KMU als Büromieter: Nachfrage wird unterschätzt
Luzern – Kleinere und mittlere Unternehmen könnten für den Immobilienmarkt eine viel grössere Rolle spielen und Mieter heute leerstehender Räumlichkeiten sein. Dies zeigt der KMU Büromieter Monitor der Hochschule Luzern, Marktsituation, Nutzerbedürfnisse, Vermarktungs- und Vermietungsprozesse für KMU analysiert.
Im Gegensatz zu den Flächen- und Raumbedürfnissen grosser Dienstleistungsunternehmen ist das Segment der KMU zu wenig erforscht. Aber 580’000 Schweizer KMU, also 98% der Unternehmen, sind eine sehr grosse, wenn auch aufgrund ihrer Vielfältigkeit nicht einfache Nachfragegruppe für den Schweizer Immobilienmarkt. Doch die Anbieter wissen zu wenig über diese Kundengruppe. Deswegen nimmt der Leerstand bei Gross- und Kleinflächen weiter zu, während auf der anderen Seite KMU nach langer Suche suboptimale Büros mieten oder sich in lokalen Clustern selbst organisieren. Forscher des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern haben deshalb mit Praxisexperten von immoveris ag, immodea, Wincasa AG und ImmoCompass AG in einer Studie Marktsituation, Nutzerbedürfnisse, Vermarktungs- und Vermietungsprozesse der Kundengruppe der KMU untersucht.
Ineffizienz durch Informationsdefizite
In der Marktanalyse fällt auf, dass besonders die Kleinunternehmen mit Mietwünschen zwischen 150 und 750 Quadratmetern zwischen Stuhl und Bank fallen: Sie sind zu gross, um von Betreibermodellen wie Coworking zu profitieren, und zu klein, um als Alleinmieter aufzutreten. In einem Wincasa-Beispielportfolio machen KMU mit Räumlichkeiten von durchschnittlich 280 Quadratmetern mehr als ein Drittel der Verträge aus. Dabei ist die Spanne der KMU-Geschäftsfelder sehr breit. Im Beispielportfolio streuen die Mietverträge für KMU-Büroflächen über 48 Branchen, mehr als die Hälfte davon gelten nicht als klassische Bürobranchen. Das bedeutet: Diese KMU suchen kleinteilige und flexibel nutzbare Räume für Büros und für Logistik, Kleinserienproduktion oder Verkauf.
KMU brauchen Räume auch in Agglomerationen und ländlichen Regionen
Je nach Tätigkeit, Mobilitätsanforderungen, Ertragsstärke und regionalen Kundengruppen suchen viele KMU Standorte in äusseren Agglomerationen und ländlichen Regionalzentren. Das aktuelle Angebot konzentriert sich jedoch stark auf Grossszentren. Für KMU endet die Suche nach adäquaten Flächen, die Betriebsabläufe und Mitarbeiterbedürfnisse im richtigen Raum zusammenbringen, oft mit einem schlechten Kompromiss.
Unterstützung durch Eigentümer: KMU als Immobilien-Kunden binden und befähigen
Vor allem neugegründete und stark wachsende KMU suchen Büros. In qualitativen Interviews konnten die Forscher der Hochschule Luzern zeigen, dass die KMU die Qualität der Informationen der Vermieter bemängeln, aber die Interviewpartner sich trotzdem nicht hilfesuchend an einen Makler oder andere Experten wandten, obwohl sie selbst nicht über Immobilienwissen verfügten. Der Entscheidungsprozess und das Definieren der Wünsche an neue Räume finden in den Unternehmen jedoch weit vor der Suche statt, die «Customer Journey» startet viel früher. Es wäre daher ratsam für die Anbieter, langfristige Kundenbeziehungen zu KMU aufzubauen. Zudem können Eigentümer den Informationslücken entgegenwirken, in dem sie Hintergrundinformationen zu Mietverträgen, Vorteile neuer Bürolayouts für KMU, Wegleitungen, Checklisten für die Suche und Videokurse anbieten. Da Beratungen für KMU zu teuer sind, müssen sie stärker automatisiert werden, um professionell und flächendeckend angeboten werden zu können.
Viele KMU in einem «Multi-Tenant-Gebäude»: Herausforderungen bei der Vermarktung
Die Vermietung von Flächen an KMU in einem «Multi-Tenant-Gebäude», einem Bürogebäude mit vielen Mietern, ist komplex. Vor allem muss geklärt werden, wie viele Parteien sich wirtschaftlich und baulich in einem Gebäude unterbringen lassen, ohne dass sie sich negativ beeinflussen. Der Erfolg hängt ab von der Betreuung durch das Vermietungsteam und vom Gebäude, dessen Image, Lage, Ausstattung und dessen Flächen attraktiv sein muss. (mc/pg)