Klima der Vergangenheit erstmals für einzelne Kontinente aufgeschlüsselt
Während der Kleinen Eiszeit zwischen zirka 1250 und 1860 traten verschiedene Kälterückfälle auf, welche Künstler zu Bildern anregten. Diese Winterlandschaft wurde von Pieter Brueghel dem Jüngeren im Jahre 1601 nach einer Vorlage seines Vaters aus dem Jahre 1565 gemalt. (Foto: S.U. Nussbaumer)
Bern – Die weltweiten Veränderungen des Klimas waren in der Vergangenheit durch regionale Unterschiede geprägt. Dies zeigt eine grossangelegte Studie unter starker Beteiligung der Universität Bern, welche die Temperaturen der vergangenen 1000 bis 2000 Jahre rekonstruiert hat. Es handelt sich dabei um die erste umfassende Rekonstruktion in kontinentalem Massstab überhaupt. Eine ihrer Hauptaussagen: Der durch mehrere Faktoren (zum Beispiel Erdbewegungen, Vulkan- und Sonnenaktivität) hervorgerufene und weltweit beobachtete langfristige Abkühlungstrend wurde durch die wärmste 30-Jahresperiode zwischen 1971 und 2000 abgelöst.
Dieser Aufwand sucht in der Klimaforschung seinesgleichen: Rund 80 Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt haben für die soeben in der Fachzeitschrift «Nature Geoscience» erschienene Studie zusammengearbeitet. Sie haben in einem der grössten je zur Rekonstruktion des Klimas geleisteten Effort Daten aus allen Kontinenten ausgewertet und so erstmals die Temperaturentwicklung der vergangenen 1000 bis 2000 Jahre aus einem kontinentalen Blickwinkel rekonstruiert.
Grossprojekt in Bern initiiert
Initiiert und koordiniert wurde dieses Grossprojekt von einer internationalen Forschungsorganisation, die ihren Sitz an der Universität Bern hat. Das PAGES (Past Global Changes) Programm wurde 1991 mit dem Ziel gegründet, Klimaschwankungen und Umweltveränderungen in der Vergangenheit besser zu verstehen. Das Programm wird hauptsächlich von den Nationalfonds der Schweiz und den USA finanziert.
2006 beschlossen in der Organisation vernetzte Forschende, das Klima der vergangenen 2000 Jahre in bisher nie dagewesener Qualität zu rekonstruieren. Nun liegt das Resultat dieser Anstrengung vor. «Entscheidend war, dass wir regionale Experten in das Programm eingebunden haben, welche mit ihrem Raum absolut vertraut sind», erklärt Heinz Wanner, emeritierter Professor für Klimatologie an der Universität Bern und einer der Koordinatoren des Projekts. «Dabei wurden die mit unterschiedlichen Methoden erarbeiteten kontinentalen Rekonstruktionen mit weiteren erprobten statistischen Verfahren auf ihre Zuverlässigkeit überprüft.»
Frühere Versuche, einen detaillierten Überblick über die klimatische Entwicklung zu liefern, hätten sich auf eine schmalere Datenbasis gestützt und nicht die regionalen Differenzen analysiert, erklärt Wanner.
Natürliche Klimaarchive und historische Quellen
Für die nun vorliegende Studie «Die Temperaturvariabilität der vergangen 2000 Jahre in kontinentalem Masstab» haben die Forscherinnen und Forscher – unter ihnen sechs Mitglieder des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern – für Grossregionen auf sieben Kontinenten Temperaturkurven an Hand von 511 lokalen Klimaarchiven erstellt. Diese basieren auf der Analyse von Baumringen, Pollen, Korallen, See- und Meeressedimenten, Eisbohrkernen, Stalagmiten sowie auf historischen Dokumenten. Die verwendeten Daten weisen zumeist eine jährliche Auflösung auf. Rekonstruktionen für Afrika mussten wegen mangelnder Daten noch ausgeklammert werden.
Der Vergleich der Temperaturentwicklung über die Kontinente hinweg zeigt, dass die Temperaturen je nach Erdteil in spezifischen Mustern schwankten. Dabei waren die Gemeinsamkeiten innerhalb der Hemisphären deutlich grösser als jene zwischen Norden und Süden.
«Markante Perioden wie die Mittelalterliche Wärmeanomalie oder die Kleine Eiszeit treten zwar regional hervor, zeigen jedoch global kein einheitliches Bild», sagt Heinz Wanner. So fielen in der Mitte des letzten Jahrtausends die Temperaturen zwar überall unter den langfristigen Mittelwert. Dies geschah in der Arktis, in Europa und in Asien jedoch Jahrzehnte früher als in Nordamerika und auf der Südhemisphäre, was möglicherweise auf die dämpfende Wirkung der Ozeane zurückzuführen ist. Diese neuen Erkenntnisse, so der renommierte Berner Klimaforscher, würden in der Forschungsgemeinschaft wohl noch für lebendige Diskussionen sorgen. Langfristiger Trend zur Abkühlung umgekehrt Die beste Übereinstimmung zwischen den Kontinenten in den vergangenen 2000 Jahren ist der langfristige Abkühlungstrend, für den wahrscheinlich neben Veränderungen der Erdbewegung auch Gruppen von Vulkaneruptionen, Schwankungen der Solaraktivität und Oberflächenveränderungen verantwortlich waren. Diese Abkühlung ging erst am Ende des 19. Jahrhunderts zu Ende.
Globale Durchschnittstemperatur in den letzten 1400 Jahren nie höher als zwischen 1971 und 2000
Die Erwärmung der jüngsten Zeit, so die Studie, hat diese langfristige Abkühlung aufgehoben. Die Analyse der gewichteten Mittelwerte über 30-jährige Perioden ergibt, dass die globale Durchschnittstemperatur in den letzten 1400 Jahren wahrscheinlich nie höher lag als 1971 bis 2000. Einzig in der Antarktis blieb es kalt. Kühlere Perioden von 30 Jahren traten zwischen den Jahren 830 und 1910 besonders markant bei schwacher Sonnenaktivität und starken tropischen Vulkanausbrüchen auf. Diese beiden Phänomene zeigten sich zudem im zweiten Millennium oft gemeinsam. Zwischen 1251 und 1820 konnten in mehreren Regionen typische Abkühlungsphasen mit einer Länge von 30 bis 90 Jahren unterschieden werden. Die Erwärmung des 20. Jahrhunderts war auf den Nordkontinenten im Mittel doppelt so gross wie auf jenen der Südhemisphäre.
Nicht überall auf der Welt stellen die gegenwärtigen Temperaturen Rekordwerte dar. In Europa zum Beispiel war die Zeit zwischen 21 und 80 nach Christus möglicherweise wärmer als die Periode von 1971 bis 2000. (Universtität Bern/mc/pg)