Moritz Suter, Stiftungsratspräsident W.A. de Vigier Stiftung.
Solothurn – Die Solothurner W.A. de Vigier Stiftung, die ihr 25-jähriges Bestehen feiert, hat in der vergangenen Woche den mit je 100’000 Franken dotierten Förderpreis an sieben Jungunternehmer vergeben. Den Jubiläumspreis erhält das Lausanner Biotech-Unternehmen QGel. Zum ersten Mal spenden zudem ehemalige Preisträger einen Preis von 100’000 Franken. Er geht an das Zürcher Clean-Tech-Unternehmen Climeworks. Als „Jungunternehmerförderer des Jahres 2012“ wird der Aargauer Unternehmer Thomas Knecht geehrt.
Die Starthilfe für Jungunternehmen wurde vor 25 Jahren von Unternehmer William A. de Vigier, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, lanciert. Seit 1989 unterstützt die W.A. de Stiftung jedes Jahr Start-up-Firmen mit je 100 000 Franken. Der Förderpreis ist die höchstdotierte und bedeutendste Auszeichnung für Jungunternehmerinnen und Jungunternehmen in der Schweiz.
An der Jubiläums-Preisverleihung vom vergangenen Donnerstag, zu der Unternehmerinnen und Unternehmer, Investoren und Förderer von Jungfirmen ins Vigier-Sommerhaus in Solothurn geladen waren, wurden sieben Firmen preisgekrönt: Den Jubiläumspreis erhält das Lausanner Biotech-Unternehmen QGel, das neuartige Zellanalysen für die individuelle Krebsbehandlung entwickelt. Die Firma Sanovation in Rümlang will mit dem Online-Tagebuch „catchmypain“ die Odyssee von Patienten mit chronischen Schmerzen beenden. Ebenfalls im Biotech-Bereich tätig sind die Firmen ProteoMediX und Virometix: Der ETH-Spin-Off ProteoMediX will mit einem neuen Test die hohe Rate an Fehldiagnosen bei der Entdeckung von Prostata-Krebs reduzieren. Die Firma Virometix hat einen rein synthetischen Impfstoff entwickelt, mit dem sie als Erstes die Pneumokokken bekämpfen will. Das Zürcher Unternehmen Uepaa(!!) tüftelt an einer Handyapplikation für Bergsportler, die auch in einem Funkloch Alarm auslöst, und das Berner Start-up-Unternehmen Xovis hat einen Personenzählsensor entwickelt, der verhindern soll, dass an einem Schalter Warteschlangen entstehen. Der Flughafen Zürich hat bereits 65 Sensoren im neuen Sicherheitskontrollgebäude installiert.
Preis der Preisträger erstmals vergeben
Zusätzlich spenden zum ersten Mal sieben ehemalige Preisträger der W.A. de Vigier Stiftung einen Preis von ebenfalls 100’000 Franken. Er geht an das Clean-Tech-Unternehmen Climeworks. Der ETH-Ableger hat eine Technologie entwickelt, mit der sich CO2 aus der Luft filtern lässt.
Bis heute schüttete die W.A. de Vigier Stiftung Seedmoney in der Höhe von 8,3 Millionen Franken aus. Die Firmengründer profitieren zudem von der langfristigen Begleitung durch den Stiftungsrat, dessen Präsident der Basler Unternehmer Moritz Suter ist.
Den Titel „Jungunternehmerförderer des Jahres 2012“ erhält der Aargauer Unternehmer Thomas Knecht, Verwaltungsratspräsident der Knecht Holding, der 1998 den Venture-Wettbewerb initiierte. Ihm ist zu verdanken, dass die Schweiz heute über eine innovative Start-up-Szene mit einem professionellen Umfeld von Investoren, Patentanwälten, Juristen und Marketingexperten verfügt.
Die Preisträger 2012 der W.A. de Vigier Stiftung:
Jubiläumspreis: QGel SA, Lausanne: Individuelle Krebsbehandlung (www.qgelbio.com)
Bei 60 Prozent der Patienten wirkt das ihnen verschriebene Medikament nicht. Grund: Hinter einem Krankheitsbild können sich verschiedene genetische oder biochemische Varianten verbergen. Das Lausanner Unternehmen QGel hat ein Gel weiter entwickelt, in dem Forscher das Wachstum von Tumorzellen beobachten und gezielt beeinflussen können. Für die Beobachtung der Zellen bedient sich das Unternehmen modernster 3D-Mikroskopie und automatischer Bildanalyse. So kann die Wirkung verschiedener Medikamente an hunderttausende von Zellen gleichzeitig untersucht werden. Erste Studien haben gezeigt, dass die QGel-Analyse eine höhere Trefferquote bezüglich der Wirksamkeit eines Medikaments aufweist als die herkömmliche 2-D-Analyse.
