Klimawandel wird noch viele Generationen nach uns beschäftigen
Thomas Stocker, Professor an der Universität Bern und bis 2015 Vorsitzender der Arbeitsgruppe des Weltklimarats IPCC. (Foto: Universität Bern)
Bern – Die heutigen Treibhausgasemissionen verursachen einen Klimawandel, der Jahrtausende andauern kann – so das Fazit einer internationalen Studie mit Beteiligung unter anderem der Universitäten Oregon, Harvard, MIT, Oxford und Bern. Doch bislang nimmt die Politik die langfristigen Folgen der globalen Erwärmung wie den Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 25 Meter nicht genügend zur Kenntnis.
Nach einer neuen Studie könnten die anhaltenden Treibhausgasemissionen drastische Langzeitfolgen haben, die über mindestens 10’000 Jahre andauern und nicht rückgängig gemacht werden können. Die Studie erscheint im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature Climate Change und wurde von einem internationalen Team von Wissenschaftlern aus sieben Ländern veröffentlicht. Daran beteiligt waren unter anderem die Universitäten Oregon, Harvard, MIT, Oxford und Bern.
Viel längerfristigere Veränderungen berücksichtigen
Die gegenwärtige politische Debatte über den Klimawandel konzentriere sich traditionell auf die beobachteten Veränderungen über die letzten 150 Jahre sowie die Auswirkungen der Erwärmung und des Anstiegs des Meeresspiegels bis zum Ende dieses Jahrhunderts, sagen die Autoren. Entscheidungsträger sollten jedoch auch die viel längerfristigen Veränderungen, welche weit über das 21. Jahrhundert hinausreichen, kennen und berücksichtigen.
«Unsere heutigen Treibhausgasemissionen verursachen einen Klimawandel, der viele Jahrhunderte bis Jahrtausende anhalten wird», sagt Co-Autor Thomas Stocker, Professor an der Universität Bern und bis 2015 Vorsitzender der Arbeitsgruppe des Weltklimarats IPCC, die die wissenschaftlichen Grundlagen zum Pariser Abkommen erarbeitet hat.
«Es ist höchste Zeit, dass die Politiker die enorme Langfristigkeit der Klimaproblematik erkennen.» Der Blick in die Zukunft nach dem 21. Jahrhundert zeige in aller Schärfe, welches die wahren Risiken und Konsequenzen des Zeitalters der fossilen Brennstoffe seien: «Viele Menschen werden derart massive Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel leisten müssen, dass für sie der Wegzug aus betroffenen Gebieten der einzige Ausweg sein wird.»
Meeresspiegel könnte um bis zu 50 Meter ansteigen
Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine der dramatischsten Konsequenzen der globalen Erwärmung, wird jedoch grösstenteils erst verzögert sichtbar. Im letzten Bericht des Weltklimarats IPCC wurde der zu erwartende Anstieg bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf bis zu etwa 1 Meter abgeschätzt. In der vorliegenden Studie berechnen die Forschenden vier langfristige Erwärmungsszenarien über die nächsten 10’000 Jahre. Wenn die Erwärmung in diesem Zeitraum auf 2°C limitiert wird, dann wird der Meeresspiegel um etwa 25 Meter steigen; für ein Business-as-usual-Szenario ergibt sich bei einer Erwärmung von 7°C sogar ein Anstieg von 50 Metern.
«Der Meeresspiegel reagiert auf die Erwärmung sehr langsam, über Jahrhunderte», sagt Peter Clark von der Universität Oregon, der Hauptautor der Studie. «Das ist wie Wasser in einem Kochtopf: Es dauert ziemlich lange, bis das Wasser siedet, aber solange die Wärme im Topf ist, siedet es weiter.» Sei das CO2 einmal in der Atmosphäre, bleibe es dort für Jahrtausende. «Und so bleiben auch Temperaturen und Meeresspiegel hoch, obwohl die CO2-Emissionen schon vor Jahrtausenden aufgehört haben.»
Laut Peter Clark gibt es heute 122 Länder, in denen mindestens 10 Prozent der Bevölkerung direkt vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind, selbst wenn die Erwärmung unter 2°C gehalten wird. Insgesamt entspricht das etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung, also etwa 1,9 Milliarden Menschen – dieser Anteil steigt mit zunehmender Erwärmung. «Wir können keine 25 Meter hohen Mauern bauen, um uns zu schützen», sagt Clark. «Ganze Mega-Cities werden umziehen müssen.»
«Totale Abkehr» von fossilen Brennstoffen nötig
Daniel Schrag, Professor an der Universität Harvard, sagt, es müssten moralische Fragen gestellt werden, welche Umwelt wir unseren Nachkommen hinterlassen: «Der langfristige Anstieg des Meeresspiegels scheint heute nicht als grosses Problem wahrgenommen zu werden, aber wir treffen heute Entscheidungen, die unsere Gross-gross-Kinder und viele nachkommende Generationen werden ausbaden müssen», so Schrag.
Die Studie macht laut den Autoren deutlich, dass kleinere oder kurzzeitige Reduktionen der Treibhausgasemissionen nicht genügen. Peter Clark: «Um den kommenden Generationen die schlimmsten Auswirkungen zu ersparen, muss das Emissionsziel Null sein, und zwar so schnell wie möglich.» «Die ersten in Paris beschlossenen Schritte sind wichtig, aber es ist notwendig, diese als den Anfang der totalen Abkehr von fossilen Brennstoffen zu verstehen», ergänzt Daniel Schrag.
«Weil wir nicht wissen, wie gut sich Menschen und Ökosysteme an den Klimawandel anpassen können, müssen wir alle unsere Anstrengungen auf die schnelle und vollständige Dekarbonisierung der Energiesysteme lenken – die einzige Option den Klimawandel und seine Auswirkungen wirkungsvoll zu beschränken», sagt Thomas Stocker. (Universität Bern/mc/pg)