächste britische Premierminister sein werde, sagte Juncker im Gespräch mit dem Portal Politico.
May war mit dem Deal über den EU-Austritt drei Mal im Parlament gescheitert und als Konsequenz vergangene Woche von ihrem Amt als Parteichefin zurückgetreten. Von den zehn Bewerbern, die ihren Hut in den Ring geworfen haben, werden Johnson die besten Chancen eingeräumt.
Premier soll Ende Juli feststehen
Die Zahl der Kandidaten soll nun in mehreren Wahlgängen von der Tory-Fraktion auf zwei reduziert werden. Die sollen sich dann einer Stichwahl unter den rund 160’000 Tory-Mitgliedern stellen. Bis Ende Juli soll der neue Parteichef und Premierminister feststehen.
EU sieht sich gut gewappnet für No-Deal-Brexit
Derweil sieht sich die EU für den gefürchteten Brexit ohne Vertrag inzwischen gut gerüstet. Vor dem nun gültigen Austrittsdatum 31. Oktober würden keine weiteren gesetzlichen Notfallmassnahmen gebraucht, erklärte die EU-Kommission am Mittwoch. Alle Mitgliedstaaten seien auf alle Szenarien in hohem Masse vorbereitet.
Ein Szenario ohne Abkommen sei «ein durchaus möglicher, wenn auch nicht erstrebenswerter Ausgang», hiess es. In dem Fall entfiele die mit der bisherigen britischen Regierung ausgehandelte Übergangsphase bis Ende 2020. Das würde «natürlich erhebliche Störungen für Bürger und Unternehmen» bedeuten, doch träfen diese Grossbritannien viel stärker als die übrigen 27 EU-Staaten, erklärte die Kommission.
EU will auf Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen pochen
Die Kommission erinnerte daran, dass sie auch im Falle eines No-Deal-Brexits auf die im Vertrag geregelten Forderungen pochen werde, darunter die «Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen» Grossbritanniens. Diese werden auf etwa 44 Milliarden Euro geschätzt. May-Nachfolgekandidat Boris Johnson hatte damit gedroht, das Geld zurückzuhalten.
Trotz der insgesamt positiven Bewertung der Notfallmassnahmen monierte die Kommission, einige Versicherungsfirmen und Finanzdienstleister seien in einigen Punkten «nicht gut vorbereitet», etwa beim Vertragsmanagement. Sie seien nachdrücklich aufgefordert, bis 31. Oktober ihre Vorbereitungen abzuschliessen. (awp/mc/pg)