St. Gallen – Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat die Amtshilfe an die US-Steuerbehörde IRS zu Kunden der Bank Julius Bär gestoppt. Nach Ansicht der Richter in St. Gallen ist das amerikanische Ersuchen zu wenig präzis. Das letzte Wort könnte das Bundesgericht haben.
Die IRS hatte im vergangenen April eine Gruppenanfrage bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) gestellt. Es betrifft US-Kunden der Bank Julius Bär, die des Steuer- oder Abgabebetrugs verdächtigt werden und die zwischen 2002 und 2012 wirtschaftlich an einer Struktur- oder Domizilgesellschaft berechtigt waren.
Anschein einer «fising expedition»
Zuvor hatte die IRS bereits Klienten der UBS und der Credit Suisse ins Visier genommen. Das jüngste Gesuch der IRS basiert ebenfalls auf dem Doppelbesteuerungsabkommen DBA-USA 96. Mitarbeitern der Bank Julius Bär selber wird vorgeworfen, Kunden aktiv dabei geholfen zu haben, Einkommen und Vermögen vor dem US-Fiskus zu verbergen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun die Beschwerde eines Bankkunden gutgeheissen und entschieden, dass die ESTV auf das Amtshilfegesuch zu Unrecht eingetreten ist. Laut Gericht weist der im Gesuch dargestellte Sachverhalt nicht den für Gruppenersuchen zu «Betrugsdelikten und dergleichen» nötigen Detaillierungsgrad auf.
Dem amerikanischen Ersuchen würden Angaben fehlen, die zur Abgrenzung von einer verbotenen Beweisausforschung («fishing expedition») erforderlich seien. Die IRS hatte gemäss der Medienmitteilung des Gerichts vom Mittwoch in ihrem Gesuch zunächst abstrakt die den Kunden vorgeworfenen Handlungen geschildert.
Zu wenig Anhaltspunkte
Sodann habe sie an einem Beispiel aufgezeigt, wie ein Ehepaar mittels Bankkarten Bargeldbezüge von einem Konto getätigt habe, das auf eine Gesellschaft mit Sitz ausserhalb der USA lautete. Gemäss Gericht hat die IRS damit aber nicht genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen von «Betrugsdelikten und dergleichen» geliefert.
Auch in der beigelegten Anklageschrift gegen Mitarbeitende der Julius Bär werde kein Verhalten aufgeführt, welches das Vorliegen eines Steuer- oder Abgabebetrugs vermuten lasse. Der Entscheid kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.
Voraussetzung dazu ist, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder dass es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Ob das zutrifft, entscheidet das Bundesgericht.
Praxis bestätigt
Mit seinem Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht seine Praxis bestätigt, dass unter dem DBA-USA 96 für reine Steuerhinterziehung keine Amtshilfe zu leisten ist. Ebenso hält es daran fest, dass es sich beim blossen Nichtangeben eines Kontos höchstens um eine solche Steuerhinterziehung handelt.
In einem zweiten Entscheid in der gleichen Sache ist das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde eines betroffenen Kunden nicht eingetreten, weil er die Frist verpasst hat. Im Fall Credit Suisse hatte das Bundesverwaltungsgericht 2011 zunächst ebenfalls entschieden, dass die Kriterien der IRS zu allgemein gehalten seien.
Gruppenanfragen grundsätzlich zulässig
Ein nachgebessertes Gesuch genügte dann den Anforderungen. Das Bundesgericht entschied im vergangenen Juli, dass Gruppenfragen der US-Steuerbehörde IRS rechtlich grundsätzlich zulässig sind.
Der Bundesrat hatte Ende November ersten Banken die Bewilligung zur Kooperation mit US-Behörden im Rahmen des Programms zur Beilegung des Steuerstreits erteilt. Dieses ermöglicht es den Banken, einem Strafverfahren zu entgehen, wenn sie kooperieren und Bussen zahlen.
Das Programm teilt die Banken in verschiedene Kategorien ein. Die Bussen sollen je nach Schwere der Schuld zwischen 20 und 50% der unversteuerten Gelder betragen.
IRS wirft der Bank Geschäftsmodell für Schwarzgeld vor
Die Bank Julius Bär hat nach Auffassung der US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) mindestens 400 reichen Amerikanern geholfen, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. Der Vorwurf der Amerikaner gegen eine der grössten Schweizer Vermögensverwalter ist im mehr als 30 Seiten umfassenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beschrieben, das am Mittwochabend veröffentlicht wurde.
Demnach wird der Bank vorgeworfen, eine regelrechtes Geschäftsmodell entwickelt zu haben, mit dem reiche Amerikaner Schwarzgeld bei der Bank verstecken konnten. Bär-Berater hätten US-Kunden geraten, Decknamen und Nummernkonten zu benutzen. Auch Scheingesellschaften und Stiftungen in Liechtenstein seien im Spiel gewesen.
Bezug nahmen die Amerikaner auch auf eine Anklageschrift gegen zwei frühere Bär-Mitarbeiter aus dem Jahr 2011. Diese sollen reichen Amerikanern beim Verstecken von mindestens 600 Mio USD unterstützt haben. (awp/mc/ps)