Sanovation AG, Rümlang: Online-Tagebuch gegen Schmerzen (www.catchmypain.com)
Fast ein Fünftel aller Erwachsenen in Europa leidet an chronischen Schmerzen, die Hälfte davon seit mindestens sieben Jahren. Mit „Catchmypain“ der Firma Sanovation AG erhalten diese Patienten nun eine Web-Plattform, auf der sie – anonym – ihr persönliches Online-Tagebuch führen können. Anhand eines grafisch dargestellten Schmerz- respektive Zufriedenheitsverlaufs, sehen sie dann, welche Medikamente oder Therapien die Leiden linderten oder verstärkten. Mit einer Analyse der anonymen Informationen aus den Tagebüchern will das Jungunternehmen zudem die Erforschung von chronischen Schmerzen vorantreiben. Ziel der siebenköpfigen Firma ist es, eine globale Schmerzdatenbank aufzubauen.
ProteoMediX AG, Schlieren: Prostatakrebs – Genauere Diagnose (www.proteomedix.ch)
Zur Früherkennung von Prostatakrebs stützt man sich meist auf den PSA-Test. Ist der PSA-Wert zu hoch, entnimmt man eine Gewebeprobe aus der Prostata. Dieser Eingriff ist unangenehm – und für die Mehrheit der Männer nicht nötig. In drei von vier Fällen erweist sich der Krebsverdacht nämlich als falsch. Der PSA-Test ist deshalb selbst unter Medizinern umstritten. ProteoMediX will einen Test auf den Markt bringen, der die hohe Rate an Fehldiagnosen und damit unnötige Biopsien reduziert. In einer ersten Studie lag die Trefferquote des neuen Tests bei 80 Prozent. Die Studie, die im renommierten amerikanischen Wissenschaftsjournal PNAS veröffentlicht wurde, sorgte bei Fachleuten für grosses Aufsehen.
Uepaa(!!) Swiss Alpine Technology AG, Zürich: Ein Schutzengel-App für Bergsportler (www.uepaa.ch)
Freizeitsport in den Bergen boomt. In der Schweiz verunfallen allein fast 9’000 Wanderer jedes Jahr. Uepaa(!!) Swiss Alpine Technology tüftelt an einer Notruf-Applikation für die Handys der Alpengänger. Die Applikation geht weit über die Möglichkeiten moderner Handys hinaus: Sie sucht auch dann Hilfe, wenn der Handynutzer – zum Beispiel nach einem Sturz – bewusstlos ist. Und sie kann den Notruf auch ausserhalb des Handynetzes absetzen. Ziel der Applikation ist es, die Rettung zu beschleunigen. Erste Tests im Schnee haben zudem gezeigt, dass sich Smartphones gut zur Ortung – beispielsweise von Verschütteten in einer Lawine – eignen. Das Jungunternehmen hat bereits die Rettungsflugwacht (Rega) als ersten wichtigen Partner auf seiner Seite.
Virometix AG, Zürich: Ein rein synthetischer Impfstoff (www.virometix.com)
Die Wirksamkeit der Impfung gegen die durch Pneumokokken ausgelösten Krankheiten wie Lungenentzündung, Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung nimmt rapide ab. Grund: Die Impfstoffe, die aus isolierten Bestandteilen des Bakteriums bestehen, decken nur einen kleinen Teil der rund 90 Pneumokokken-Unterarten ab. Die Biotech-Firma Virometix nutzt eine ganz neue Technologie, mittels der sie einen rein synthetischen Impfstoff auf den Markt bringen will, der gegen alle Unterarten wirkt und erst noch ohne Nebenwirkung ist. Neben dem Impfstoff gegen Pneumokokken-Bakterien arbeitet das Unternehmen auch an der Entwicklung eines synthetischen Impfstoffs gegen virale Infektionskrankheiten.
