Klimafolgen-Faustregel umgekrempelt

Klimafolgen-Faustregel umgekrempelt

Zürich –  ETH-Klimaforscher stellen die allgemein formulierte Klimawandel-Grundregel «Trockene Regionen werden trockener, feuchte feuchter» mit einer neuen Analyse über Landgebieten infrage. In einigen Regionen finden sie gegenläufige Trends. 

Aufgrund von Modellen und Beobachtungen stellten Klimawissenschaftler eine vereinfachte Formel auf, um eine der möglichen Folgen des Klimawandels zu beschreiben: Gebiete, die bereits heute von Trockenheit geprägt sind, werden im künftigen Klima noch stärker austrocknen. In Regionen, in denen es zurzeit schon feucht ist, wird es noch mehr Niederschlag geben. Auf Englisch klingt es noch eingängiger: Dry gets drier, wet gets wetter (DDWW).

Diese Formel ist allerdings nicht so allgemeingültig wie angenommen. Das zeigt ein Team von ETH-Klimaforschenden um Peter Greve, Erstautor einer soeben in Nature Geoscience erschienenen Studie. Bisherige Analysen benutzten eine Technik, welche die klimatischen Eigenschaften über dem Ozean umfassend beschreibt, über Land aber problematisch ist. Dies wurde in besagten Studien durchaus angesprochen, im allgemeinen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs aber bisher übersehen. In ihrer neuen Studie berücksichtigen die ETH-Forschenden aus der Gruppe von Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik, deshalb erstmals die besonderen klimatischen Eigenschaften der Landoberfläche, wo die Menge des verfügbaren Wassers im Gegensatz zum Ozean limitiert ist.

Für ihre Analysen verwendeten die Klimawissenschaftler Messdaten, die nur auf dem Land erhoben wurden wie Niederschlag, tatsächliche Verdunstung und die potentielle Verdunstung. Die Daten stammten aus verschiedensten Quellen und wurden von Greve und seinen Mitautoren so kombiniert, dass sie die Trends in Bezug auf die Feuchtigkeit respektive Trockenheit einer Region herauslesen konnten. Weiter verglichen die Forschenden Daten aus der Zeit von 1948 bis 1968 und von 1984 bis 2004.

Hälfte der Flächen mit Gegentrend
Die Auswertung zeigt, dass auf drei Vierteln der Landfläche der Erde kein eindeutiger Trend in Richtung trockener oder feuchter auszumachen ist. Für den restlichen Viertel gibt es robuste Trends. Dem Grundsatz DDWW folgen die Daten jedoch nur auf der Hälfte dieser Flächen, also einem Achtel der Landfläche. Auf der anderen Hälfte der Flächen widersprechen die Trends dieser Regel.

So ist es in einigen Regionen, die gemäss der einfachen Formel DDWW hätten feuchter werden sollen, in der Vergangenheit trockener geworden, etwa in Teilen des Amazonas, Mittelamerikas, des tropischen Afrikas oder Asiens. Umgekehrt gibt es Trockengebiete, die feuchter geworden sind: Teile Patagoniens, Zentralaustraliens und des mittleren Westens der USA.

Grösstenteils bestätigt wird die Faustregel «feucht wird feuchter» hingegen für den Osten der USA, Nordaustralien oder den Norden Eurasiens. Auch stimmt «trocken wird trockener» mit den Signalen überein, die aus der Sahelzone, der Arabischen Halbinsel oder Teilen Zentralasiens und Australiens stammen.

Der Grundsatz DDWW stimme allerdings nach wie vor für Ozeane. «Unsere Resultate unterstreichen, dass man sich nicht zu sehr auf vereinfachende Grundsätze abstützen soll, um vergangene Veränderungen bei Trockenheit oder Feuchte einzuschätzen», sagt Greve. Dies könne in die Irre führen, weil sie der Komplexität des darunterliegenden Systems nicht gerecht würden. (ETH/mc/pg)

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