Klima: Abkühlungstrend erstmalig präzise berechnet
Mainz – Eine 2.000-jährige Klimarekonstruktion für Nord-Europa anhand von Baumjahrringen hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) vorgestellt. Die Gruppe um Univ.-Prof. Dr. Jan Esper vom Geographischen Institut der JGU kombinierte die Jahrringdichtemessungen fossiler Kiefernbäume aus dem finnischen Lappland zu einer Zeitreihe, die bis in die Zeit 138 vor Christi Geburt zurückreicht.
Dabei haben die Wissenschaftler erstmalig einen langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende präzise berechnet. „Wir haben festgestellt, dass die historischen Temperaturen zur Römerzeit und im Mittelalter bis dato als zu kühl eingeschätzt wurden“, so Professor Esper. „Diese Befunde sind auch insofern von klimapolitischer Bedeutung, da sie die Beurteilung des aktuellen Klimawandels im Vergleich zu den historischen Warmphasen beeinflussen.“ Die neue Studie ist am Sonntag, 8. Juli, in der Zeitschrift „Nature Climate Change“ erschienen.
Bäume als wichtigste Klimazeugen
War das Klima zur Römerzeit oder im Hochmittelalter wärmer als heute? Und welche Bedeutung haben diese frühen Warmzeiten für die Einschätzung des globalen Klimawandels, wie wir ihn heute kennen? Diese Fragen versucht die „Paläoklimatologie“ zu klären: Wissenschaftler werten indirekte Klimazeugen wie Eisbohrkerne oder Seesedimente aus, um das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren. Für die letzten 1.000 bis 2.000 Jahre sind die wichtigsten Klimazeugen die Bäume, deren Jahrringe Informationen über kalte und warme Bedingungen speichern.
Für ihre Studie verwendeten die Forscher aus Deutschland, Finnland, Schottland und der Schweiz Messungen der Holzdichte von Bäumen aus dem finnischen Teil Lapplands. In dieser grossflächigen und kalten, vorwiegend aus Gewässern und Wald bestehenden Landschaft fallen immer wieder Bäume in einen der zahlreichen Seen und bleiben dort über Jahrtausende sehr gut erhalten.
Zeitreihe zurück bis ins Jahr 138 v. Chr.
Das internationale Forscherteam kombinierte die Jahrringdichtemessungen dieser fossilen Kiefernbäume zu einer Zeitreihe zurück bis in das Jahr 138 v. Chr.. Die Messungen der Holzdichte korrelieren sehr gut mit den Sommertemperaturen in diesem Raum nahe der nordischen Waldgrenze; den Forschern gelang es daher, eine Temperaturrekonstruktion von bisher unerreichter Qualität zu erstellen. Diese Rekonstruktion zeigt nun in hoher Auflösung die Wärmebedingungen zur Römerzeit und im Hochmittelalter, aber auch die Kältephasen zur Zeit der Völkerwanderung oder der späteren kleinen Eiszeit.
Präzise Berechnung eines viel längerfristigen Abkühlungstrends
Die neue Klimakurve zeigt neben diesen Kalt- und Warmphasen aber noch ein Phänomen, mit dem in dieser Form nicht zu rechnen war. Erstmalig konnten die Forscher anhand der Baumjahrringe einen viel längerfristigen Abkühlungstrend, der sich kontinuierlich über die letzten 2000 Jahre abspielte, präzise berechnen. Auf Grundlage der neuen Befunde macht dieser Trend, der durch langsame Veränderungen des Sonnenstandes aber auch der Distanz der Erde zur Sonne verursacht wurde, ein Abkühlung von -0.3°C pro Jahrtausend aus.
„Eigentlich erscheint diese Zahl nicht sonderlich imposant“, so Professor Esper, „allerdings ist sie im Vergleich zur globalen Erwärmung, die bis heute auch weniger als 1°C beträgt, nicht zu vernachlässigen. Wir konnten nun zeigen, dass die grossräumigen Klimarekonstruktionen, die auch vom internationalen Klimarat ‚IPCC‘ verwendet werden, den langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende unterschätzen.“ (JGU/mc/pg)