Xovis AG, Bern: Kürzere Wartezeit dank Zählsensor (www.xovis.com)
Xovis hat einen Personenzählsensor entwickelt, der betriebliche Abläufe optimieren hilft: Er analysiert Bewegungen und rechnet Wartezeiten aus. Der Sensor basiert auf Videoaufnahmen, übermittelt aber nur anonyme Zähldaten. Der Flughafen Zürich hat bereits 65 Sensoren im neuen Sicherheitskontrollgebäude installiert. Sie messen die Auslastung vor den Sicherheitskontrollen, rote und grüne Ampeln leiten aufgrund der Daten die Passagiere. Auch deutsche Flughäfen sind interessiert. Der Flughafen München hat sich ebenfalls für die Sensoren von Xovis entschieden, um Wartezeiten zu messen und den Passagierfluss zu optimieren. Der Sensor eignet sich für alle Orte, wo Leute warten müssen: Bahnhöfe, Museen oder Messen.
Preis der Preisträger: Climeworks GmbH, Zürich: Die CO2-Fänger (www.climeworks.com)
Climeworks hat eine Technologie entwickelt, die das klimaschädliche Kohlendioxid aus der Atmosphäre extrahiert, also die Luft von CO2 reinigt. Mehr noch: Die von Climeworks entwickelte Apparatur kann das gewonnene CO2 wieder nutzbar machen. Aus CO2 und Wasser lässt sich mit Strom das wertvolle Synthesegas herstellen, aus dem man wiederum Treibstoffe machen kann. Ein Liter Synthesetreibstoff könnte einen Liter des zu Neige gehenden Erdöls ersetzen. Die Treibstoffherstellung aus atmosphärischem CO2 hat auch die Jury des von Sir Richard Branson und Al Gore initiierten Klima-Wettbewerbs „Virgin Earth Challenge“ beeindruckt: Das Spin-off-Unternehmen der ETH gehört zu den elf Finalisten.
Diesen Preis haben sieben ehemalige Preisträger der W.A. de Vigier Stiftung gespendet: Yan Berchten (Snowpulse und Preisträger von 2007), Lino Camponovo (Malcisbo, 2011), Andreas Emmenegger (Molecular Partners, 2005), Igor Fish (Selexis, 2000), Anton Gunzinger (Super Computing System, 1990), Joël Jean-Mariet (Glycart, 2001) und Kurt Schär (BikeTec, 1996).
Die drei Nominees 2012:
Bcomp, Fribourg: Leicht Ski aus Naturfasern (www.bcomp.ch)
Der Kern eines Skis oder eines Snowboards besteht heute meistens aus Kunststoff, aus Holz oder aus einer Mischung von beidem. Das Freiburger Unternehmen Bcomp hat dafür einen Verbundwerkstoff aus Pflanzenfasern entwickelt. Die Skier sind damit bis zu 30 Prozent leichter. Der Einstieg in den Sportartikelmarkt ist Bcomp bereits gelungen. Skihersteller testen Skier mit dem neuen Material. Schon im Winter werden Bretter auf den Markt kommen, deren Kern der Marke Bcomp ist.
KB Medical, Lausanne (www.kbmedical.com)
Die Zahl der Operationen an der Wirbelsäule nimmt stark zu, ist aber wegen des Nervensystems ein heikles Unterfangen. Die Operation erfordert absolute Präzision. Das Spin-off-Unternehmen der ETH Lausanne hat einen Operationsroboter entwickelt, mit dem der Chirurg die Wirbelsäulenschrauben präzise dorthin setzen kann, wo sie hin muss. Den Roboter «Neuroglide» wurde bereits an Leichen getestet. Resultat: Der Roboter arbeitete bis zu fünf Mal präziser als der Chirurg.
Taboobreaker, Winterthur: Ein Spiel bricht Tabus (www.taboobreaker.com)
«Play to break taboos!», fordert Taboobreaker. Die Start-up-Firma in Winterthur entwickelt Lehrmittel für Jugendliche, die auf spielerische Art das Gespräch über sensible Themen wie Sexualität oder Aids anregen. Zum Beispiel mit «Loveland». Das Spiel mit Gleichaltrigen fördere das Gespräch über jene Themen, welche die Jugendlichen ungern mit ihren Eltern besprechen, ist Firmengründerin Karin Stierlin überzeugt. Das Spiel eignet sich auch gut für andere Länder.
Mehr über die Preisträger und die Nominierten erfahren Sie im Magazin zur Jubiläums-Preisverleihung 2012 der W.A. de Vigier Stiftung. Das Magazin kann ab dem 21.6.2012 auf der Website www.devigier.ch heruntergeladen werden. (W.A. de Vigier Stiftung/mc/ps)